Kontroverse um HPV-Impfung: Ist sie auch für Jungen zu empfehlen?
Humane Papillomviren (HPV) sind Krankheitserreger, die Entzündungen und Hautveränderungen, schlimmstenfalls aber auch Krebs auslösen können. Mädchen wird die Impfung gegen die gefährlichen Viren schon seit längerem empfohlen. Experten streiten darüber, ob sie auch für Jungen anzuraten ist.
HP-Viren können Gebärmutterhalskrebs auslösen
Humane Papillomviren (HP-Viren oder HPV) sind Krankheitserreger, die meist durch Geschlechtsverkehr in die Haut oder Schleimhaut gelangen. Die Viren können auch durch Oralsex übertragen werden, wie Wissenschaftler vor wenigen Monaten im Fachjournal „JAMA Oncology“ berichteten. In den meisten Fällen verläuft eine Infektion unbemerkt und heilt von selbst wieder aus. Teilweise bleiben die Viren jedoch auch bestehen, wodurch Zellveränderungen verursacht werden, aus denen sich im Laufe der Zeit ein bösartiger Tumor entwickeln kann. Da HPV unter anderem Gebärmutterhalskrebs auslösen können, ist die Impfung gegen die Viren bei Mädchen und jungen Frauen relativ gängig. Manchen Experten zufolge ist sie aber auch für Jungen wirkungsvoll. Das sehen allerdings nicht alle so.
Intensive Debatte über HPV-Impfung
Unter Fachleuten hat sich mittlerweile eine intensive Debatte über die HPV-Impfung entzündet. Der langjährige Vorsitzenden des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, Harald zur Hausen, setzt sich schon länger für die Impfung beider Geschlechter ein. Er gilt als der geistige Vater des Impfstoffs und erhielt für seine spektakuläre Entdeckung 2008 den Medizinnobelpreis. „Ich halte es für sinnvoll, Jungen zwischen 9 und 14 Jahren vor Einsetzen der sexuellen Aktivität zu impfen“, erklärte der Mediziner laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa. Die Impfung schütze Sexualpartner davor, sich gegenseitig zu infizieren.
Institut an Verkaufserlösen des Impfstoffs beteiligt
Laut zur Hausen werde die Krebsfrüherkennung zwar weiterhin empfohlen, möglicherweise könnten in Zukunft aber die Zeitspannen zwischen den Untersuchungen verlängert werden. „Bereits jetzt ist belegt, dass die Impfung die Entwicklung von Krebsvorstufen am Gebärmutterhals verhindern kann.“ Außerdem schützten zwei der drei verfügbaren Impfstoffe auch vor Genitalwarzen. Trotzdem ist in manchen Regionen Deutschlands nur jedes zweite Mädchen geimpft. Bundesweit wird die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Impfung etwa einem Drittel der Mädchen verabreicht. Zur Hausen meinte dazu vor kurzem in einem Interview mit dem DKFZ, das als Co-Patentinhaber an den Verkaufserlösen des Impfstoffs beteiligt ist: „Ein sehr trauriges Ergebnis! Die Hauptursache dafür ist sicherlich, dass Ärzte, medizinisches Personal und Gesundheitspolitiker, aber auch die Kinder und ihre Lehrer und Eltern nicht genügend über die sehr hohe Wirksamkeit und Sicherheit der HPV-Impfung informiert sind.“
Kritiker bemängeln hohe Kosten
Von Kritikern werden jedoch die hohen Kosten bemängelt. Laut der Agenturmeldung kommen in Deutschland derzeit für einen vollständigen HPV-Impfschutz – es sind mehrere Pikser nötig – zwischen 320 Euro und 480 Euro zusammen. Die Krankenkassen übernehmen bislang nur die Kosten für Mädchen. Der Münchner Kinderarzt Martin Hirte kritisierte stattdessen: „Die HPV-Impfung verursacht immense Kosten für unser Gesundheitssystem, die an anderer Stelle eingespart werden müssen, zum Beispiel beim Krankenhauspersonal.“ Er sieht eine HPV-Impfempfehlung für Jungen kritisch, weil er den Nutzen als gering einstuft. Zudem könnten starke Nebenwirkungen auftreten, wie chronische Schmerzen und Kreislaufschwäche. Zur Hausen zufolge komme aber auf etwa 100.000 Impfdosen nur eine heftige allergische Reaktion.
Analkrebs bei Männern die Sex mit Männern haben verbreitet
Auch wenn belegt ist, dass Humane Papillomviren am Gebärmutterhals Schaden anrichten, bezweifeln manche Experten, dass eine flächendeckende Impfung das richtige Mittel ist, um den Krebs zu bekämpfen. „Impfungen sind nur ein Aspekt von Krankheitsvorsorge und nicht immer der kostengünstigste, schonendste und effektivste“, meinte Hirte, der ein Buch zur HPV-Impfung veröffentlicht hat. Darin bezeichnet er die Impfung von Jungen als „teuer und ineffektiv“. Der Vorsitzende der STIKO, Jan Leidel, sieht dies anders: „Mittlerweile wissen wir, dass HPV nicht nur Gebärmutterhalskrebs, sondern auch Analkrebs, Peniskrebs, Vulvakrebs, Vaginakrebs und Krebsformen im Mund-Rachen-Bereich machen kann.“ Wie es heißt, sei Analkrebs bei Männern, die Sex mit Männern hätten, fast so häufig wie Gebärmutterhalskrebs bei Frauen. Die STIKO empfiehlt den Pikser für Mädchen schon seit 2007, für Jungen gibt es von der Kommission bislang aber keine Empfehlung. Den Angaben zufolge beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe mit dem Thema. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.