Warum Froschweibchen plötzlich zu Männchen werden
Zwar warnen Experten immer wieder, Chemikalien oder Medikamentenreste nicht in den Abfluss zu entsorgen, doch viel zu viele Menschen halten sich nicht daran. So gelangen in verschiedenen Weltregionen Hormone und deren Abbauprodukte in die Umwelt. Im Tierreich hat das teils enorme Folgen. Insbesondere bei Amphibien.
Abbauprodukte von Hormonen in Gewässern
Die Rückstände von Pestiziden, anderen Chemikalien und Arzneimittel belasten die Umwelt und Menschen auf der ganzen Erde. Davor warnen Experten bereits seit Jahren. In vielen Regionen der Welt gelangen auch immer wieder Abbauprodukte von Hormonen in Flüsse und Seen.
Eine aktuelle Untersuchung, über die die „Welt“ online berichtet, belegt, dass dies für die dort lebenden Tiere gefährlich werden kann. In der Studie haben chinesische Forscher den Effekt von häufig in Gewässern zu findenden Substanzen auf Amphibien untersucht. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachjournal „Environmental Toxicology & Chemistry“. Es zeigte sich, dass ein in Gewässern weltweit zu findendes Abbauprodukt des Hormons Testosteron Froschweibchen vermännlichen lässt – und zwar in Konzentrationen, wie sie in der Umwelt zumindest regional schon jetzt vorkommen.
Natürliche und künstlich hergestellte Substanzen
Den Wissenschaftlern zufolge hätten die Keimdrüsen von Kaulquappen in Versuchen bei sämtlichen Weibchen verschieden stark männliche Ausprägungen entwickelt. Kein einziges Weibchen habe demnach noch ausschließlich weibliche Geschlechtsmerkmale gezeigt. Vom Hormonsystem wird die Ausschüttung von chemischen Botenstoffen des Körpers – den Hormonen – gesteuert. Diese haben eine wesentliche Bedeutung für den Stoffwechsel, das Wachstum sowie die Entwicklung. In der Umwelt gibt es zahlreiche hormonell wirksame Substanzen, wie beispielsweise Phytoöstrogene in Soja. Viele andere sind jedoch künstlich hergestellte Substanzen, die unter anderem aus Pestiziden, Plastikmaterialien oder auch Medikamenten stammen. Dass solche hormonaktiven Chemikalien die Gesundheit bedrohen, haben Forscher in Europa schon vor Jahren festgestellt.
Nur noch Männchen und uneinheitliches Geschlecht
Die Wissenschaftler der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking untersuchten die Wirkung von 5-Alpha-Dihydrotestosteron (DHT), einem Abbauprodukt des Testosterons. Dieses wird unter anderem von Kraftsportlern eingesetzt, um mehr Muskelwachstum zu bewirken. Die Forscher wählten den Wasserfrosch Pelophylax nigromaculatus als Versuchstier. Es handelt sich dabei um eine in Asien weit verbreitete Art, deren Bestand jedoch regional, insbesondere in China, derzeit erheblich schwindet. Die Kaulquappen wurden in verschiedene Aquarien mit Konzentrationen von 40, 400 oder 4.000 Nanogramm DHT pro Liter im Wasser gesetzt. Laut den Forschern zeigte die Analyse nach abgeschlossener Metamorphose zum Frosch, dass es in allen Becken nur noch Männchen und Tiere uneinheitlichen Geschlechts, jedoch kein einziges organisch eindeutiges Weibchen mehr gab.
Menschlichen Hormonen ähnelnde Chemikalien
Menschlichen Hormonen ähnelnde Chemikalien sind weltweit in vielen Flüssen, Seen und anderen Gewässern zu finden. Erst im vergangenen Jahr zeigte eine Studie, dass auch deutsche und europäische Gewässer stärker chemieverseucht sind, als gedacht. Ein Großteil der hormonähnlichen Substanzen stammt au dem Abwasser, selbst Kläranlagen filtern sie kaum aus. Bereits frühere Studien hatten gezeigt, welche Folgen weibliche Hormone oder ihnen ähnliche Substanzen für Wasserlebewesen haben können. So verweiblichen beispielsweise männliche Fische mit Östrogen im Wasser, im Extremfall bis zur kompletten Geschlechtsumwandlung. Und auch für männliche Hormone (Androgene) habe es den chinesischen Forschern zufolge bereits einige Analysen gegeben. Dabei seien aber hohe Konzentrationen im Mikrogrammbereich verwendet worden, die in der Umwelt gar nicht vorkämen.
Bei einer Studie in China seien für 5-Alpha-Dihydrotestosteron Konzentrationen von 39 bis 55 Nanogramm pro Liter in Oberflächengewässern und 326 bis 621 Nanogramm pro Liter in Abwasser gemessen worden. Das entspreche den beiden Versuchsreihen mit geringerer und mittlerer Konzentration.
Kein einziges Tier mit weiblichen Geschlechtsstrukturen
Wie es heißt, weise der Umstand, dass selbst bei 40 Nanogramm DHT kein einziges Tier mehr ausschließlich weibliche Geschlechtsstrukturen zeigte, darauf hin, dass schon sehr geringe Gehalte der Substanz wirksam sind. Dabei sei das Zusammenspiel mit anderen hormonellen Substanzen in Gewässern noch gar nicht berücksichtigt. Ihre Gesamtwirkung sei möglicherweise einer von mehreren Faktoren beim weltweit zu beobachtenden Amphibiensterben. Der Chytridpilz Batrachochytrium dendrobatidis, kurz Bd, gilt als eine Hauptursache dafür. Doch auch Faktoren wie die Vernichtung von Lebensräumen, Schadstoffeintrag und die Ausbreitung anderer Erreger spielen dabei eine bedeutende Rolle. (ad)
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