„Bad Bank“ für Krankenhäuser könnte die Abwicklung ermöglichen
Viele Krankenhäuser in Deutschland schreiben erhebliche Verluste, so eine der Kernaussagen des Krankenhaus Rating Reports 2015, der im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2015 – Medizin und Gesundheit“ in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Um auftretende Insolvenzen besser abfangen zu können, schlagen die Experten eine Art „Bad Bank“ für Krankenhäuser vor. Erstellt wurde der Report vom Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb), der Stiftung Münch und der Philips GmbH.
Dem Krankenhaus Rating Report zufolge hat sich die Insolvenzwahrscheinlichkeit deutscher Krankenhäuser im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr insgesamt leicht erhöht. Laut Aussage der Experten befanden sich 16 Prozent der Kliniken im „roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr. Zwar habe sich die Ertragslage verbessert (Umsatzrendite von 0,7 auf 1,4 % gestiegen), der Anteil an Kliniken, die auf Konzernebene einen Jahresverlust verzeichneten, sei leicht gesunken (von 33 % im Jahr 2012 auf 30 %) und die Investitionsfähigkeit gestiegen (56% statt zuvor 48 % der Kliniken voll investitionsfähig). Doch „nach wie vor ist die Kapitalausstattung der Krankenhäuser unzureichend“, so die Mitteilung des RWI zu dem aktuellen Report. Bei Fortschreibung des Status quo sei ein Anstieg des Anteils der Krankenhäuser mit erhöhter Insolvenzgefahr auf 27 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erwarten. Um die drohenden Schließungen besser abwickeln zu können, werde die Einrichtung einer Art „Bad Bank“ für Krankenhäuser empfohlen.
Milliarden Investitionsstau bei den Kliniken
Den jährlichen Investitionsbedarf der Krankenhäuser beziffert der aktuelle Report auf insgesamt rund 5,3 Milliarden Euro – ohne die Universitätskliniken. Die Länder würden derzeit nur die Hälfte hiervon beisteuern und der kumulierte Investitionsstau betrage mindestens 12 Milliarden Euro. Zwar könnten durch das anstehende Krankenhausstrukturgesetz weitere Verschlechterung bis 2020 verhindert werden, doch eine grundsätzliche Verbesserung der Finanzsituation bei den Kliniken ist nicht absehbar. Hier seien neben Produktivitätsfortschritten auch Marktaustritte von wirtschaftlich schwachen Häusern erforderlich, um den Anteil der Kliniken im „roten“ Bereich wieder zu verringern, berichtet das RWI. An dieser Stelle könnte die „Bad Bank“ für Kliniken helfen. Dem Vorschlag der Experten zufolge müsste ein entsprechender Fonds die Anfangsausstattung von circa 2,7 Milliarden Euro aufweisen.
Fast ein Drittel der öffentlich-rechtlichen Kliniken von der Insolvenz bedroht
Bei einer Betrachtung der Finanzsituation der Kliniken nach Trägern zeigt sich, dass insbesondere die öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser vermehrt mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Von ihnen lagen 29 Prozent im Jahr 2013 im „roten Bereich“. Von den freigemeinnützigen seien 14 Prozent im Bereich einer Insolvenzgefahr und von den private fünf Prozent. „Dabei mussten alle Trägerschaften in den vergangenen Jahren eine Verschlechterung hinnehmen“, so die Mitteilung des RWI. Insbesondere in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und im Nordwesten sei die Situation vieler öffentlich-rechtlicher Häuser kritisch. Insgesamt am besten standen bei regionaler Betrachtung die Kliniken in den ostdeutschen Bundesländern da, gefolgt von Nordrhein-Westfalen. Die meisten Probleme haben Kliniken in „Niedersachsen/Bremen, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen“, berichtet das RWI. Eine Verschlechterung im Vergleich zum Vorjahr war insbesondere in Hessen, Bayern und Baden-Württemberg zu verzeichnen.
Strukturen in vielen Regionen ungünstig
Der Krankenhaus Rating Report kommt zu dem Schluss, dass die Krankenhausstrukturen in vielen Regionen ungünstig sind. Zu viele kleine Einheiten, eine zu hohe Krankenhausdichte und zu wenig Spezialisierung, seien die Probleme. In Ostdeutschland hätten die Strukturanpassungen der vergangenen Jahrzehnte allerdings Früchte getragen. Generell habe sich in wirtschaftlicher als auch in qualitativer Hinsicht ein hoher Spezialisierungsgrad bezahlt gemacht und zudem seien „Krankenhäuser mit hohem Kapitaleinsatz, d.h. Investitionen, wirtschaftlich stärker aufgestellt“ gewesen. Bislang hätten im Krankenhaussektor nur wenige Marktaustritte stattgefunden, obwohl die Versorgungssicherheit in kaum einer Region dadurch gefährdet würde.
Aktiver Strukturfonds zur Abwicklung der Kliniken
Um eventuelle Marktaustritte in Zukunft besser bewerkstelligen zu können, schlagen die Wissenschaftler eine Weiterentwicklung des vom Gesetzgeber geplanten Strukturfonds hin zu einer Art „Bad Bank“ für Krankenhäuser vor. Ein solcher „aktiver Strukturfonds“ könnte Krankenhäuser zur Abwicklung aufnehmen, „wenn für den Träger weder eine Sanierung noch ein Verkauf in Frage kommt und der Standort nicht aus Versorgungsgründen aufrechterhalten werden muss“, so die Mitteilung des RWI. Allerdings sollten laut Aussage der Experten „parallel dazu bundesweit einheitliche Mindestanforderungen an die Erreichbarkeit und die Qualität der Krankenhäuser sowie an die Notfallversorgung formuliert werden.“ Der Fonds müsste nach Vorstellungen der Wissenschaftler „einerseits die Kosten für den Abriss oder ggf. die Umwidmung der Immobilie sowie für die Aufstellung eines Sozialplans tragen.“ Er könnte jedoch andererseits auch Einnahmen erzielen, wenn er die bislang vereinbarten Casemixpunkte des zu schließenden Krankenhauses ohne Fixkostendegressionsabschlag anderen Trägern in der Region anbietet.
„Bad Bank“ für Kliniken bräuchte 2,7 Milliarden Euro Kapitalausstattung
Würden alle insolvenzgefährdeten, nicht versorgungsrelevanten Krankenhäuser mit einem Jahresverlust und mit weniger als 400 Betten an den Fonds übergehen, so entstünden laut Angaben der Experten Abwicklungskosten von rund 4,3 Milliarden Euro. Aus dem Verkauf der Casemixpunkte-Lizenzen könnten jedoch Erlöse in einer Größenordnung von schätzungsweise 1,6 Milliarden Euro erzielt werden Somit würde der Fonds eine Anfangsausstattung von 2,7 Milliarden Euro benötigen, um die Abwicklung der gefährdeten Kliniken zu bewerkstelligen. Dabei sollte er aus Bundesmitteln gespeist werden und unabhängig von den Ländern agieren können, so der Vorschlag der Wissenschaftler. Sie gehen davon aus, dass der demographische Wandel insgesamt ein effizienteres Gesundheitswesen erfordert. Insbesondere nach dem Jahr 2020 werde sich der demographische Wandel verstärkt im Gesundheitswesen bemerkbar machen.
Effizienteres Gesundheitswesen erforderlich
Mehr Alte und weniger Junge werden nach dem Jahr 2020 nicht nur die sozialen Sicherungssysteme zunehmend finanziell überfordern, sondern auch das Krankenhauspersonal knapper und teurer machen, berichtet das RWI. Daher sei mittelfristig ein deutlich effizienteres Gesundheitswesen erforderlich, um einer Rationierung in der Medizin entgegenwirken zu können. Die notwendigen Effizienzverbesserungen scheinen dabei nur auf der Ebene regionaler oder nationaler und integrierter Verbünde erzielbar. Hier gehe es nicht nur um Kostensenkungen, sondern auch um eine verbesserte medizinische Versorgungsqualität und ein besseres Case Management. (fp)
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