Erhöhtes Risiko für vorzeitigen Tod durch Kalzium-Ergänzungsmittel
Vor allem ältere Menschen nehmen häufig Kalzium-Präparate, um die Knochen zu stärken und das Risiko für Osteoporose zu verringern. Doch bei Menschen mit bestimmten Herzkrankheiten ist die Einnahme von Kalzium laut einer aktueller Studie mit einem höheren Risiko für einen vorzeitigen Tod verbunden.
Forschende der Cleveland Clinic Foundation haben eine Verbindung zwischen der Einnahme von Kalzium-Präparaten und einem höheren Risiko für einen vorzeitigen Tod bei Personen mit Herzklappenerkrankungen festgestellt. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Heart“ vorgestellt.
Aortenklappenstenose ist dritthäufigste Herzerkrankung
Die Aortenklappenstenose ist nach Bluthochdruck und koronarer Herzkrankheit die dritthäufigste Herzerkrankung in Deutschland. Es handelt sich dabei um einen Herzklappenfehler, bei dem die Aortenklappe verengt ist, wodurch der Blutstrom aus dem Herzen behindert wird.
Symptome wie Atemnot, Schwindel und Brustschmerzen können auf eine Aortenklappenstenose hinweisen. In den meisten Fällen treten jedoch erst im fortgeschrittenen Stadium ernsthafte Beschwerden auf.
Besonders bei Menschen über 75 Jahren ist die Aortenklappenstenose weit verbreitet. Bis zu fünf Prozent aller Personen dieser Altersgruppe sind davon betroffen. Gleichzeitig werden in dieser Personengruppe besonders häufig Kalzium-Ergänzungsmittel eingenommen, um die Gesundheit der Knochen zu fördern.
Was wurde untersucht?
Die Arbeitsgruppe dokumentierte die Herzgesundheit von 2.657 Teilnehmenden im Durchschnittsalter von 74 Jahren. Bei allen Probandinnen und Probanden wurde im Vorfeld eine leichte bis mittelschwere Aortenstenose diagnostiziert. Die Teilnehmenden wurden über durchschnittlich 5,5 Jahre medizinisch beobachtet.
Die Probandinnen und Probanden wurden je nach ihrer Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln in verschiedene Gruppen unterteilt. 49 Prozent nahmen gar keine Ergänzungsmittel ein, 12 Prozent nahmen regelmäßig Vitamin D, 39 Prozent Vitamin D plus Kalzium und weniger als fünf Prozent nahmen nur ein Kalzium-Präparat ein.
Schlechtere Gesundheit bei Nahrungsergänzungsmittel-Konsumenten
Die erste Beobachtung des Teams war, dass diejenigen, die Nahrungsergänzungsmittel einnahmen, mit höherer Wahrscheinlichkeit unter einer zusätzlichen chronischen Erkrankung wie Diabetes oder koronarer Herzkrankheit litten, als diejenigen, die keine Nahrungsergänzungsmittel konsumierten.
Im Rahmen der Nachbeobachtungszeit starben 540 Teilnehmende (20,5 Prozent). 774 Personen der Kohorte mussten sich einer Operation unterziehen, bei der die Aortenklappe ersetzt wurde. Bei rund einem Drittel der Gruppe verschlimmerte sich die Aortenstenose im Laufe von fünf Jahren.
Bei Kalzium-Einnahme stieg das Sterberisiko
Wie die Forschenden belegten, führte die Einnahme von Vitamin D nicht zu einem geringeren Risiko für einen vorzeitigen Tod. Wurde Vitamin D mit Kalzium kombiniert, stieg das Sterberisiko signifikant um 31 Prozent an. Das Risiko für einen Tod durch eine kardiovaskuläre Erkrankung verdoppelte sich sogar.
Darüber hinaus war bei der regelmäßigen Einnahme von Kalzium und Vitamin D das Risiko um 48 Prozent höher, dass die Herzklappe durch eine künstliche ersetzt werden musste. Bei der alleinigen Einnahme von Kalzium war das Risiko für eine solche Operation sogar fast verdreifacht.
Einschränkungen der Ergebnisse
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, kann keine Kausalität belegt werden. Zudem wiesen die Personen, die Nahrungsergänzungsmittel einnahmen, im Durchschnitt mehr Risikofaktoren für Herzkrankheiten auf als diejenigen, die keine Nahrungsergänzungsmittel konsumierten.
Dennoch legt die Studie nach Ansicht des Forschungsteams nahe, dass eine Kalzium-Ergänzung keinen kardiovaskulären Nutzen bringt und stattdessen mit einem höheren Gesamtrisiko für Herzklappen-Operationen und vorzeitigen Tod einhergeht.
Milliarden-Umsatz durch Nahrungsergänzungsmittel
Professorin Jutta Bergler-Klein von der Medizinischen Universität Wien weist in einem Begleitartikel zu der Studie darauf hin, dass jedes Jahr Milliarden Euro für Vitamin- und Mineralstoffpräparate ausgegeben werden.
Umdenken bei Osteoporose-Empfehlungen
Oft stehe die Annahme dahinter, dass dies der Gesundheit zugute kommt. Zur Zielgruppe gehören besonders häufig ältere Menschen. Laut Bergler-Klein sollte die Studie Ärztinnen und Ärzte, die Osteoporose behandeln, zum Nachdenken anregen.
„Bei Patienten mit kalzifizierter Aortenstenose und hohem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen untermauert die vorliegende Studie nachdrücklich, dass eine langfristige kontinuierliche Kalzium-Ergänzung vermieden werden sollte“, resümiert die Professorin. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Nicholas Kassis, Essa H Hariri, Antonette K Karrthik, et al.: Supplemental calcium and vitamin D and long-term mortality in aortic stenosis; in: Heart (2022), heart.bmj.com
- Jutta Bergler-Klein: Calcium, vitamin D and aortic valve calcification: to the bone or to the heart? in: Heart (2022), heart.bmj.com
- BMJ: Calcium supps linked to earlier death in older people with heart valve disease (veröffentlicht: 25.04.2022), eurekalert.org
- Internisten im Netz: Häufigkeit von Herzklappenfehlern (Abruf: 26.04.2022), internisten-im-netz.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.