Wissenschaft: Ameisen putzen ihre Artgenossen zum Infektionsschutz
05.04.2012
Ameisen schützen sich durch das Putzen ihrer Artgenossen vor Infektionen, die ansonsten zu einer Gefahr für die gesamte Kolonie werden könnten. Doch nicht das Säubern an sich zeigt die krankheitsvorbeugende Wirkungen, sondern die minimale Aufnahme der Erreger im Rahmen des Putzvorgangs, berichten die Professorin Sylvia Cremer vom Institute of Science and Technology Austria (IST) in Klosterneuburg und Kollegen.
Der soziale Kontakt mit kranken Ameisen führe zu einem Immunschutz bei den Nestbewohnern, schreiben die Forscher um Prof. Sylvia Cremer vom Institute of Science and Technology in dem Fachmagazin „PLoS Biology“. Ameisen lecken ihre infizierten Artgenossen beim Putzen ab und schützen sich so durch die Aufnahme von minimalen Erreger-Dosen vor einer Erkrankung, schreiben die Forscher. Der Putzvorgang fungiere demnach wie eine Art Impfung, die eine Ausbreitung von Infektionen in der Kolonie verhindert.
Kollektives Hygieneverhalten schützt Ameisen vor Infektionen
Ähnlich wie in beengten Megastädten könnten sich auch in Ameisenkolonien leicht Infektionen ausbreiten, wenn die kleinen Tiere nicht über ein „soziales Immunsystem“ verfügen würden, das sie vor den Erkrankungen schützt, erläuterte Prof. Sylvia Cremer. Das kollektivem Hygieneverhalten der Ameisen und die hiermit verbundene Aufnahmen geringer Mengen der Erreger bilde eine effiziente Methode zur Eindämmung von Infektionen, so die IST-Forscher weiter. Würden sich die Tiere nicht auf diese Weise vor Erkrankungen schützen, könnte sich Infektionen leicht in dem dicht besiedelten Ameisenbau ausbreiten und schlimmstenfalls das Ende der gesamten Kolonie bedeuten. Durch das Abschlecken der Artgenossen beim Putzvorgang finde eine regelrechte Impfung der Tiere statt. Die kranken Tiere werden nicht gemieden, sondern von den Artgenossen abgeleckt, „um den Krankheitserreger vom Körper der befallenen Ameisen zu entfernen“, berichten die Forscher um Prof. Sylvia Cremer. Durch dieses „soziale Pflegeverhalten“ würden die Überlebenschancen der befallenen Individuen deutlich erhöht. Doch auch für die pflegenden Ameisen hat das Putzen der kranken Artgenossen laut Aussage der IST-Forscher Vorteile.
Infektionsrisiko durch das Putzen kranker Artgenosse reduziert
Zwar unterliegen die pflegenden Ameisen durch den Kontakt mit den kranken Tieren einem erhöhten Infektionsrisiko, doch sie nehmen lediglich so geringe Dosen der Erreger auf, dass „nur subletale Infektionen“ auftreten, berichten Prof. Cremer und Kollegen in dem Artikel „Social Transfer of Pathogenic Fungus Promotes Active Immunisation in Ant Colonies“ . Die Wissenschaftler hatten die Ausbreitung von Pilzsporen in einer Ameisenkolonie beobachtet und dabei festgestellt, dass bei dem Putzvorgang lediglich ein sehr geringer „Transfer von Sporen“ stattfand. Durch die Aufnahme niedriger Dosen der infektiösen Sporen wurde bei den gesunden Tieren das Immunsystem aktiviert und sie waren fortan vor einer Erkrankung geschützt, so die Aussage von Cremer und Kollegen. Auf diese Weise werde die Ausbreitung der Infektionen erfolgreich verhindert. Lediglich zwei Prozent der neu infizierten Ameisen seien nach dem Kontakt mit den Sporen des Pilzes Metarhizium gestorben, die restlichen Tiere waren immun, erklärten die IST-Forscher. Der Infektionsschutz der Ameisen funktioniere dabei ähnlich den Impfungen beim Menschen. Die „soziale Verbreitung von infektiösen Partikeln auf niedrigem Niveau“ biete eine Art der „sozialen Immunisierung gegen Pilzerkrankungen in Ameisenkolonien“, so das Fazit der Wissenschaftler.
Soziale Immunisierung als Krankheitsschutz beim Menschen?
Möglicherweise könnte eine vergleichbare soziale Immunisierung auch beim Menschen greifen, schreiben Simon Babyan von der Universität von Edinburgh und David Schneider aus Stanford in einem Begleitartikel im Fachmagazin „PLoS Biology“. „Indem wir soziale Immunität in Insektenkolonien studieren, können wir möglicherweise emergente Eigenschaften entdecken, die wir in einem anderen wichtigen sozialen Tier, dem Menschen, bislang übersehen haben“, betonen Babyan und Schneider. Nach Ansicht der beiden Kommentatoren verwendeten die IST-Forscher „eine Kombination von Methoden, um den Mechanismus der sozialen Immunisierung zu identifizieren: mathematische Modelle, verhaltensbiologische, mikrobiologische, immunologische und molekulare Techniken, welche alle zusammen ein aufregendes proof-of-concept bieten, dass Immunität auf Gruppenniveau experimentell manipuliert und modelliert werden kann.“ (fp)
Bild: Erika Hartmann / pixelio.de
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