Jede zehnte Verletzung bei Kindern ist auf Missbrauch zurückzuführen
13.11.2013
Jede zehnte Verletzung bei Kindern ist auf Missbrauch oder Misshandlungen zurückzuführen. Darauf weist der Ärztliche Direktor am Olgahospital in Stuttgart, Andreas Oberle, gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“ hin. Genaue Zahlen gibt es jedoch nicht. Noch häufiger als körperliche Misshandlungen würden Ärzte Vernachlässigung bei Kindern feststellen, so Oberle.
Missbrauch und Vernachlässigung sind häufig eine Folge von Überforderung
Missbrauch und Vernachlässigung von Kindern sind keine Seltenheit. „Wir gehen davon aus, dass zehn Prozent der Kinder, die mit Verletzungen zu uns kommen, misshandelt wurden“, berichtet der Kinder- und Jugendarzt. Vor allem für Ärzte, die nicht regelmäßig mit derartigen Fällen konfrontiert würden, sei es eine Herausforderung einen Unfall von einer körperlichen Misshandlung zu unterscheiden. Dafür seien Schulungen notwendig. Einen wichtigen Beitrag könne die Eröffnung des „Kompetenzzentrums Kinderschutz in der Medizin“ in Ulm leisten.
Ärzte müssten sicherstellen, misshandelte Kinder nicht mit ihren Problemen allein zu lassen. „In einer solchen Situation wäre es zu wenig, einfach nur zu schauen, dass eine Verletzung wieder gut verheilt“, erläutert Oberle. „Eltern, die ihre Kinder misshandeln, sind keine verabscheuungswürdigen Kriminellen, sondern das sind ganz oft Familien, die einfach völlig überfordert sind.“ Häufig benötigten sie nur Ansprechpartner, von denen sie Rat und Unterstützung erfahren. Der Kinder- und Jugendarzt macht deutlich, wie wichtig die Knüpfung von Netzwerken ist, an die sich Ärzte bei einem entsprechenden Verdacht wenden könnten. Das könnten beispielsweise Kinderschutzteams in den Krankenhäusern oder Ansprechpartner beim Jugendamt sein.
Wie Oberle berichtet, würden Ärzte weitaus häufiger mit vernachlässigten als mit körperlich misshandelten Kindern konfrontiert werden. „Wenn Ärzte merken, dass Kinder nicht gepflegt sind, im Sommer mit Winterschuhen rumlaufen oder kein altersgemäßes Spielmaterial haben, können das Hinweise darauf sein, dass die Eltern dem Kind nicht das geben, was es in seinem Alter benötigt.“ Auch dafür mangele es an Hilfsangeboten.
Sexueller Missbrauch von Kindern sei dagegen etwas ganz anderes. Bei den Tätern handele es sich nicht um überforderte Eltern sondern um Erwachsene, die zur Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse ihre Machtposition ausnutzten.
Misshandlungen können zu Gehirnschädigungen führen
Einer Studie von US-amerikanischen Wissenschaftlern zufolge sind Misshandlungen in der Kindheit auch im Erwachsenenalter nachweisbar. Für ihre Untersuchung wertete das Team um Martin Teicher aus Belmont von der Harvard Medical School im US-Bundesstaat Massachusetts Gehirnaufnahmen der Studienteilnehmer aus. Dabei zeigte sich, dass diejenigen, die in der Kindheit von Misshandlungen betroffen waren, im Vergleich zu anderen einen weniger entwickelten Hippocampus-Bereich aufwiesen. Dieser Teilbereich des Gehirns ist unter anderem für Emotionen zuständig.
Körperliche und seelische Misshandlungen in der Kindheit können schwere Traumata auslösen. Um diese zu bewältigen, ist nicht selten eine lange ambulante und stationäre Psychotherapie notwendig. Einige Betroffene nehmen zudem Medikamenten, um ihren Alltag bewältigen zu können. Wie die Untersuchung der Wissenschaftler zeigt, können die Misshandlungen Entwicklungsstörungen im Gehirn des Patienten verursachen. Teicher und sein Team vermuten, dass Betroffene aus diesem Grund anfälliger für psychische Erkrankungen sind. (ag)
Bild: Helene Souza / pixelio.de
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