Ärzte verschreiben Saarländern die meisten Antibiotika
26.09.2012
Antibiotika sind häufig das Mittel der Wahl bei Fieber, Erkältung oder Mandelentzündung. Trotz Warnungen vor einer stetig wachsenden Zahl von antibiotikaresistenten Bakterien, wird die medizinische Allzweckwaffe besonders von Hausärzten gern verschrieben. Laut dem aktuellen Antibiotika-Atlas existieren es jedoch deutliche regionale Unterschiede. So werden beispielsweise die meisten Antibiotika im Bundesland Saarland verschrieben. Wissenschaftler forschen noch nach den Ursachen für die Ungleichverteilung der Verordnungen.
Antibiotika helfen nicht bei Virus-Erkrankungen
Häufig drängen die Patienten ihren Arzt dazu, ein Antibiotikum zu verordnen. Denn das Mittel gilt gemeinhin als „Wunderwaffe“ gegen hartnäckige Erkältungen, Blasenentzündungen und vieles mehr. Häufig handelt es sich beispielsweise bei Erkältungen jedoch nicht um bakterielle sondern um virale Infekte, bei denen Antibiotika wirkungslos sind, weil Viren für die Erkrankung ursächlich sind. Selbst Ärzte gehen davon aus, dass es milde Antibiotika gebe, wie eine kleine Umfrage unter Medizinern unlängst auf einem Fachkongress ergab.
Dennoch gehören Antibiotika zu den am meisten verordneten Arzneimitteln in Deutschland. Experten warnen bereits seit einiger Zeit vor dem unangemessenen Einsatz von Penicillin & Co. Denn immer mehr Bakterien mit Antibiotikaresistenzen treten auf, bei denen die Wirkstoffe nutzlos geworden sind.
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) hat untersucht, wie häufig Antibiotika von Ärzten verschrieben werden und dabei einen regionalen Bezug hergestellt. Im Jahr 2010 bekamen demnach rund 22 Millionen Menschen ein Rezept für die Arznei. Die meisten Antibiotika wurden in der ältesten Patientengruppe (56 Prozent der über 90-Jährigen) sowie für die jüngsten Patienten (39 Prozent der bis 15-Jährige) ambulant verordnet. Auffälliges Ergebnis der Analyse: Die meisten Antibiotika werden von Hausärzten mit knapp 53 Prozent der Antibiotika-Rezepte ausgestellt. Auch Internisten, die in der hausärztlichen Versorgung tätig sind, sowie Kinder und HNO-Ärzte verschreiben viele Antibiotika, jedoch – mit jeweils unter zehn Prozent der Rezepte – wesentlich seltener als Hausärzte die vermeintliche Allzweckwaffe verordnen.
Die Auswertung wurde mithilfe der deutschlandweiten Arzneiverordnungsdaten erstellt. Erstmals wurde nach Angaben des Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung der gesamte Datenbestand patientenbezogen für eine Studie ausgewertet. So wurden alle Patienten berücksichtigt, die 2010 mindestens eine Antibiotika-Verordnung erhielten.
Regionale Auffälligkeiten bei der Antibiotika-Versorgung
In den Studienresultaten werden zahlreiche Auffälligkeiten deutlich. Im Westen Deutschlands stellten zum Beispiel mehr Ärzte ein Rezept für ein antibiotischen Medikament aus, als im Osten. Besonders viel Antibiotika wurden in dem kleinen Flächenland Saarland verabreicht. Mehr als jeder Dritte Saarländer (37 Prozent) schluckte im Jahre 2010 mindestens ein Packung Antibiotika. Schon an zweiter Stelle der Skala befinden sich Rheinland-Pfalz und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit jeweils 35 Prozent.
Mediziner in den ostdeutschen Ländern zeigten sich indes wesentlich zurückhaltender. Das Länder Brandenburg (25 Prozent) sowie Sachsen (28 Prozent) stellten bei der Antibiotika-Vergabe im Bundesgebiet das Schlusslicht, obwohl auch hier die Quote nach Meinung von Wissenschaftlern noch immer zu hoch sei.
Bis zu 50 Prozent der Kinder mit Antibiotika versorgt
Eine zweite Auffälligkeit überraschte die Forscher. Denn die regionalen Unterschiede änderten sich erneut, wenn es um die Antibiotika-Rezepte bei Kindern ging. In der Patientengruppe der unter 15Jährigen lag zwar das Saarland erneut an der Spitze, ebenso häufig verordneten Kinderärzte auch in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt Antibiotika an Kinder. 50 Prozent der jungen Patienten wurde hier ambulant mit einem antibiotischen Arzneimittel versorgt.
Unklar bleibt, wie diese regionalen Unterschiede zustande kommen. "Wir vermuten, dass die Erwartungen der Patienten und die Einstellung der Ärzte zu einer Antibiotika-Therapie wesentliche Einflussfaktoren sind", sagt Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des ZI. Das Institut will nun weitere Forschungen betreiben, um die regionalen Verschiedenheiten zu analysieren. Dazu sollen nunmehr auch die Daten zur Häufigkeit der Diagnosen mit hinzugezogen und bewertet werden.
Eine Studie kam zum Ergebnis, dass Ärzte oft unnötig Antibiotika verschreiben. bereits einfache Infektionen in Zukunft nicht mehr behandelt werden können. Der Infektionsspezialist Dr. Alexander Friedrich von der Universitätsklinik Münster befürchtet, das künftig schon einfache Infektionen nich mehr behandelt werden können, weil die Mittel nicht mehr wirken. (ag)
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