Alkoholkonsum erhöht das Risiko für Herzrhythmusstörungen
Hoher Alkoholkonsum hat bekanntermaßen zahlreiche nachteilige Effekte auf die Gesundheit. Nun konnten Wissenschaftler des Klinikums der Universität München und es Deutschen Zentrums für Herz-Kreislaufforschung e.V. (DZHK) anhand einer Studie auf dem Oktoberfest in München nachweisen, dass auch ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen zu diesen Effekten zählt.
An Besuchern des Münchner Oktoberfests konnten die Forscher „zeigen, dass mit höherem Alkoholspiegel das Risiko für Herzrhythmusstörungen ansteigt“, so die Mitteilung des Klinikums der Universität München. Das Team um Dr. med. Stefan Brunner und Dr. med. Moritz Sinner habe in seiner Studie erstmals den Zusammenhang zwischen akutem Alkoholkonsum und Herzrhythmusstörungen prospektiv – das heißt. während beziehungsweise unmittelbar nach dem Alkoholkonsum – an einer großen Anzahl von Probanden untersucht. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in dem Fachmagazin „European Heart Journal“.
Vorhofflimmern durch hohen Alkoholkonsum?
Seit längerem vermuten Mediziner bereits, dass durch Alkohol ausgelöste Herzrhythmusstörungen unter Umständen zu Vorhofflimmern führen können. Dieser vermutete Zusammenhang zwischen dem Genuss großer Alkoholmengen über einen kurzen Zeitraum und dem Auftreten von Herzrhythmusstörungen bei sonst eigentlich Herzgesunden sei bislang allerdings nur in in kleinen Studien und nicht prospektiv nachgewiesen worden, berichten die Wissenschaftler. Der Effekt werde als „Holiday Heart Syndrome“ bezeichnet.
Mehr als 3.000 Freiwillige auf dem Oktoberfest untersucht
Für die aktuelle Studie hat das Forscherteam um Dr. Brunner und Dr. Sinner im Jahr 2015 an allen 16 Festtagen auf dem Münchener Oktoberfest 3.028 freiwillige Teilnehmer untersucht. Natürlich hatten nicht alle Probanden gleich viel Alkohol konsumiert und so reichte der Alkoholspiegel laut Aussage der Wissenschaftler von 0 bis 3,0 Promille (0-3,0 g/kg). Dass keine noch höheren Alkoholpegel bei den Probanden vorlagen, ist darauf zurückzuführen, dass 3,0 Promille laut Studienprotokoll die maximal erlaubte Alkoholmenge für eine Teilnahme an der Studie waren. Die Studienteilnehmer waren im Durchschnitt rund 35 Jahre alt und 30 Prozent waren Frauen.
Fast ein Drittel der Probanden mit Herzrhythmusstörungen
Mit Hilfe eines tragbaren, Smartphone-basierten Systems konnten die Forscher Elektrokardiogramme (EKGs) der Probanden erstellen, um deren Herzrhythmus zu analysieren. Denn Alkoholspiegel ermittelten die Wissenschaftler mit einem Atemalkoholmessgerät. „In ihrer Studie fanden die Forscher Herzrhythmusstörungen bei 30,5 Prozent der Teilnehmer. In 25,9 Prozent der Fälle lag dabei eine sogenannte Sinustachykardie vor, bei der das Herz schneller als normal schlägt“, berichtet das Klinikum der Universität München. Normalerweise liegt die Häufigkeit der Herzrhythmusstörungen in der Allgemeinbevölkerung laut Aussage der Experten bei rund ein bis vier Prozent.
Mit der Alkohlmenge steigt das Risiko
„Die Atemalkoholkonzentration war signifikant mit einem erhöhten Risiko für Herzrhythmusstörungen in Verbindung zu bringen“, berichten die Wissenschaftler. Jedes zusätzliche Gramm Alkohol pro Kilogramm habe das Risiko für Herzrhythmusstörungen um 75 Prozent erhöht. Der übermäßige Bierkonsum auf dem Oktoberfest zeigt somit eine äußerst nachteilige Wirkung auf die Herzfunktion. Zusätzlich zu den gewonnen Daten auf dem Oktoberfest analysierten die Forscher auch den Einfluss von gewohnheitsmäßigem, chronischen Alkoholkonsum bei 4.131 Teilnehmern aus der sogenannten KORA S4 Studie (Kooperative Gesundheitsforschung im Raum Augsburg) berichtet das Klinikum der Universität München. „Für diese Studie quantifizierten wir die mittlere konsumierte Alkoholmenge in Gramm pro Tag“, erklärt Dr. Sinner.
Effekt bei akutem Alkoholkonsum besonders stark
Den Angaben der Forscher zufolge wiesen in der KORA Studie zwar nur 2,7 Prozent der Teilnehmer Herzrhythmusstörungen auf, wobei 0,4 Prozent eine Sinustachykardie hatten. Es habe aber dennoch eine geringe, signifikante Assoziation zwischen der täglichen Alkoholmenge und Sinustachykardie vorgelegen, berichten die Experten. Die Wahrscheinlichkeit hierfür erhöhte sich um drei Prozent pro zusätzlichem Gramm Alkohol pro Tag, so die Münchener Wissenschaftler weiter. „Wir bestätigten den Zusammenhang zwischen Sinustachykardie und chronischem Alkoholkonsum in der KORA Studie“, betont Dr. Sinner. Zwar sei der Effekt deutlich schwächer ausgefallen, verglichen mit dem Einfluss von akutem Alkoholkonsum, doch konnten die Hauptergebnisse der Untersuchungen auf dem Oktoberfest bestätigt werden, so Sinner.
Zusammenhang mit dem Vorhofflimmern nur indirekt bestätigt
Während der Zusammenhang zwischen dem akuten Alkoholkonsum und dem erhöhten Risiko von Herzrhythmusstörungen in der aktuellen Studie eindeutig belegt wurde, konnten die Wissenschaftler allerdings nicht nachweisen, dass es aufgrund von akutem Alkoholkonsum direkt zu Vorhofflimmern kommt. Das sogenannte „Holiday Heart Syndrom“ ließ sich demnach in der Untersuchung nicht eindeutig bestätigen. Die Forscher fanden jedoch nach eigenen Angaben „eine sehr starke und robuste Assoziation zwischen Alkohol und Herzrhythmusstörungen, die als Vorstufe von Vorhofflimmern angesehen werden können“
Besonders starke Auswirkungen auf die respiratorische Sinusarrhythmie
Das Klinikum der Universität München berichtet weiter, dass sich in der Studie vor allem ein Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Veränderungen in den atemabhängigen Schwankungen der Herzrate, der sogenannten respiratorischen Sinusarrhythmie, gezeigt habe. Die respiratorische Sinusarrhythmie spiegle ein Ungleichgewicht in der autonomen Nervenversorgung des Herzens wider. Das unbewusste Kontrollsystem, welches die Körperfunktionen wie Herzschlag oder Atmung kontrolliert, wird offenbar durch den Alkoholkonsum aus dem Gleichgewicht gebracht. Zudem sei bekannt, dass „Vorhofflimmern auftreten kann, wenn Patienten eine durch ein autonomes Ungleichgewicht ausgelöste Sinustachykardie entwickeln“, betont Dr. Sinner.
Folgeuntersuchungen erforderlich
Zwar ließ sich in der Studie das „Holiday Heart Syndrom“ nicht prospektiv beweisen, aber die Ergebnisse werden Klinikern und Wissenschaftlern helfen, die Veränderungen im Kreislauf bei akutem Alkoholkonsum besser einzuordnen, berichten die Münchener Forscher. In Folgeuntersuchungen müsse nun beispielsweise geklärt werden, ob Vorhofflimmern und andere länger dauernde Herzrhythmusstörungen nach akutem Alkoholkonsum auftreten, so Dr. Brunner.
Bleibende Herzrhythmusstörungen zu befürchten?
Die Forscher gehen von der Annahme aus, dass die erfassten Herzrhythmusstörungen auf dem Oktoberfest oftmals nur zeitlich begrenzt waren und mit dem Abbau des Alkoholspiegels wieder verschwinden. Doch sicher sei dies nicht, da nur eine einmalige Kontrolle mittels EKG erfolgte, betonen die Experten. Beispielsweise könnten bei Probanden mit bereits bestehender Herzerkrankung durch den Alkohol ausgelöste Herzrhythmusstörung auch anhalten, erläutern die Forscher. „Um diese Fragen endgültig beantworten zu können, werden wir weitere Forschungsergebnisse mit längerer Erfassung des EKGs nach Alkoholkonsum benötigen“, so das Fazit der Studienautoren. (fp)
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