Weidemilch: Eine Frage der Haltung
Auf Milchverpackungen sind grasende Kühe weit verbreitet. Doch die Realität sieht häufig anders aus. Die Milchviehhaltung verlagert sich immer stärker von der Weide in den Stall. In größeren Betrieben kommt im Durchschnitt nur noch jede dritte Kuh auf die Weide. Auf der anderen Seite sind weidende Kühe als Marketing-Instrument beliebt, weil darin Verbraucherwartungen zum Ausdruck kommen. So gehören laut einer Studie der Universität Göttingen für rund 80 Prozent der Verbraucher Kühe zumindest im Sommer auf die Weide.
Kein Wunder also, dass eine wachsende Zahl an Molkereien versucht, ihre Milch entsprechend zu vermarkten. Und das durchaus mit Erfolg. In Österreich etwa erreicht Heumilch bereits einen Marktanteil von 15 Prozent. Der Marktanteil für Weidemilch liegt in Dänemark bei rund 20 Prozent. In den Niederlanden stehen beinahe 80 Prozent der Kühe auf der Weide.
Aber was genau verbirgt sich hinter diesen Bezeichnungen? Und wie lassen sich diese Unterschiede erklären? Heumilch unterscheidet sich hinsichtlich der Fütterung von herkömmlicher Milch, bei Weidemilch gilt dies für die Haltung. Heumilch stammt von Kühen, die nicht mit Silage, sondern mit frischem Grünlandfutter, Heu und Getreide gefüttert wurden. Während es aber zum Beispiel in Österreich ein so genanntes Heumilchregulativ gibt, das von unabhängigen Stellen kontrolliert wird, ist in Deutschland die Bezeichnung »Heumilch« lebensmittelrechtlich ebenso wenig geregelt wie die Bezeichnung »Weidemilch«.
Wie viel Zeit eine Kuh auf der Weide verbringen muss, ehe von Weidehaltung gesprochen werden kann, ist daher durchaus strittig und hat in Deutschland auch schon die Gerichte beschäftigt. Mit dem Ergebnis, dass Milch von Kühen, die an mindestens 120 Tagen im Jahr mindestens sechs Stunden auf der Weide waren als Weidemilch vermarktet werden darf, sofern diese Kriterien auch auf der Packung angegeben sind.
Während sich an dieser Mindestvorgabe zahlreiche Anbieter orientieren, sind die weiteren Kriterien häufig ganz unterschiedlich geregelt. Etwa die Frage, ob es für die Tierhaltung im Winter ebenfalls Vorgaben gibt, wie die Tiere abseits der Weide gefüttert werden, ob dabei auch auf gentechnisch veränderte Futtermittel zurückgegriffen werden darf und wer kontrolliert, ob diese Regeln tatsächlich eingehalten werden.
Mehr Transparenz für Verbraucher können hier klar definierte Produktlabel schaffen. Vorreiter in Deutschland ist in dieser Hinsicht das 2017 gestartete Gütesiegel »Pro Weideland – Deutsche Weidecharta«, mit dem das Land Niedersachsen die Weidehaltung fördern und Milchbauern für ihren Beitrag zum Tierwohl und zum Erhalt von Grünland entlohnen will. Es basiert auf einem breiten Bündnis von Landwirtschafts-, Umwelt- und Tierschutzverbänden, Wissenschaft und Politik und ergänzt den oben erwähnten Standard von 120 Tagen mit je sechs Stunden Weideauslauf um folgende Kriterien:
– Pro Kuh müssen 2000 Quadratmeter Dauergrünland (davon mind. 1000 Quadratmeter Weidefläche) zur Verfügung stehen.
– Die ganzjährige Bewegungsfreiheit der Tiere muss gewährleistet sein.
– Die Kühe dürfen nur gentechnikfreies Futter erhalten.
– Die Einhaltung dieser Kriterien wird durch die Molkereien sowie externe Auditoren regelmäßig überprüft. – Die teilnehmenden Molkereien müssen sich verpflichten, die Milch getrennt zu sammeln und zu verarbeiten.
Seit Ende April 2017 ist entsprechend zertifizierte Weidemilch beim Discounter Lidl erhältlich, seit Mitte August auch in REWE-Märkten. Mit dem Pro Weideland-Label verknüpft ist das Ziel, Betrieben die Weidemilch produzieren, zukünftig einen Aufschlag von fünf Cent pro Liter Milch zu zahlen. Dass Verbraucher grundsätzlich bereit sind, für Weidemilch einen Preisaufschlag zu zahlen, zeigen die positiven Erfahrungen aus Dänemark und den Niederlanden.
In den Niederlanden wurde bereits 2007 ein Weidemilch-Label eingeführt. Seit 2016 wird das niederländische Weidemilch-Label auch an im Ausland hergestellte Weidemilch-Erzeugnisse vergeben. Deutsche Verbraucher können also im Kühlregal beide Label finden. Das niederländische Weidemilch-Label sieht ebenfalls an mindestens 120 Tagen im Jahr mindestens sechs Stunden Weideauslauf vor, macht aber zum Beispiel zur Bewegungsfreiheit oder zur gentechnikfreien Fütterung keine Vorgaben. Ob sich das anspruchsvollere neue »Pro Weideland«-Label durchsetzen und als neuer Standard für Weidemilch etablieren kann, wird auch davon abhängig sein, welche Produkte bzw. welches Label die großen Supermarktketten ins Sortiment aufnehmen. BZL/BZfE
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