Noch immer zu hohe Anzahl von Totengeburten in den Industrienationen
14.04.2011
Totgeburten sind vor allem in Entwicklungsländern bis heute relativ weit verbreitetet. Doch auch in verschiedenen Industrienationen ließe sich die Zahl der tot geborenen Babys noch deutlich reduzieren, berichten Vicki Flenady von der University of Queensland, Australien, und Kollegen in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „The Lancet“.
Weltweit treten laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation jährlich mehr als 2,6 Millionen Totgeburten auf – durchschnittlich 7.000 am Tag, wobei jedoch 98 Prozent der Fälle in den ärmeren Nationen zu verzeichnen sind. Insbesondere in Südasien und den Ländern südlich der Sahara seien Totgeburten bis heute ein weit verbreitetes Phänomen. Doch auch in den modernen Industrienationen könnte die Zahl der Totgeburten nach Aussage der Experten noch deutlich reduziert werden.
Frankreich Industrienation mit der höchsten Totengeburten-Rate
Der WHO-Definition zufolge gelten alle Babys, die in oder nach der 28. Schwangerschaftswoche tot zur Welt kommen, als Totgeburt. Im Zuge der besseren medizinischen Versorgung sei die Zahl der Totgeburten in den Industrienationen seit den 1940er Jahren zwar deutlich zurückgegangen, sinke in vielen Industrienationen jedoch seit einigen Jahren nicht weiter, erklärten die australischen Wissenschaftler im Rahmen ihrer aktuellen Veröffentlichung. Den Untersuchungen von Vicki Flenady und Kollegen zufolge liegt die Rate der Totgeburten derzeit in Finnland und Singapur mit Abstand am niedrigsten. Lediglich zwei von 1.000 Babys werden hier nach der 28. Schwangerschaftswoche tot geboren. Annähernd doppelt so viele Totgeburten waren den Untersuchungen der Forscher zufolge mit 3,9 von 1.000 in Frankreich zu verzeichnen. Damit ist Frankreich trauriger Spitzenreiter unter den Industrienationen, was die Totgeburten betrifft. Deutschland steht mit einer Rate von 2,4 Totgeburten je 1.000 Neugeborene auch im Vergleich mit anderen Industrienationen relativ gut dar. Richtig deutlich werden die niedrigen Raten der Totgeburten in den Industrienationen allerdings erst, wenn parallel die Länder mit den höchsten Totgeburten-Raten betrachtet werden. So kommen den Angaben der WHO zufolge beispielsweise in Pakistan 47 Totgeburten auf 1.000 Neugeborenen und in Nigeria 42.
Handlungspotenzial bei den Totgeburten
Die Unterschiede bei den Totgeburten-Raten in den Industrienationen verdeutlichen nach Ansicht der australischen Forscher, dass hier noch erhebliches Handlungspotenzial besteht. Vor allem der ungesunde Lebensstil sowie vorhergegangene Kaiserschnitte erhöhen in den Industrienationen das Risiko von Totgeburten erheblich, erklärten die Wissenschaftler der University of Queensland. Alkohol, Nikotin und Übergewicht sind laut Aussage der Experten in den meisten Industrienationen wesentliche Risikofaktoren, die das Auftreten der Totgeburten begünstigen. So steige bei Tabak- oder Alkoholkonsum der Mütter das Risiko einer Totgeburt jeweils um mindestens 40 Prozent, erklärten die Forscher um Vicki Flenady. Außerdem würden weitere Faktoren das Risiko einer Totgeburt erhöhen. So liege die Gefahr einer Totgeburt bei werdenden Müttern im Alter ab 35 Jahren um 65 Prozent höher als bei Frauen unter 35 Jahren. Auch sei das Risiko einer Totgeburt bei der ersten Schwangerschaft deutlich höher als bei kommenden. Schwangere, die bereits eine Kaiserschnitt-Geburten hinter sich haben, unterliegen ebenfalls einem erhöhten Risiko, erklärten die australischen Wissenschaftler weiter. Am ungünstigsten ist nach Aussage der Experten jedoch Fettleibigkeit und da 58 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter in den Industrienationen übergewichtig seien, gehe hiermit eine erhebliche Anzahl von Totgeburten einher.
Zahlreiche Risikofaktoren für eine Totgeburt
Die möglichen Ursachen für eine Totgeburt sind den Angaben der Forscher zufolge äußerst vielschichtig und können neben dem mütterlichen Verhalten auch durch direkte Schädigungen oder Missbildungen des Kindes verursacht werden. Als Risikofaktoren, die durch den Organismus der Mutter bestimmt werden, gelten indes zum Beispiel Infektionen wie Listeriose, Toxoplasmose und Zytomegalie oder Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Fehlbildungen der Gebärmutter. Auch Komplikationen wie Gebärmutterrisse oder Fruchtwasserembolien können eine Totgeburt bedingen. Außerdem gilt psychosozialer Stress als erheblicher Risikofaktor. (fp)
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Bild: Lisa Schwarz / pixelio.de
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