Moderne Anti-Baby-Pille birgt vergleichsweise höheres Risiko für Thrombose
Weniger Regelschmerzen, gleichbleibendes Gewicht und ein verbessertes Hautbild: Die neuen Anti-Baby-Pillen versprechen neben einer zuverlässigen Verhütung eine Reihe positiver Zusatzeffekte. Doch obendrein kann es offenbar auch unerfreuliche Nebenwirkungen geben. Denn wie der “Pillenreport” der Techniker Krankenkasse (TK) aufzeigt, haben die Präparate der sogenannten „3. und 4. Generation“ häufig ein wesentlich größeres Thrombose-Risiko als frühere Pillen.
Moderne Präparate werden wesentlich häufiger verschrieben
Moderne Antibabypillen bergen offenbar ein vergleichsweise höheres Risiko für die Bildung von Thrombosen (Blutgerinnseln) als die Pillen der zweiten Generation. Dies geht aus dem “Pillenreport” der TK hervor, welchen die Kasse gemeinsam mit der Universität Bremen erstellt hat. Demnach seien Präparate der älteren Pillen-Generation mit dem synthetischen Gestagen Levonorgestrel zwar ebenso zuverlässig bei der Verhütung – dennoch würden die moderneren Pillen als vermeintlich besser angesehen und wesentlich häufiger verschrieben, berichtet die TK.
Denn heute würden die Präparate dahingehend optimiert, z.B. auch gegen Regelschmerzen und Hautprobleme zu wirken oder die Stärke der Monatsblutung zu verringern. „Jetzt beobachten wir, dass sie gezielt weiterentwickelt wird, um bestimmten Schönheitsidealen näherzukommen und zu eine Lifestylepräparat wird”, so Professor Petra Thürmann, Direktorin des Philipp-Klee-Instituts für klinische Pharmakologie, laut der TK-Mitteilung.
Mehr als 75.000 TK-Versicherte erhalten neue Pille
„Vor allem bei jungen Frauen, die nicht rauchen und kein Übergewicht haben, spricht auf den ersten Blick auch nichts gegen die neuen Präparate”, erklärte Professor Gerd Glaeske von der Uni Bremen. „Aber neu ist nicht immer gleich besser, im Gegenteil: Die Pillen der früheren Generationen schützen genauso gut vor einer ungewollten Schwangerschaft und haben ein geringeres Thromboserisiko“, so der Experte weiter. Wie die TK berichtet, bekamen insgesamt 76.290 der Versicherten im vergangenen Jahr eine Pille mit höherem oder unklarem Gesundheitsrisiko verschrieben, 40.577 Frauen erhielten hingegen ein Präparat der älteren Generation.
Für den “Pillenreport” hatte die TK unter anderem Informationen der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie verschiedene Fachartikel ausgewertet. Das BfArM hatte demnach schon im März 2014 verkündet, dass in den Fachinformationen auf das höhere Thrombose-Risiko einiger neuen Pillen hingewiesen werden müsse und Hersteller aufgefordert, Produkte mit unklarem Risiko weiter untersuchen zu lassen. Denn zuvor hatte eine Studie vom BfArM und anderen europäischen Behörden zu den Risiken sogenannter kombinierter oraler Kontrazeptiva (KOK) ergeben, dass von den drospirenonhaltigen Mitteln der neueren Generation ein erhöhtes Risiko für eine venöse Thromboembolie ausgehe. Demnach seien bei diesen Mitteln neun bis zwölf Anwenderinnen pro
10.000 Frauen betroffen, bei den älteren Präparaten hingegen nur fünf bis sieben Patientinnen.
Beratung gerade bei jüngere Erstanwenderinnen wichtig
Dementsprechend sollten Ärzte vor allem auf eine sorgfältige Aufklärung achten, wenn es junge Patientinnen aufgrund von unreiner Haut, Akne o.ä. auf ganz bestimmte KOK-Präparate abgesehen haben. „In diesen Fällen muss die ärztliche Beratung auch darauf abzielen, dass Verhütungspillen keine Lifestyle-Produkte sind, sondern Arzneimittel, die mit Risiken verbunden sein können“, sagte ein Sprecher des BfArM gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
Doch auch die Pillen der zweiten Generation seien aus Sicht einiger Experten nicht zu unterschätzen. Denn diese hätten unter Umständen zwar ein geringeres Thrombose-Risiko, stattdessen könnten hier aber andere unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, erklärt der Präsident des Bundesverbandes der Frauenärzte, Christian Albring weiter. Hierzu würden beispielsweise immer wieder kehrende Regelschmerzen oder Zwischenblutungen zählen, ebenso könnte es zu einem verstärkten Haarwuchs oder Akne kommen. Demnach würden die Präparate der neuen Generation heute nicht häufiger verschrieben, weil es sich um eine „Lifestyle-Produkt“ handelt – sondern weil sie von einigen Frauen schlicht besser vertragen werden.
Pille seit mehr als 50 Jahren auf dem Markt
1961 brachte die Firma Schering mit „Anovlar“ das erste Antibabypillen-Präparat auf den europäischen Markt, welches 21 Dragees mit dem Östrogen Ethinylestradiol und dem Gestagen Norethisteron enthielt. Bereits nach kurzer Zeit entflammten die ersten kontroversen Diskussionen im Zusammenhang mit der neuen Verhütungspille, da Fälle von Thrombose, Herzinfarkt und Schlaganfall nach der Einnahme der hochdosierten Kontrazeptiva bekannt wurden. Mehr als ein halbes Jahrhundert später ist die „Pille“ in der Zwischenzeit zum meist angewendeten Verhütungsmittel geworden, wobei sie im Laufe der Zeit ständig weiterentwickelt wurde. Die jüngsten Antibabypillen enthalten künstliche Gestagene, beispielsweise Gestoden oder Desogestrel (3. Generation) und Drospirenon (4. Generation), welche die beliebten Zusatzeffekte versprechen. (nr)
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