In Westafrika droht nach Ebola die Ausbreitung anderer Infektionskrankheiten wegen des Impfstopps
13.03.2015
In den Ebola-Gebieten in Westafrika droht nun die Ausbreitung anderer gefährlicher Infektionskrankheiten. Wie Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten habe die Ebola-Epidemie in Sierra Leone, Guinea und Liberia die Aussetzung der Impfprogramme etwa gegen Masern, Polio und Keuchhusten zur Folge. An den nun drohenden Krankheitswellen könnten weitaus mehr Menschen sterben als an Ebola, warnen die Forscher. Sie fordern die schnellstmögliche Umsetzung intensiver Impfkampagnen.
In Ebola-Gebieten droht jetzt Masern-Epidemie
Wie Saki Takahashi von der Princeton University im US-Bundesstaat New Jersey und sein Team berichten, komme es häufig nach Kriegen, Naturkatastrophen oder politischen Unruhen zur Masern-Epidemien. Der Grund: Masern seien hochansteckend. Hinzu komme, dass die Impfraten geringer als bei anderen Infektionskrankheiten seien, da die Kinder erst vergleichsweise spät, mit neun Monaten geimpft werden könnten. Masern sind wegen möglicher Komplikationen wie Lungenentzündung sowie Gehirn- und Gehirnhautentzündung (Meningoenzephalitis) gefährlich. Im schlimmsten Fall verläuft die Infektion tödlich.
In Westafrika seien bis zum Ausbruch von Ebola im Dezember 2013 bereits einiger Erfolge bei der Eindämmung von Masern erzielt worden, schreiben die Forscher weiter. So seien umfangreiche Impfkampagnen geplant gewesen. Durch Ebola mussten jedoch viele Gesundheitszentren schließen. Zudem hätte die Bevölkerung die Einrichtungen aus Angst vor Ansteckung gemieden, so dass es vielerorts zum Impfstopp gekommen sei.
Masern und andere Infektionskrankheiten könnten mehr Tote als Ebola fordern
Takahashi und sein Team wollte die Folgen genauer untersuchen und berechneten, wie viele Kinder in Sierra Leone, Guinea und Liberia seit Beginn der Epidemie nicht geimpft wurden und wie viele sich bei einem Ausbruch der Masern wahrscheinlich anstecken würden. Den Forschern zufolge waren zum Zeitpunkt des Ebola-Ausbruchs etwa 778.000 Kinder nicht gegen Masern geimpft, 127.000 Kinder hätten sich zu diesem Zeitpunkt mit der Infektionskrankheit angesteckt.
Bei ihren weiteren Berechnungen gingen die Forscher von einem Rückgang der Impfrate von 75 Prozent wegen der Ebola-Epidemie aus. Danach sei die Zahl der ungeimpften Kinder im Alter von neun Monaten bis fünf Jahren pro Monat im Schnitt um 19.514 gestiegen. Insgesamt kamen die Wissenschaftler auf 1,1 Millionen Kinder ohne Impfschutz gegen Masern seit der Ebola-Epidemie. Bei einem Masern-Ausbruch könnten sich demnach mehr als 227.000 Menschen anstecken und zwischen 2.000 und 16.000 an den Folgen der Erkrankung sterben.
Impfraten sind durch Ebola stark zurückgegangen
Auch bei anderen Krankheiten, die durch Impfungen vermeidbar sind, vermuten die Forscher einen deutlichen Rückgang der Impfraten wie etwa bei Polio, Keuchhusten und Tetanus. Auch die Versorgung HIV- oder Tuberkulose-Kranker sowie die Durchführung von Maßnahmen zur Eindämmung von Malaria seien durch den Zusammenbruch der Gesundheitssysteme nur noch teilweise gewährleistet.
„Diese Rückschläge haben das Potenzial, die beträchtlichen Erfolge zu untergraben, die in den vergangenen Jahrzehnten bei der Kontrolle dieser Erkrankungen erreicht wurden“, zitiert die Nachrichtenagentur „dpa“ den leitenden Wissenschaftler Justin Lesser von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland. „Es kann eine lange Zeit dauern, bis sich die Gesundheitssysteme in der betroffenen Region davon wieder herholen.“ Die Impfkampagnen müssten kurzfristig wieder aufgenommen werden, um zumindest eine Ausbreitungswelle der Masern zu verhindern.
Schnelle und gezielte Durchführung von Impfkampagnen könnte eine weitere Katastrophe nach Ebola verhindern
„In Liberia werden schon seit Januar Masern-Fälle gemeldet“, berichtet Mit Philips, Health Policy Analyst bei Ärzte ohne Grenzen in Brüssel, gegenüber der Nachrichtenagentur. „Als direkte Reaktion darauf sind für die kommenden Wochen bereits Impfkampagnen in den betroffenen Regionen geplant.“ Im nächsten Schritt müssten Impflücken durch weitere Kampagnen geschlossen werden. Es sei wichtig, dass Vertrauen der Bevölkerung in die Beschäftigten im Gesundheitswesen wiederherzustellen, das durch die Ebola-Krise massiv gelitten habe, so Philips weiter.
„Durch Impfung vermeidbare Kinderkrankheiten sind ein Bereich, in dem eine klare, relativ preiswerte und einmalige Intervention möglich ist, um die mit Ebola in Zusammenhang stehenden Auswirkungen im Gesundheitssystem zu minimieren“, schreiben die Forscher im Fachmagazin. „Koordinierte Aktionen in den drei von Ebola betroffenen Ländern (und möglicherweise auch in den Nachbarländern) für die Kinder, die wichtige Routineimpfungen während der Ebola-Epidemie mit Masern- und Polio-Impfstoffen und möglicherweise andere lebensrettende Impfstoffe wahrscheinlich nicht erhalten haben, könnte eine zweite Katastrophe verhindern und zur Vermeidung von fast 12.000 Todesfälle allein durch Masern beitragen.“
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