Studien: Übergewicht möglicherweise doch nicht so ungesund wie angenommen
Zwar zeigte sich in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen, dass Übergewicht viele Lebensjahre kosten kann, doch manchen Studien zufolge ist Dicksein offenbar weniger ungesund als angenommen.
Dicksein ist ungesund
In zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass Übergewicht und Adipositas ungesund sind. Wer zu viel wiegt, hat demnach ein höheres Risiko für Folge- oder Begleiterkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Arteriosklerose (Arterienverkalkung), Fettstoffwechselstörungen, koronare Herzkrankheiten wie Herzinfarkt bis hin zu bestimmten Krebserkrankungen. Doch laut neueren Studien haben dicke Menschen nicht grundsätzlich eine schlechtere Gesundheitsprognose. Denn US-amerikanischen Wissenschaftlern zufolge sagt der Body-Mass-Index (BMI) nur wenig über unsere Gesundheit aus. Und laut schwedischen Forschern leben Dicke heute sogar länger als Schlanke.
Übergewichtige haben eine geringere Sterblichkeit als Schlanke
Einer schwedischen Studie zufolge haben Übergewichtige heute eine geringere Sterblichkeit als Normalgewichtige. Laut Studienautor Børge G. Nordestgaard von der Kopenhagener Universitätsklinik ist der Grund für diesen Wandel nicht eindeutig geklärt.
Für die im Fachmagazin „Journal of American Medical Association“ (JAMA) veröffentlichte Untersuchung wurden Daten von mehr als 100.000 Menschen in Dänemark ausgewertet.
Diese wurden in den Jahren 1976 bis 1978, 1991 bis 1994 sowie von 2003 bis 2013 auf ihre Sterblichkeit untersucht.
Dabei zeigte sich, dass Menschen in den 1970er Jahren mit einem BMI von 23,7 (das entspricht einem Gewicht von 78 Kilogramm bei einer Größe von 1,83) am längsten lebten.
Anfang der 1990er Jahre lag der optimale BMI bei 24,6 – das entspricht bei gleicher Körpergröße fünf Kilo mehr.
Und in der Spanne von 2003 bis 2013 legte der optimale BMI sogar auf 27 zu, was bei einer Körpergröße von 1,83 gut 90 Kilogramm entspricht – also zwölf Kilogramm mehr als in den 1970ern.
Definition von Übergewicht überdenken
Zudem brachte die Studie zu Tage, dass adipöse Menschen in den 1970er Jahren eine höhere Sterblichkeit aufwiesen als Normalgewichtige, doch seit den 2000er Jahren genau so lange leben. Laut den Forschern müsse aufgrund der Befunde neu definiert werden, wo Übergewicht beginne.
Einer Meldung des Internetportals „ScienceDaily“ zufolge sagte Nordestgaard: „Wenn dieser Befund in anderen Studien bestätigt wird, würde dies darauf hindeuten, dass die WHO ihre derzeit geltenden Definitionen für Übergewicht, die auf Daten aus der Zeit vor den 1990er Jahren basieren, überarbeiten müsse.“
Der Wissenschaftler wies auch darauf hin, dass eine weitere Untersuchung notwendig ist, den Grund für diese Änderung und ihre Auswirkungen zu verstehen.
Die Forscher schrieben zudem, dass die Ergebnisse nicht so interpretiert werden sollten, dass Menschen nicht mehr auf eine gesunde Ernährung achten.
US-amerikanische und kanadische Wissenschaftler kamen bereits vor Jahren zu ähnlichen Ergebnissen wie ihre schwedischen Kollegen.
Sie berichteten damals ebenfalls im Fachmagazin „Journal of the Medical American Association“ (JAMA), dass Übergewichtige länger leben. Das Sterblichkeitsrisiko bei extremer Fettleibigkeit steige jedoch enorm.
BMI sagt wenig über die Gesundheit aus
Derzeit wird das Normalgewicht anhand des Body-Mass-Index (BMI) bestimmt. Ab einem BMI von 30 spricht man von Adipositas (Fettleibigkeit). Das wären bei einer Körpergröße von 1,70 Meter 86,5 Kilogramm.
Der BMI lässt sich berechnen, indem man das Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. Bei einem BMI zwischen 25 und 30 gilt eine Person als übergewichtig und ab 30 als fettleibig (adipös).
Eine Studie, die von Wissenschaftlern der University of California in Los Angeles (USA) durchgeführt wurde, zeigte jedoch, dass der BMI über den Gesundheitszustand des Menschen keine ausschlaggebenden Informationen liefert.
Die Forscher, die ihre Ergebnisse im Fachmagazin „International Journal of Obesity“ veröffentlichten, kritisieren, dass viele Menschen als ungesund eingestuft würden, obwohl sie lediglich einen höheren BMI haben.
Die Untersuchung zeigte, dass bei rund 54 Millionen US-Amerikanern, welche aufgrund ihres Gewichtes als ungesund eingeschätzt wurden, keinerlei Krankheitssymptome zu bemerken waren.
Den Angaben zufolge zeigten verschiedene Werte wie Blutdruck, Blutzuckerspiegel oder Cholesterinwerte keine Auffälligkeiten.
Um zu ihrer Aussage zu gelangen, analysierten die Forscher die Daten von rund 40.000 US-Amerikanern aus dem National Health Nutrition Examination Survey und rechneten das Ergebnis auf die gesamte Bevölkerung hoch.
Schlanke Personen mit schlechten Werten
„Viele Menschen sehen Adipositas als Todesurteil an“, meinte A. Janet Tomiyama, Hauptautorin der Studie in einem Beitrag auf „EurekAlert!“. „Die Daten zeigen jedoch, dass es Millionen Menschen gibt, die übergewichtig und adipös, aber in bester Gesundheit sind.“
Fast die Hälfte der Bevölkerung, die durch den BMI als übergewichtig eingestuft wird, sei gesund. Ebenfalls gesund sind demnach weitere rund 20 Millionen Menschen, die als adipös gelten.
Andererseits haben über 30 Prozent der Menschen mit „normalem“ BMI der Untersuchung zufolge schlechte Werte bei den anderen Gesundheitsmessungen, die Blutdruck, sowie Blutzucker-, Cholesterin- und Triglycerid-Level beinhalten.
„Es gibt gesunde Menschen, die aufgrund einer fehlerhaften Gesundheitsmessung bestraft werden könnten, während ungesunde Menschen mit normalem Gewicht nicht als solche erkannt werden“, kritisierte Tomiyama.
Co-Autor Jeffrey Hunger meinte zu den Studienergebnissen: „Dies sollte der letzte Nagel im Sarg für BMI sein“. (ad)
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