Neuer Ansatz zur Immuntherapie direkt aus der Krebszelle heraus
Bei der Behandlung von Krebserkrankungen setzten Mediziner große Hoffnung auf die sogenannte Immuntherapie, welche die körpereigenen Abwehrkräfte gezielt gegen die Krebszellen richten soll. Hier konnten Wissenschaftler des Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) nun deutliche Fortschritte erzielen. Sie ließen Krebszellen mit Hilfe von Masern-Viren bispezifische Antikörperfragmente, sogenannte „BiTEs“ ( bispecific T cell engagers), produzieren.
„Therapieansätze, die sich die Körperabwehr zu Nutze machen, gewinnen in der Krebsbehandlung zunehmend an Bedeutung“; erläutern die Wissenschaftler des NCT. Eines dieser neuen Verfahren bilde der Einsatz der „BiTEs“, die T-Zellen mit den Tumorzellen verbinden und so den programmierten Zelltod der Krebszelle auslösen. Hier haben die Forscher nun ein Verfahren entwickelt, bei dem Krebszellen die Antikörperfragmente selbst produzieren. So können die BiTEs direkt in den Tumoren gebildet werden, was bessere Behandlungserfolge bei weniger Nebenwirkungen verspricht. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in dem Fachmagazin „Clinical Cancer Research“ veröffentlicht.
BiTE-Therapie bereits gegen Blutkrebs verfügbar
Bislang werden die bispezifischen Antikörperfragmente laut Aussage der Experten lediglich bei wenigen Blutkrebsarten erfolgreich eingesetzt und die Behandlung sei teilweise mit schweren Nebenwirkungen verbunden. Die künstlich hergestelltem BiTEs bestehen aus den Bindungsregionen zweier Antikörper, die jeweils unterschiedliche Zielstrukturen „erkennen“, so die Mitteilung des NCT. Eine der beiden Bindungsstellen bleibe bei allen BiTEs gleich und sei für das Eiweiß CD3 reserviert, welches auf den T-Zellen vorkomme. Die zweite Bindungsregion werde tumorspezifisch variiert. So sorgen die BiTEs dafür, dass die T-Zellen zur Tumorzelle gelenkt werden und dort den programmierten Zelltod auslösen.
Drohende schwere Nebenwirkungen bei der bisherigen Therapie
Zwar sind heute schon wirksame BiTEs gegen bestimmte Formen von Leukämie im Einsatz, doch gegen solide Tumore wie zum Beispiel Haut- oder Darmkrebs finden die Antikörperfragmente bislang keine Anwendung, so die NCT-Krebsforscherin Christine Engeland. Zudem bestehe das Problem, dass die „BiTEs bisher als Dauerinfusion verabreicht werden“ und dabei „können schwerwiegende, teilweise lebensbedrohliche Nebenwirkungen auftreten“; erläutert die Expertin.
Modifizierte Masern-Viren helfen bei der BiTE-Produktion
Auf der Suche nach möglichen Ansätzen zur Verbesserung der BiTE-Behandlung nutzten die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Virotherapie von Guy Ungerechts am NCT Heidelberg abgeschwächte Masern-Viren, welche so modifiziert wurden, dass die bispezifischen Antikörperfragmente anschließend direkt in den Tumoren gebildet wurden. In Versuchen an Mäusen konnten sie nachweisen, dass die modifizierten abgeschwächte Masern-Viren zwar keine Krankheit auslösen, aber sich in Tumorzellen vermehren, so dass dort anschließend – durch die Krebszellen selbst – die BiTEs produziert werden.
Deutlich weniger Nebenwirkungen zu verzeichnen
„Der Vorteil des Verfahrens ist, dass hierbei keine BiTEs in die Blutbahn gelangen und dadurch Nebenwirkungen vermieden werden“, betont Christine Engeland. Das Risiko der Nebenwirkungen war laut Aussage der Wissenschaftler bei dem Einsatz des Verfahrens sehr gering und es seien keinerlei Anzeichen einer Toxizität festzustellen gewesen. Außerdem stimuliere die Virus-Vermehrung im Tumor das körpereigene Immunsystem, was die Abwehr sozusagen auf den Krebs aufmerksam mache.
Auch bei Haut- und Darmkrebs Erfolge
Die Doktoranden Tobias Speck und Johannes Heidbüchel konnten in den Versuchen an Mäusen zudem zeigen, dass bei Haut- und Darmkrebs eine Behandlung mit BiTE-Viren das Überleben signifikant verlängerte und bei einigen Tieren sogar eine Heilung bewirkte. Die NCT-Expertin Christine Engeland hofft nun, „dass das neue Therapiekonzept eine effektive Strategie auch in der Behandlung von Tumoren im Menschen darstellt.“ Um dies zu überprüfen seien allerdings weitere Untersuchungen erforderlich, mit denen die Wissenschaftler noch in diesem Jahr beginnen möchten. (fp)
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