Kassenpatienten müssen weiter lange auf eine Behandlung warten
09.10.2014
Einem Entwurf des Gesundheitsministeriums zufolge müssen Kassenpatienten auch zukünftig lange Wartezeiten für einen Facharzttermin in Kauf nehmen, da die Große Koalition die geplante Termingarantie wieder aufweicht.
Demnach werde die Garantie für einen Termin innerhalb von vier Wochen an bestimmte Voraussetzungen gekoppelt. So muss eine Behandlung innerhalb dieses Zeitraumes tatsächlich auch „medizinisch erforderlich“ sein. „Wenn keine Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand ohne Behandlung verschlechtert oder eine längere Verzögerung zu einer Beeinträchtigung des angestrebten Behandlungserfolges führt“ ist die vier Wochen Frist obsolet. Termine müssen dann nur noch in einer „angemessenen Frist“ vermittelt werden, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtet. Was eine angemessene Frist ist, ist im Arbeitsentwurf allerdings nicht geregelt.
Eine weitere Voraussetzung ist demnach das Vorliegen einer ärztlichen Überweisung zum Facharzt.
Ausnahmen davon sollen nur für Termine beim Kinder-, Frauen- oder Augenarzt gelten.
Sollten die geplanten und von den Kassenärzten abgelehnten Servicestellen trotz erfüllter Voraussetzungen keinen Termin innerhalb von vier Wochen anbieten können, so muss den Patienten ein Termin in einer Klinik angeboten werden.
Die Ursache für die Engpässe bei der Terminvergabe bei Fachärzten sehen die Experten klar und deutlich: Laut „Plusminus“ ist die Bedarfsermittlung seit 1993 nicht mehr aktualisiert worden. Theoretisch gebe es demnach offiziell keinen Fachärztemangel, sondern sogar einen Überschuss. Das bezweifeln jedoch selbst die Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung.
"Die Statistik zur Versorgungslage ist das eine – die Realität, wie sie die Patienten im Alltag erleben, ist das andere", zitiert Plusminus Johannes Fechner. Auch der Sachverständigenrat Gesundheit kritisiert in seinem Gutachten, "dass es bis heute keine wirkliche Bedarfsermittlung gibt".
Dazu Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrates Gesundheit in dem Magazin: "Bis heute geht man davon aus – wie wir glauben fälschlicherweise – dass das auch tatsächlich dem echten Bedarf entspricht. Das kann eigentlich nicht so sein. Denn die Menschen sind älter geworden, die Medizin hat sich weiterentwickelt, wir brauchen eigentlich eine neue, wissenschaftlich fundierte Bedarfsplanung."
Wie die aussehen könnte, zeigt eine Studie der Bertelsmannstiftung. Danach gibt es in knapp der Hälfte der Kreise in Deutschland beispielsweise bei Frauenärzten eine Unterversorgung, während die offizielle Bedarfsplanung diese nicht sieht.
Dr. Michael Elsberger, Gynäkologe bestätigt dies in dem ARD Magazin: "Momentan ist in unserer Praxis die Wartezeit auf einen Routinetermin etwa vier bis sechs Monate." Um mehr Patientinnen behandeln zu können, würde er stundenweise gerne einen Arzt anstellen. Abrechnen kann er das aber nur, wenn die Kassenärztliche Vereinigung es genehmigt.
"Das hat leider nicht geklappt. Ich habe mich zwar längere Zeit darum bemüht. Aber entweder es ging nicht oder ich zahl es aus meiner eigenen Tasche." Abgelehnt, weil es im Kreis Wunsiedel in Oberfranken angeblich schon zu viele Gynäkologen gibt – laut Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung. Wie der Gesundheitsminister seine Termingarantie erreichen will, ist Experten schleierhaft.
In Kraft treten soll „Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ laut Kölner Stadtanzeiger nicht vor Herbst 2015. Zuvor muss es im Mai nächsten Jahres noch den Bundestag und den Bundesrat passieren, danach haben die Kassenärztlichen Vereinigungen sechs Monate Zeit die Servicestellen einzurichten. Ob das Gesetz seinen Zweck erfüllen kann, bleibt vor den genannten Hintergründen fraglich. (jp)
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