Ärzte-Komitee warnt vor negativem Impfpopulismus
Professor Dr. Ursula Wiedermann-Schmidt ist die Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien. Zusammen mit ihren Kollegen klärt die Expertin im Rahmen einer Fachtagung über das Thema Impfen auf. Dabei möchte sie gängige Vorurteile beseitigen und eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung erreichen. Den zunehmenden mangelnden Impfschutz sieht die Professorin als gesellschaftliches Problem.
Impfen ist nach Ansicht des Komitees der MedUni Wien, der Österreichischen Ärztekammer und der Österreichischen Apothekerkammer das beste Werkzeug, um Epidemien schwerer Infektionskrankheiten wie Masern, Keuchhusten, Diphtherie und Influenza etwas entgegenzusetzen. Die Expertinnen und Experten möchten erreichen, dass Impfen wieder „in“ ist. Dem negativen Impfpopulismus will das Komitee mit Aufklärung begegnen. „Denn nur wenn wir Ärzte und alle im Gesundheitswesen Tätigen ausreichend Wissen über das Impfen und die richtigen Kommunikationswege haben, kommt die Botschaft auch tatsächlich an“, berichtet Wiedermann-Schmidt in einer Pressemitteilung zum Impf-Kongress.
Impfen kann Leben retten
Die Professorin warnt, dass viele Menschen Infektionskrankheiten wie Masern als „Kinderkrankheit“ abtun oder Impfen generell als etwas „Unnatürliches“ ablehnen. Diese Haltung spiegelt sich auch in der steigenden Zahl der Masern-Fälle wider. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO gab es allein im ersten Halbjahr 2018 41.000 Masernfälle mit 37 Todesopfern. „Jedes dieser Opfer wäre mit einer Impfung zu verhindern gewesen“, betont die Institutleiterin.
Ist Impfen „out“?
Laut den Expertinnen und Experten des Kongresses ist impfen nicht nur im Kinder- und Jugendlichenalter wichtig, sondern in allen Altersgruppen. Wiedermann-Schmidt fordert als ersten Schritt eine Impfverpflichtung für Personen, die in Gesundheits- und Sozialberufen arbeiten: „2017 betrafen Masernerkrankungen nahezu 20 Prozent des Gesundheitspersonals in Österreich – ein unhaltbarer Zustand.“ Dabei spiele nicht nur der Eigenschutz eine Rolle. Besonders Ärztinnen und Ärzte hätten eine starke Vorbildfunktion und könnten die Bevölkerung motivieren, sich ebenfalls impfen zu lassen.
Egal ob jung oder alt – Impfen ist für jeden wichtig
„Leider stellen wir fest, dass der Zeitgeist ‚Egoismus‘ heißt – auch beim Impfen“, kritisiert Wiedermann-Schmidt. Nur wer sich selbst schütze, könne auch dazu beitragen, andere Menschen, insbesondere die im persönlichen Umfeld, zu schützen. Die Professorin ruft zu mehr sozialer Eigenverantwortung auf.
Keuchhusten Fälle haben sich in den letzten Jahren verdoppelt
Neben der Masernproblematik sind auch andere Infektionskrankheiten wieder auf dem Vormarsch. Wie der Leiter des Impfreferats der Österreichischen Ärztekammer Rudolf Schmitzberger berichtet, haben sich die Fälle von Keuchhusten in den Jahren 2015 bis 2017 mehr als verdoppelt. „Die Krankheit breitet sich fast so rasant wie Masern aus“, warnt Schmitzberger. Ein ausreichender Impfschutz sei daher speziell für sensible Personengruppen wie Schwangere besonders wichtig.
Pneumokokken sind weit verbreitet
„Zwei Drittel der Zwei- bis Dreijährigen tragen Pneumokokken-Keime unbemerkt in sich und werden so zur potenziellen Lebensgefahr für ihr Umfeld“, erläutert Schmitzberger. Pneumokokken Bakterien können schwere Lungenentzündungen hervorrufen, die nicht selten tödlich enden. Schmitzberger hält dies für eine unnötige Gefahr, da es mittlerweile einen breiter wirksamen 13-fach-Impfstoff gegen das gefährliche Bakterium gebe.
Die kleinen schützen die Großen
Auch Influenza werde großteils von Kindern übertragen, erklärt Schmitzberger. Daher müsse die Influenza-Impfung ins Impfprogramm für Kinder aufgenommen werden. „Sind die Enkel geimpft, sind nicht nur sie selbst, sondern auch die Eltern und Großeltern vor Erkrankungen geschützt“, resümiert der Experten. Die größte Verantwortung für eine breitere Akzeptanz in der Bevölkerung sieht das Komitee bei den heimischen Apotheken. Diese seien für die meisten Menschen die erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen. Die Apothekerinnen und Apotheker könnten das Gesundheitsbewusstsein der Menschen positiv beeinflussen. „Das gilt besonders beim Impfen, einem Thema, das sehr kontrovers diskutiert wird und bei dem in der Öffentlichkeit als Folge von Informationsdefiziten eine große Unsicherheit herrscht“, ergänzt Gerhard Kobinger von der Österreichischen Apothekerkammer. (vb)
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