Sind Fluggäste einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt?
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, sich während einer Flugreise mit Infektionskrankheiten wie Influenza oder SARS anzustecken? Mit dieser Frage beschäftigten sich kürzlich amerikanische Wissenschaftler in einer von Boeing finanzierten Studie. Die Forscher fanden heraus:
- Trotz vieler Medienberichte sind die genauen Übertragungsrisiken während einer Flugreise weitestgehend unbekannt.
- Personen, die weniger als zwei Sitze seitlich und eine Reihe vor und hinter dem Infizierten sitzen, sind einem besonders hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt.
- Oberflächen wie Tabletttische, Sicherheitsgurte und Toilettengriffe können mögliche Träger von Viren und Bakterien sein.
- Außerhalb des Ein-Meter-Bereichs um einen infizierten Passagier liegt die Ansteckungsgefahr nur bei drei Prozent.
Angesichts jährlich über 3 Milliarden Flugpassagieren ist die Übertragung von Infektionskrankheiten durch Flüge ein wichtiges globales Gesundheitsproblem. Flugreisen könnten als Kanal für die rasche Ausbreitung auftretender Infektionen und Pandemien dienen. Trotzdem sind die genauen Risiken weitestgehend unbekannt. Forscher der Nell Hodgson Woodruff School of Nursing und dem Georgia Institute of Technology führten kürzlich eine Studie über die Wahrscheinlichkeit durch, sich während einer Flugreise mit einer Infektionskrankheit anzustecken. Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal „PNAS“ veröffentlicht.
Wie findet eine Übertragung statt?
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind die wichtigsten Übertragungswege für Krankheiten wie Influenza und SARS Atemwegströpfchen, die über kurze Distanzen von unter einem Meter befördert werden. Wenn eine infektiöse Person niest, hustet, spricht oder auch nur atmet, können diese Tröpfchen freigesetzt werden. Gelangen die Tröpfchen auf die Bindehaut oder Schleimhaut eines Reisenden oder werden diese inhaliert, kann eine Übertragung stattfinden.
Drei mögliche Übertragungs-Szenarien
Ein Passagier kann während einer Flugreise auf drei Arten engen Kontakt mit infizierten Personen haben. Sie könnten sich entweder in nahegelegenen Sitzen befinden, sie können sitzende und sich bewegende infizierte Personen passieren oder eine infizierte Person geht an einer sitzenden Person vorbei.
Der Sitzplatz ist entscheidend
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass ein infektiöser Passagier mit einer Influenza oder einer anderen durch Tröpfchen übertragenen Infektionskrankheit die anderen Passagiere wahrscheinlich nicht infizieren kann, wenn diese weiter seitlich als zwei Sitze und eine Reihe vor oder hinter dem Infizierten platziert sind. Demnach sind 11 bis 13 Mitreisende um den Infizierten einer besonders hohen Ansteckungsgefahr ausgesetzt.
Übertragung außerhalb des Ein-Meter-Bereichs unwahrscheinlich
Außerhalb der Ein-Meter-Zone um den Infizierten liegt das Ansteckungsrisiko laut den Studienergebnissen nur bei etwas drei Prozent. Diese Ergebnisse beziehen sich allerdings nur auf die Zeit, die man während des Fliegens verbringt. Die Ansteckungsgefahr in den Warteschlangen beim Check-In oder beim Boarding wurden nicht mit berücksichtigt. Dies könnte ein möglicher Grund sein, warum die Studienergebnisse geringere Ansteckungswahrscheinlichkeiten bescheinigen, als beispielsweise die WHO vorgibt.
Ein Modell zur Berechnung der Infektionswahrscheinlichkeit
Ein Forscherteam um Vicki Hertzberg, Professorin an der „Nell Hodgson Woodruff School“ für Krankenpflege und Howard Weiss, Professor an der Fakultät für Mathematik am „Georgia Institute of Technology“, entwickelte ein Modell, das die Infektionswahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Kontaktmuster zwischen Fluggästen und Besatzungsmitgliedern bestimmen kann.
Fünf Rundreisen als Basis für die Simulation
Als Basis dienten Daten aus fünf Rundreisen von der US-Ostküste zur US-Westküste. Die Bewegungen von Passagieren und Crew wurden aufgezeichnet. Darüber hinaus sammelten die Forscher Luft- und Oberflächenproben aus Bereichen, die am wahrscheinlichsten Mikroben beherbergen. Anschließend wurden diese Bewegungsdaten auf Tausende simulierte Flugszenarien übertragen.
Das Flugverhalten der Passagiere
„Wir wissen jetzt viel darüber, wie sich Passagiere auf Flügen bewegen“, erläutert Hertzberg in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen. Rund 40 Prozent der Passagiere würden ihre Plätze nie verlassen, weitere 40 Prozent würden nur einmal während des Fluges aufstehen. Nur 20 Prozent der Passagiere seien zwei oder mehrmals aufgestanden. Passagiere, die ihre Plätze verlassen, seien durchschnittlich fünf Minuten unterwegs.
Kontaminierte Oberflächen
Die Forscher stellten außerdem fest, dass die Übertragung von Krankheitserregern auch über bestimmten Oberflächen wie Tabletttische, Sicherheitsgurte und Toilettengriffe möglich ist. Dies könne passieren, wenn ein kranker Passagier in seine Hand hustet und später eine Toilettenfläche oder einen Gepäckkorb anfasst. „Passagiere und Flugbesatzungen können dieses Risiko einer indirekten Übertragung durch gute Handhygiene minimieren“, empfiehlt Professor Weiss. Außerdem solle man die Hände von Nasen und Augen fernhalten.
Daten beziehen sich nur auf den Flugzeugaufenthalt
Die Studie, die in Zusammenarbeit mit Boeing, durchgeführt wurde, untersuchte nur die mögliche Verbreitung von Infektionserregern innerhalb eines Flugzeuges. Die Übertragung könnte jedoch auch an anderen Punkten der Reise erfolgen, resümiert Weiss. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.