Internationale Raumstation: Immunzellen werden auf ISS erforscht
20.04.2014
Schweizer Forscher wollen auf der Internationalen Raumstation ISS das Verhalten von menschlichen Zellen unter Schwerelosigkeit genauer erforschen. Die Experimente im All sollen helfen, das Funktionieren des Lebens auf der Erde zu verstehen. Zudem könnten die Erkenntnisse künftig für manche Therapien nützlich sein.
Raumschiff mit menschlichen Zellen an Bord
Am Abend des 18. April startete, mit gut einem Monat Verzögerung, das Transportraumschiff „Dragon“ vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida zur Internationalen Raumstation ISS. Mit an Bord waren bei dieser sogenannten „Cellbox“-Mission Immunzellen aus der Schweiz. Ein Team um Professor Oliver Ullrich vom Anatomischen Institut der Universität Zürich will auf der ISS das Verhalten menschlicher Zellen unter Schwerelosigkeit genauer erforschen. Wie die „Tiroler Tageszeitung“ berichtete, sagte Professor Ullrich: „Angesichts der dramatischen Veränderungen in Zellen bei Schwerelosigkeit wundert man sich, dass Menschen überhaupt sechs Monate im All überleben können.“ Nicht nur Knochen und Muskeln schwinden, sondern vor allem auch das Immunsystem ist gestört.
Astronauten leiden häufig unter Infektionen
Beispielsweise funktionieren die Fresszellen, die sogenannten Markophagen, nicht mehr richtig, die eingedrungene Bakterien abtöten und vertilgen. Daher würden Astronauten häufig unter Infektionen leiden. Die Schweizer Wissenschaftler wollen nun wissen, wie sich Aufbau und Stoffwechsel dieser Fresszellen in einem dreitägigen Aufenthalt in der Schwerelosigkeit verändern. Die Rückkehr der „Dragon“-Kapsel mit den fixierten Proben wird am 18. Mai 2014 im Pazifischen Ozean erwartet. Im Fokus der Untersuchungen steht der Langzeiteffekt von Schwerelosigkeit auf menschliche Fresszellen, insbesondere auf deren Zellskelett und Moleküle, welche für die Zellkommunikation wichtig sind.
Immunsystem reagiert binnen Sekunden auf den Wegfall der Schwerkraft
Das Forscherteam konnte bereits mit Hilfe von Sturzflügen in Flugzeugen, sogenannten Parabelflügen mit 22 Sekunden Schwerelosigkeit, sowie Versuchen auf Höhenforschungsraketen mit fünfminütiger Schwerelosigkeit, nachweisen, dass Zellen des menschlichen Immunsystems schon innerhalb von Sekunden auf den Wegfall der Schwerkraft reagieren. Demnach sind wichtige molekulare Funktionen für die Zell-Zell-Kommunikation und die Zell-Wanderung sofort gestört. Mittels des dreitägigen Experiments will das Team um Ullrich nun herausfinden, ob die vielen Veränderungen, die nach Sekunden oder Minuten Schwerelosigkeit auftreten, Anpassungsprozesse an eine neue Umwelt sind, oder tiefgreifende und dauerhafte Störungen.
Finanziert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Die Studie wird zusammen mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg durchgeführt und vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt finanziert. „Damit wir die bisherigen Daten interpretieren können, brauchen wir die Studie im All“, so Ullrich. Molekulare Anpassungsreaktionen bei Zellen ließen sich in drei Tagen gut feststellen. Bisherige Daten würden darauf hindeuten, dass das Zellskelett die Abhängigkeit der Zellen von der Schwerkraft vermittelt. Ullrich vermutet: „Ohne Schwerkraft geht die Ordnung verloren und mit ihr die präzise Steuerung der Prozesse innerhalb der Zelle.“
Gesundheitliche Risiken für Astronauten
Professor Ullrich meint, dass die Erkenntnisse künftig nicht nur im All, sondern auch auf der Erde nützlich sein könnten. So könnte man eine Therapie finden um die Immunschäden bei Astronauten zu heilen, oder Gene identifizieren, deren Träger davor besser geschützt sind. „Dank dieser Experimente können wir die Risiken künftiger Raumflüge besser einschätzen.“ Erst kürzlich wurde berichtet: Marsmission birgt hohes Gesundheitsrisiko. US-amerikanische Experten hatten in diesem Zusammenhang vor den gesundheitlichen Risiken für Astronauten gewarnt. Der NASA zufolge soll die erste Marsmission um das Jahr 2030 stattfinden. Ein solcher Flug würde um die 500 Tage dauern. Doch Raumfahrer klagen schon bei wesentlich kürzeren Flügen häufig über gesundheitliche Beschwerden wie Übelkeit, Sehstörungen oder Schwäche.
Das Funktionieren des Lebens auf der Erde verstehen
Auch auf der Erde spiele das Zellskelett bei Krankheiten eine Rolle. So kommt es etwa bei Alzheimer zu massiven Störungen des Zellskeletts in Hirnzellen, die dann absterben. Ähnliches würden auch bestimmte Krebsmedikamente in Krebszellen anrichten und so deren Teilung hemmen. „Diese Experimente helfen uns, das Funktionieren des Lebens auf der Erde zu verstehen“, so Ullrich. Es lasse sich aus dem neu gewonnenen Wissen auch schließen, ob die Erde auch wegen ihrer Schwerkraft der ideale Ort für mehrzelliges Leben ist. Und damit auch, ob ein Leben ohne Schwerkraft für den Menschen auf Dauer möglich ist. (ad)
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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