Nuckelflaschenkaries: Zahnärzte wegen Zunahme von Karies bei Kleinkindern alarmiert
10.02.2014
Zahnärzte sind wegen der Zunahme von Karies bei Kleinkindern unter drei Jahren alarmiert. Die Milchzahn-Karies hat in den letzten Jahren immer weiter zugenommen. Zahnärzte-Organisationen fordern nun frühere Vorsorgeuntersuchungen. Krankenkassen reagieren mit Unverständnis.
Bis zu 15 Prozent der Kleinkinder leiden an Nuckelflaschenkaries
Zwar sind in Deutschland Karies-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen rückläufig, doch bei den unter Drei-Jährigen steigen die frühkindlichen Zahnerkrankungen seit Jahren. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) erklärte,dass mittlerweile etwa zehn bis 15 Prozent der Kleinkinder an einer solchen sogenannten Nuckelflaschenkaries leiden. Christian Splieth, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde sagte, dass bereits bei Zwei- und Dreijährigen Milchzähne gezogen oder Wurzeln gefüllt werden müssten. Den Angaben der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) zufolge gilt „Karies als häufigste chronische Erkrankung bei Kindern im Vorschulalter.“ Kinder von Eltern, welche keine oder niedrige Schulabschlüsse haben sowie Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund seien besonders betroffen. Nicht alle gefährdeten Kinder könnten durch die Gruppenprophylaxe in den Kindergärten erreicht werden.
Gesunde Milchzähne wichtig für späteres Gebiss
Viele Eltern meinen, die Zahnpflege von Milchzähnen sei nicht so wichtig, weil diese ja ohnehin ausfallen. Gesunde Milchzähne aber stellen die Basis für ein gesundes Gebiss im Erwachsenenalter dar. Laut Expertenmeinungen sind Kleinkinder nicht nur aufgrund des Zuckergehalts zahlreicher Kinderlebensmittel, sondern auch aufgrund der Konsistenz der aufgenommen Nahrung oft in besonderer Weise von Karies bedroht. So erhalten viele Kleinkinder Fertignahrung oder Kinderlebensmittel, die flüssig oder als Brei verabreicht und kaum gekaut werden. In Bezug auf die Entwicklung von Karies sei dies eher negativ zu beurteilen, da Kauen eine gewisse Selbstreinigung der Zähne darstelle und breiartige Nahrung die Entstehung von Zahnbelag fördere.
Besonders Risiko durch gesüßte Getränke
Einem besonderen Risiko unterliegen die Zähne von Kindern, die dauernd an einer Flasche mit gesüßten Getränken wie etwa gezuckertem Tee nuckeln. Denn dadurch werden die Zähne ständig von Zucker umspült. Man spricht bei dieser schon früh auftretenden, jedoch gut vermeidbaren Erkrankung auch von Nuckel- oder Saugerflaschenkaries. Wenn die erkrankten Zähne nicht behandelt werden, könne dies neben Zahnschmerzen, Fisteln oder einem Abszessauch zu vorzeitigem Zahnausfall führen sowie negative Folgen auch für das spätere Gebiss haben. Splieth betonte, dass Milchzahnkaries für die betroffenen Kleinkinder „oft sehr schmerzhaft“ sei. Außerdem beeinträchtigt der frühzeitige Verlust von Milchzähnen „das Kauvermögen, behindert die Sprachentwicklung und Entwicklung der bleibenden Zähne“. Zudem müssten die Kinder oft unter Narkose behandelt werden.
Früherkennungsuntersuchung erfolgt zu spät
Ärztevertreter fordern angesichts der Zunahme von Karies bei Kleinkindern nun deutlich frühere Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt. Kinder sollen in Zukunft bereits ab dem sechsten Lebensmonat, also mit dem Durchbruch der ersten Milchzähne, zur Früherkennungsuntersuchung in die Praxis kommen, erklärten die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) in Berlin. Diese Kontrollen sind bislang in der gesetzlichen Krankenversicherung erst bei Kindern ab zweieinhalb Jahren vorgesehen. Der Vorstandsvorsitzende der KZBV, Dr. Wolfgang Eßer kritisierte: „Das ist eindeutig zu spät.“
Neues gemeinsames Versorgungskonzept entwickelt
Um Karies bei Kleinkindern effizient entgegenzuwirken haben die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Bundeszahnärztekammer gemeinsam mit dem Bundesverband der Kinderzahnärzte (BuKiZ), dem Deutschen Hebammenverband (DHV) und unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität Greifswald ein Versorgungskonzept entwickelt. Sie fordern unter dem Titel „Frühkindliche Karies vermeiden“, dass für „Kleinkinder zwischen dem 6. und 30. Lebensmonat drei systematische zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen“ eingeführt und im „gelben Heft“ für ärztliche Kinder-Untersuchungen dokumentiert werden. Diese Früherkennungen sollen „präventive und gesundheitserzieherische Maßnahmen umfassen.“ Allen Kindern sollen mit dem neuen Konzept „die gleichen Chancen auf ein zahngesundes Leben“ eröffnet werden, berichtet die KZBV.
Krankenkassen reagieren mit Unverständnis
Professor Dr. Dietmar Oesterreich erläuterte zu der Zielstellung des neuen Konzeptes: „Wir haben ein ambitioniertes Ziel. Im Jahr 2020 sollen 80 Prozent der 6-Jährigen kariesfrei sein.“ Mit dem entwickelten Ansatz würden der Gesundheitspolitik und den Krankenkassen mögliche Lösungswege für das bestehende Versorgungsproblem aufgezeigt. Allerdings reagierte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit Unverständnis auf die Forderung der Zahnärzte. Wie die stellvertretende Verbandssprecherin Ann Marini erklärte, gebe es nicht „die eine, alles verändernde Maßnahme“, um frühkindliche Karies zu reduzieren. „Rivalisierende Konzepte verschiedener ärztlicher Professuren helfen da also nicht.“ Die gesetzlichen Krankenkassen würden keinen Grund sehen, am traditionellen Vorsorgesystem zu rütteln. „Gerade weil Karies bei kleinen Kindern kein durchgängiges Problem ist, sondern nur bei bestimmten Elterngruppen auftritt, sollten die klassischen Früherkennungsuntersuchungen beim Kinderarzt bleiben“, so Marini. (ad)
Bild: Claudia Heck / pixelio.de
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