Krankheitsangst: Warum Hypochonder mehr Angst vor Krankheiten haben
Es gibt Menschen, die selbst ihre kleinsten Wehwechen dramatisieren und nicht selten eine schwere Krankheit dahinter vermuten. Die Mitmenschen reagieren darauf oft mit Unverständnis. Wenn man sich aber vor schlimmen Erkrankungen fürchtet, sollte man einen Arzt aufsuchen und am besten Ruhe bewahren.
Angst vor gefährlichen Krankheiten
Im Gegensatz zu anderen Menschen neigen Hypochonder dazu, auf Stress oder andere Belastungen mit körperlichen Symptomen wie etwa Herzrasen, Herzstolpern oder Schwitzen zu reagieren. Solche Symptome werden von den Personen mit dieser Störung stark wahrgenommen. Zudem kommt bei Hypochondrie die Angst vor schlimmen Krankheiten hinzu. Betroffene fragen sich dann beispielsweise, ob der dunkle Fleck auf dem Arm Hautkrebs ist? Oder woher das Stechen in der Seite kommt? Warum habe ich so starke Kopfschmerzen? Insbesondere älteren Menschen wird oft nachgesagt, dass sie dazu neigen, mehr in sich hineinzuhorchen, Veränderungen an ihrem Körper genau wahrzunehmen und unangenehme Empfindungen zu dramatisieren. Stimmt das aber wirklich? Und woher kommt das?
Steigern sich Senioren stärker in ihre Leiden hinein?
Prof. Frieder R. Lang von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen erklärte dazu in einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa, dass er das gängige Vorurteil, dass sich Senioren mehr in ihre Leiden hineinsteigern als andere Altersgruppen, nicht bestätigen kann. Der Experte sieht jedoch mit Sorge, dass ältere Menschen, die Angst vor Demenz haben, „nicht selten überreagieren“. Und diese Furcht ist in der Tat weit verbreitet. So zeigte eine Umfrage der DAK Gesundheit vor wenigen Monaten, dass jeder Zweite in Deutschland Angst vor Demenz hat. Der Psychogerontologe findet es bedenklich, wenn solche Ängste plötzlich alles überragen.
Sinnstiftende Aufgaben für ältere Menschen
Allerdings muss nicht jeder an Krankheitsangst leiden, nur weil er oft über körperliche Beschwerden klagt. „Hinter dem Betonen von Symptomen kann auch der Ruf nach Aufmerksamkeit stecken“, erläuterte Ursula Lenz von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO). Wie es heißt, berichteten viele Mediziner von älteren Patienten, die regelmäßig in Ambulanzen und Praxen kommen, obwohl sie nicht ernsthaft krank sind – einfach, weil sie einen Ansprechpartner suchen. „Hier ist es wichtig, die passive Lebenssituation zu durchbrechen“, so Lenz. Die Expertin rät Senioren, die sich nicht mehr richtig wahrgenommen fühlen, eine Aufgabe zu suchen, die sinnstiftend ist und Spaß macht. Großeltern könnten ihre Hilfe im Alltag anbieten oder jemanden regelmäßig im Heim besuchen. Um neue Kontakte zu knüpfen empfehlen sich Gymnastik- oder Wandergruppen oder eine ehrenamtliche Tätigkeit.
Von Krankheiten kursieren falsche Vorstellungen
Prof. Lang empfiehlt Menschen, die Ängste vor bestimmten Krankheiten haben, mit einem Experten darüber zu sprechen. Und zwar auch aus dem Grund, weil viele falsche Vorstellungen von Krankheiten kursierten, vor allem was die Frühsymptome von Demenz betrifft. „Wer das richtige Wissen hat, kann gezielt und frühzeitig fachärztliche Hilfe aufsuchen und dort Dinge erfahren, die möglicherweise beruhigend sind“, sagte der Psychogerontologe. Fokussiert man sich auf die Symptome und hat gleichzeitig Angst vor Bösem im Körper, dann steigen die Beschwerden. Bestätigen kann das auch Gaby Bleichhardt, die an der Philipps-Universität Marburg das Thema Krankheitsangst erforscht. In der dpa- Meldung erläuterte die psychologische Psychotherapeutin, dass die Ursachen der Angst vielfältig und häufig biografisch zu erklären sind: „Viele Betroffene hatten ängstliche Eltern und neigen daher dazu, immer das Schlimmste anzunehmen. Oft hat in ihrer Geschichte auch Krankheit eine besondere Rolle gespielt, zum Beispiel, dass die beste Freundin früh an Brustkrebs gestorben ist oder dass sie selber schon einmal eine Fehldiagnose bekommen haben.“
Meist kein Ausdruck schwerer körperlicher Erkrankungen
Sie rät Krankheitsängstlichen aller Altersgruppen, körperliche Vorgänge, Gedanken und Gefühle zunächst zu beobachten und zu versuchen, Zusammenhänge herzustellen. Wie die Therapeutin erklärte, seien die meisten körperlichen Beschwerden nicht Ausdruck schwerer körperlicher Erkrankungen, sondern harmlose Kennzeichen dafür, dass der Körper „am Leben ist“. Wer Angst hat, solle Beschwerden laut Bleichhardt medizinisch abklären lassen. Wenn man aber dieselbe Untersuchung mehrfach wiederholen will, obwohl bei den vorherigen Malen nichts Bedenkliches gefunden wurde, könne das ein Zeichen dafür sein, dass die Diagnose einer hypochondrischen Störung vorliegt.
Psychotherapie und Entspannungsübungen können helfen
Leider werden über Hypochonder, die sich in ihre Leiden hineinsteigern, gerne Witze gemacht. Die Betroffenen leiden aber wirklich. Zwar nicht an der Krankheit, die sie sich zuschreiben, jedoch an der Furcht und ihren Folgen. Bleichhardt empfiehlt Betroffenen, bei denen diese Angst länger als ein halbes Jahr andauert und deren allgemeine Lebensführung stark beeinträchtigt ist, zu einer Psychotherapie. Patienten lernen dabei, ihre körperlichen Vorgänge besser zu verstehen und Ängste besser zu bewältigen. Vor allem eine kognitive Verhaltenstherapie sei sehr wirksam. Zusätzlich können bei Hypochondrie verschiedene Übungen und Techniken zum Stressabbau wie Yoga, autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation hilfreich sein, um die körperliche und seelische Anspannung zu reduzieren. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.