Landessozialgericht Hessen: Kassenleistung trotz Privatbehandlung, wenn der Arzt nicht eindeutig auf die Privatleistung hinwies
16.08.2011
In einem neuerlichen Urteil entschied das Landessozialgericht in Hessen, dass privat-ärztliche Therapien von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden müssen, wenn der behandelnde Arzt im Vorfeld den Patienten hierüber nicht aufgeklärt hat.
Kassenpatienten können im Grundsatz nur medizinische Leistungen in Anspruch nehmen, wenn diese im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgeführt werden. Alle weitere Behandlungen müssen aus eigener Tasche bezahlt werden und gelten also sogenannte IGEL-Leistungen. Rät ein Arzt seinem Patienten zu einer Therapie, die nicht als Kassenleistung aufgeführt ist, muss dieser den Patienten darüber aufklären. Wird der Patient nicht aufgeklärt, muss er selbst für die Kosten aufkommen. Gegen diese Praxis der Kostenschieberei hat ein Mann aus Frankfurt am Main geklagt und bekam von Landessozialrichtern teilweise Recht zugesprochen.
Im konkreten Fall klagte ein Witwer, dessen bereits verstorbene Frau aufgrund einer Darmkrebs-Erkrankung in die Universitätsklinik in Frankfurt überwiesen wurde. Dort wurde eine spezielle Krebstherapie unternommen, die allerdings nicht als Kassenleistung aufgeführt ist. Der Hausarzt der Verstorbenen hatte die Krebsbehandlung verordnet, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Privat-ärztliche Behandlung handelte. Vor Ort unterschrieb die Patientin ein Formular für die Privatbehandlung. Die Klinik stellte später die Therapie in Rechnung. Zudem wurde bei der Krebspatientin eine andere Therapieform angewandt, als die von dem Hausarzt verordnet war. Nach der Klinikbehandlung stellte die Frau einen Erstattungsanspruch bei ihrer Krankenkasse. Die Kasse lehnte die Kostenübernahme ab und argumentierte, dass die Leistungen nicht erstattungspflichtig seien. Das durchgeführte Verfahren ist nicht Vertragsrechtlich anerkannt, wie es in einem Ablehnungsschreiben hieß. Eine vorangegangene Klage der Patientin wurde im Jahre 2008 durch ein Sozialgericht zurück gewiesen. Daraufhin legte die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht Hessen ein. Da die Klägerin an den Folgen ihrer Krankheit verstarb, übernahm der Ehemann als Erbe die Klage.
Die Richter am Landessozialgericht sahen die Sache insgesamt differenzierter. Die nicht erfüllte Auskunftspflicht des Arztes müsse der Krankenkasse zu Lasten gelegt werden. Darüber hinaus habe die Verstorbene nach Aussagen des Ehemanns noch nicht einmal davon Kenntnis gehabt, dass die Behandlung sich von der unterscheide, die eigentlich durch den Hausarzt verordnet wurde. Das unterschriebene Formular sei nach Ansicht des Gerichts unzureichend gewesen, weil seinerzeit nicht sofort kenntlich war, dass es sich um eine nicht-erstattungsfähige Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handelte. (Aktenzeichen: L 8 KR 313/08)
Der Kläger konnte nur einen Teilerfolg erreichen. Zwar wurde die Krankenkasse per Urteil dazu verpflichtet, die Behandlungskosten von insgesamt 18.500 Euro zu übernehmen, allerdings muss der Ehemann als Erbe den größten Anteil der Kosten tragen. Denn obwohl die Patientin durch den Ablehnungsbescheid der Krankenkasse davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass die Krebstherapie nicht zum Spektrum der kassenärztlichen Leistungen gehört, wurde die spezielle Behandlung damals fortgeführt. In der Folgezeit kamen somit noch einmal satte 50.000 Euro hinzu. Laut Urteilsbegründung muss nun der Kläger die Kosten selbst bezahlen. Lediglich der Zeitraum vor dem Schreiben muss von der Kasse erstattet werden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil die beklagte Krankenkasse nun Revision beim Bundessozialgericht beantragte. Kein Wunder, da ansonsten den Krankenkassen zukünftig Kosten in Millionenhöhe entstehen könnten, wenn Ärzte nicht eindeutig auf den Aspekt der privaten Behandlung hinweisen. Unverständlich bleibt, warum der Hausarzt oder die Klinik nicht mitverantwortlich gemacht werden. Dieser Aspekt spielte bei der Urteilsbegründung keine Rolle. (sb)
Bild: HHS / pixelio.de
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