Hilft Schokolade? Großes Unwissen über Depressionen
Die Zahl der Menschen mit Depressionen steigt. Doch leider wissen viele Menschen nicht, wie sie mit Depressiven richtig umgehen sollen. Das liegt auch daran, dass viel Unwissenheit über die psychische Erkrankung herrscht. So zeigte eine Umfrage, dass viele Deutsche meinen, Betroffene müssten sich nur zusammenreißen und Schokolade wäre ein gutes Hilfsmittel gegen Depressionen.
Immer mehr Menschen leiden an psychischen Erkrankungen
Laut einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Anzahl der Menschen mit Depressionen weltweit deutlich gestiegen ist. Auch in Deutschland und der EU leiden immer mehr Menschen an der psychischen Krankheit. Der Deutschen Depressionshilfe zufolge erkranken hierzulande jedes Jahr über fünf Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen, unipolaren Depression. Dennoch gibt es noch immer viel Unwissenheit, Irrtümer und Vorurteile über die Krankheit, wie eine große Umfrage zeigte.
Schokolade gegen depressive Erkrankungen?
Schon vor Jahren zeigte sich in einer Studie der „University of California“, dass Depressive mehr Schokolade als vergleichsweise gesunde Menschen essen.
Einen Beweis dafür, ob Schokolade depressive Erkrankungen verstärken oder mindern, konnten die Wissenschaftler damals nicht erbringen.
Doch vor wenigen Monaten stellten Forscher des University College London in einer Studie fest, dass der Verzehr von Schokolade bei Männern zu Ängsten und Depressionen führen kann. Die Experten machten den hohen Zuckergehalt von Schokolade dafür verantwortlich.
Dennoch halten offenbar fast 20 Prozent der Deutschen Schokolade für ein geeignetes Hilfsmittel gegen Depressionen.
Mehrheit der Deutschen von Depression betroffen
Die Mehrheit der Deutschen ist im Laufe des Lebens von Depression betroffen – entweder direkt aufgrund einer eigenen Erkrankung (23 Prozent) oder indirekt als Angehöriger (37 Prozent), berichtet die Deutsche Depressionshilfe in einer Pressemitteilung.
Dennoch gibt es laut den Experten in der Bevölkerung große Irrtümer bezüglich der Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Depression.
So wird die Depression vor allem als psychische Reaktion auf widrige Lebensumstände angesehen und weniger als Erkrankung im medizinischen Sinne, die jeden treffen kann und bei der Betroffene ärztliche Hilfe benötigen.
Das zeigt das erste „Deutschland-Barometer Depression“ von Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Deutsche Bahn Stiftung. Die repräsentative Befragung untersucht Einstellungen und Wissen zur Depression in der Bevölkerung.
Befragt wurden 2.000 Personen zwischen 18 und 69 Jahren aus einem repräsentativen Panel für die deutsche Bevölkerung in Privathaushalten. Ergänzt wurde diese Befragung der Allgemeinbevölkerung durch eine Online-Umfrage unter Depressionsbetroffenen.
Körperliche Ursachen der Depression noch zu wenig bekannt
Das Deutschland-Barometer Depression zeigt, dass in der deutschen Bevölkerung die Bedeutung von belastenden Lebensereignissen für die Entstehung von depressiven Erkrankungen überschätzt und gleichzeitig die Bedeutung der Veranlagung unterschätzt wird.
Nahezu alle Deutschen sehen die Ursachen der Depression in Schicksalsschlägen (96 Prozent) und Belastungen am Arbeitsplatz (94 Prozent).
Dass die Depression auch biologische Ursachen hat, ist dagegen weniger bekannt. So kennen nur 63 Prozent die große Relevanz der erblichen Komponente der Depression. Nur zwei Drittel wissen, dass während der Depression der Stoffwechsel im Gehirn gestört ist.
„Während der Depression nehmen Betroffene alles wie durch eine dunkle Brille wahr. Bestehende Probleme wie Partnerschaftskonflikte oder Arbeitsstress erscheinen vergrößert. Deshalb bewerten viele diese äußeren Faktoren über und gehen davon aus, dass die Depression dadurch ausgelöst wurde“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
Besonders deutlich werden die Wissenslücken über Depression in der Bevölkerung bei folgenden Aussagen: Über die Hälfte der Befragten glaubt, dass die Depression durch eine „falsche“ Lebensführung ausgelöst wird; knapp ein Drittel hält Charakterschwäche für eine Depressionsursache.
„Es wird deutlich, dass noch ein großer Aufklärungsbedarf besteht. Deshalb unterstützen wir die Aktivitäten der Stiftung Deutsche Depressionshilfe“, so Dr. Christian Gravert, Projektleiter Psychische Gesundheit bei der Deutsche Bahn Stiftung und Leitender Konzernbetriebsarzt der Deutsche Bahn.
Fehlannahmen verhindern adäquate Behandlung
Auch bei den Behandlungsmöglichkeiten der Depression wissen die Deutschen noch nicht ausreichend Bescheid.
So glaubt rund jeder fünfte Befragte, dass „Schokolade essen“ (18 Prozent) oder „Sich zusammenreißen“ (19 Prozent) geeignete Mittel gegen die schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankung seien.
„Depressionen werden gemäß der nationalen Versorgungsleitlinien mit Antidepressiva und/oder Psychotherapie behandelt“, stellt Prof. Ulrich Hegerl richtig.
Die psychotherapeutische Behandlung genießt einen besseren Ruf (96 Prozent halten sie für eine geeignete Behandlungsmöglichkeit) als medikamentöse Behandlungsmethoden (75 Prozent).
Diese unterschiedliche Einschätzung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass 4 von 5 Deutschen glauben, Antidepressiva würden süchtig machen (78 Prozent) oder den Charakter verändern (72 Prozent).
„Antidepressiva machen nicht ‚high‘, sie wirken in erster Linie gestörten Funktionsabläufen im Gehirn entgegen. Auch die Persönlichkeit wird nicht verändert. Die Depression selbst dagegen führt zu schweren Veränderungen im Erleben und Verhalten.
Wenn es unter der Behandlung mit Antidepressiva zum Abklingen der Depression kommt, berichtet die große Mehrheit der Patienten, sich wieder wie im gesunden Zustand zu fühlen“, erklärt Hegerl.
Suizide wegen psychischen Erkrankungen
Insgesamt erkranken jedes Jahr in Deutschland ca. 5,3 Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen, unipolaren Depression. Jeden Tag nehmen sich durchschnittlich 28 Menschen das Leben.
Damit kommen in einem Jahr bundesweit mehr Menschen durch Selbsttötungen ums Leben als durch Verkehrsunfälle, Drogen, Mord und HIV zusammengerechnet.
Die Suizide erfolgen dabei zumeist vor dem Hintergrund einer unzureichend behandelten Depression oder anderen psychischen Erkrankungen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt sogar, dass Suizid und Freitod wegen Depressionen 2020 die zweithäufigste Todesursache auf der Welt sein wird.
Von der großen Zahl depressiv Erkrankter in Deutschland erhält nur eine Minderheit eine optimale Behandlung. Oftmals müssen Patienten lange Wartezeiten überbrücken, bis sie einen Termin beim Facharzt oder Psychotherapeuten erhalten und eine adäquate Behandlung erfahren.
Online-Angebote zur Selbsthilfe
Aufgrund dieser angespannten Versorgungslage ist die Stärkung der Selbsthilfe eine wichtige Ergänzung im Versorgungsangebot. Digitale Angebote gewinnen dabei in den letzten Jahren deutschlandweit und auch international zunehmend an Bedeutung.
Gegenüber Online-Hilfsangeboten bei Depression bestehen in der Bevölkerung noch Bedenken – auch das zeigt das Deutschland-Barometer Depression.
Die Teilnehmer der repräsentativen Befragung sahen vor allem den Datenschutz als kritisch an (70 Prozent) und schätzten die Programme als zu unpersönlich ein (79 Prozent).
Betroffene hingegen sehen sie als hilfreiche Ergänzung (60 Prozent), aber zu Recht kaum als Alternative zur psychotherapeutischen (14 Prozent) oder pharmakologischen (18 Prozent) Behandlung an.
Eines dieser internetbasierten Selbstmanagement-Programme ist iFightDepression. Es hilft Betroffenen mit leichteren Depressionsformen ihre Erkrankung besser zu verstehen und zeigt Übungen für den Alltag, um Gedanken oder Verhaltensweisen zu verändern.
So lernen sie zum Beispiel den Schlaf zu regulieren, negative Gedankenkreise zu durchbrechen oder positive Aktivitäten zu planen. iFightDepression wird über die Stiftung Deutsche Depressionshilfe allen interessierten, speziell geschulten Ärzten und Therapeuten für ihre Patienten kostenfrei zur Verfügung gestellt. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.