Mastzellen im Kampfrausch
Makrophagen gehören zu den weißen Blutkörperchen und sind ein wichtiger Teil des Immunsystems. Als sogenannte Fresszellen nehmen sie andere Zellen, Krankheitserreger oder Zellreste auf und zu zersetzen sie. Deutsche Forschende zeigte nun, dass diese Zellen zwei komplett unterschiedliche Gesichter haben. Während sie im Normalfall wichtige Aufgaben in gesunden Geweben übernehmen, schalten sie bei Infektionen in einen regelrechten Angriffsmodus um und begeben sich auf die Jagd.
Forschende der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn entschlüsselten im Rahmen einer aktuellen Studie, wie Makrophagen ihren Stoffwechsel eklatant umstellen, um Krankheitserreger zu jagen und zu vernichten. Die Erkenntnisse könnten unter anderem zu neuen Behandlungen gegen Autoimmunerkrankungen führen. Die Studie wurde kürzlich in dem Fachjournal „Immunity“ veröffentlicht.
Ein Riecher für Erreger
Wie das Forschungsteam berichtet, besitzen Makrophagen zahlreiche Sensoren auf ihrer Oberfläche, mit denen sie Eindringlinge aufspüren können. Man könnte sogar von „erschnüffeln“ sprechen, denn die sogenannten Toll-like-Rezeptoren funktionieren ähnlich wie die Riechrezptoren in der Nase.
Signal leitet Angriffsmodus ein
Wenn die Rezeptoren bestimmte chemische Signale wahrnehmen, werden sie aktiviert und lösen eine Art Alarm aus. Dieser Alarm bewirkt, dass im Zellinneren eine Reihe von Reaktionen angestoßen wird. „In dieser Phase leiten Makrophagen ihre Enzündungsantwort ein“, erläutert Mario Lauterbach aus dem Forschungsteam. Die Forschenden entschlüsselten erstmals, wie die Makrophagen dabei ihren Stoffwechsel umstellen und was das für Auswirkungen hat.
Für jeden „Geruch“ ein eigener Rezeptor
Laut der aktuellen Studie gibt es viele unterschiedliche Gruppen von Toll-like-Rezeptoren. Jede Gruppe ist dabei auf einen anderen „Geruch“ spezialisiert. Im Laufe der Evolution hat sich diese Zusammenstellung herauskristallisiert, um auf die wichtigsten Gefahrensignale reagieren zu können.
Einer dieser Rezeptoren reagiere beispielsweise auf Lipopolysaccharide (LPS), das sind wichtige Bestandteile in den Zellwänden von Bakterien. „Wir haben nun Makrophagen mit LPS konfrontiert und untersucht, was in den Minuten und Stunden danach passiert“, so Lauterbach.
Wenn Makrophagen zum Angriff übergehen
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigten, dass sich der Zellstoffwechsel schon kurz nach LPS-Kontakt massiv umstellt. Zunächst nehmen die Fresszellen vermehrt Glukose aus ihrer Umgebung auf. Erstaunlicherweise nutzen die Makrophagen den Zucker nicht zur Energieerzeugung, sondern sie produzieren Essigsäure-ähnliche Acetylgruppen daraus.
DNA-Beeinflussung macht Makrophagen stärker
Die so entstanden Acetylgruppen werden nun wie eine Markierung an bestimmten Stellen der DNA im Zellkern befestigt. Dadurch lockert sich die aufgewickelte DNA etwas auf und bestimmte Gene können leichter und schneller abgelesen werden. „Dabei handelt es sich zum Beispiel um Erbanlagen, die für die Ausschüttung von Entzündungs-Botenstoffen verantwortlich sind oder die Mobilität der Makrophagen verbessern“, erklärt Lauterbach.
Feintuning der Gene
Durch den entdeckten Mechanismus sind die Makrophagen den Forschenden zufolge in der Lage, die genetische Antwort auf Erreger fein abzustimmen. Dabei erhöhe sich ihre Schlagkraft, wenn sie die Erreger bereits kennen, also wenn der Körper schon mal mit ihnen infiziert war. Dies sei ein ähnliches Prinzip, dass sich die Impfung zunutze macht und könnte zu neuen Impfstrategien führen.
Neue Ansatzpunkte für Therapien
Auch könnten die Erkenntnisse zur Entwicklung von neuen Therapien gegen Autoimmunerkrankungen beitragen, denn bei vielen Krankheiten wie Rheuma, Diabetes oder Multipler Sklerose sei die Immunreaktion fehlgeleitet oder zu stark. „Möglicherweise lässt sich der von uns entdeckten Mechanismus so beeinflussen, dass er schädliche Entzündungsmechanismen hemmt, ohne das Immunsystem als solches zu sehr zu unterdrücken“, ergänzt Forschungsleiter Professor Dr. Eicke Latz. So könne man verhindern, dass sich die Fresszellen permanent im Angriffsmodus befinden, ohne dass tatsächliche Invasoren vorhanden sind. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Mario A. Lauterbach, Jasmin E. Hanke, Eicke Latz, u.a.: Toll-like receptor signaling rewires macrophage metabolism and promotes histone acetylation via ATP-citrate lyase; Immunity, 2019, cell.com
- Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Wie Immunzellen in den Angriffsmodus schalten (Abruf: 18.12.2019), uni-bonn.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.