Menschen mit hypochondrischen Störung fürchten das Böse im eigenen Körper
12.02.2015
„Könnten meine Kopfschmerzen auf einen Gehirntumor hinweisen?“ „Ist dieses Stechen in der Brust ein Herzinfarkt?“ Fragen wie diese stellen sich Menschen mit einer hypochondrischen Störung schnell, denn Betroffene fürchten ständig, ernsthaft krank zu sein. Dabei hat die ausgeprägte Angst vor Krebs oder einer Herzerkrankung oft starke Auswirkungen auf das Privatleben und den Beruf, denn die Gedanken kreisen nur noch um mögliche Krankheiten. Mit Hilfe einer psychotherapeutischen Behandlung können Hypochonder jedoch lernen, ihre Ängste zu reduzieren und positive Denkmuster zu entwickeln.
„Harmlose“ Symptome werden als Zeichen ernsthafter Erkrankungen interpretiert
Ein Stechen in der Herzgegend, Kopfschmerzen oder ein Ziehen im Rücken: Menschen mit einer hypochondrischen Störung nehmen körperliche Reaktionen wie diese sehr ausgeprägt wahr und vermuten dementsprechend schnell „etwas Schlimmes“ hinter den Symptomen.„Die Betroffenen haben ausgeprägte Ängste, eine wirklich ernsthafte Krankheit zu haben", erklärt Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
Kennzeichnend für die gestörte Wahrnehmung sei dabei vor allem die übertrieben ausgeprägte Selbstbeobachtung des eigenen Körpers. Dies sei jedoch an sich nicht schlimm, stattdessen wäre laut Harald Gündel von der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) „eine Beobachtung des eigenen Körpers [.] sicherlich sinnvoll". Problematisch sei dem Experten nach allerdings, dass Hypochonder dabei „gleich das Böse im eigenen Körper“ annehmen würden.
Die meisten Hypochonder haben Angst vor Krebs
Dabei sei die Vorstellung über das „Böse“ keineswegs abstrakt, stattdessen habe „der Prototyp des Hypochonders [.] eine klare Hypothese", erklärt Gaby Bleichhardt gegenüber der „dpa“. Laut der Expertin, die ein Buch über die Behandlung von Hypochondrie und Krankheitsangst geschrieben hat, bestehe demnach eine klare Annahme über die Ursache der Symptome. Demnach hätten die meisten Hypochondriepatienten Angst vor Krebs, gefolgt von Herzkrankheiten und neurologischen Erkrankungen.
Typisch sei es zudem, dass Hypochonder sich nicht beruhigen lassen würden. Demnach könne zwar ein Arztbesuch zunächst für ein gutes Gefühl sorgen, meist käme dann aber schon nach kurzer Zeit die Angst auf, dass der Arzt sich möglicherweise geirrt oder etwas übersehen haben könnte. In der Folge bleiben die innere Unruhe und Sorge bestehen, oft werden in der Hoffnung auf Beruhigung weitere (Fach-)Ärzte aufgesucht. Neben dem „Arzt-Hopping“ würden viele Betroffene versuchen, sich selbst möglichst umfassend zu informieren, um ein Gefühl von Sicherheit zu erlangen. „Fast jeder Hypochonder liest – und liest viel", erklärt Harald Gündel. Hier helfe oft das Internet, wobei der Experte diese Informationsquelle als kritisch betrachtet: „Ich würde sehr davon abraten, bei hypochondrischen Ängsten ins Internet zu gehen", warnt Gündel.
Kinder angstgestörter Eltern besonders gefährdet
Für die Entstehung einer Hypochondrie kommen verschiedene Faktoren infrage, die oft zusammen spielen bzw. sich gegenseitig beeinflussen. „Eine ängstliche Charakterstruktur ist sicherlich ein Risikofaktor", so Gündel. In der Folge haben Betroffene oft wenig Vertrauen in sich und ihre Umwelt und leben in ständiger Sorge, dass etwas „Schlimmes“ passieren könne. Häufig wird angenommen, dass für eine ausgeprägte Ängstlichkeit genetische Faktoren eine Rolle spielen, zudem haben Kinder angstgestörter Eltern ein höheres Risiko, selbst eine Angststörung zu entwickeln. Auch können Erfahrungen wie schwere Erkrankungen oder Todesfälle in der Familie eine Angstveranlagung verstärken und dadurch eine hypochondrische Störung begünstigen.
Kognitive Verhaltenstherapie zur Erlernung positiver Denkmuster
Um die Ängste zu behandeln, habe sich laut Iris Hauth die so genannte „kognitive Verhaltenstherapie“ als wirksam erwiesen, bei welcher es darum geht, unangemessene Wahrnehmungen und Gedanken, die zu Angst, Ärger und Depression führen, umzugestalten und positivere Denkmuster zu entwickeln. Zusätzlich können bei Hypochondrie verschiedene Übungen und Techniken zum Stressabbau wie Yoga, autogenes Training oder progressive Muskelrelaxationhilfreich sein, um die körperliche und seelische Anspannung zu reduzieren.
In den meisten Fällen könnte die Angst vor einer ernsten Erkrankung mithilfe einer psychotherapeutischen Behandlung reduziert werden, so Bleichhardt weiter. Dennoch gäbe es laut Hauth auch hier Grenzen: „Die Überbesorgnis kann man nicht wegtherapieren". Allerdings könne im besten Falle erreicht werden, dass die Betroffenen die Signale ihres Körpers zukünftig realistischer einschätzen und das übertriebene Sicherheitsverhalten etwas einschränken könnten – unter Stress könnten die alten Verhaltensmuster jedoch jederzeit wieder auftreten.
Bild: Maren Beßler / pixelio.de
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