Geringeres Asthma-Risiko bei häufigem Kontakt mit Keimen
23.03.2012
Eine keimfreie Umgebung erhöht das Risiko von Autoimmunerkrankungen. Denn der Kontakt mit Keimen während „der frühen Kindheit wird mit einem Schutz vor Autoimmunerkrankungen wie entzündliche Darmerkrankungen und Asthma assoziiert, so das im Fachmagazin „Science“ veröffentlichte Ergebnis einer Studie von Forschern der Harvard Medical School in Boston und des Universitätsklinikums in Kiel.
Im Versuch mit Mäusen konnten die Forscher frühere Forschungsergebnisse bestätigen, denen zufolge die deutliche Zunahme bei den Autoimmunkrankheiten auf die möglichst keimfrei gehaltene Umgebung zurückgeht. Hatten die Tiere in Kindesalter keinen beziehungsweise kaum Kontakt mit Mikroben, so reicherten sich sogenannte natürliche T-Killerzellen in speziellen Gewebeschichten (der Lamina propria) an, wodurch die Tiere vermehrt unter chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Asthma litten, berichten die Wissenschaftler in dem Fachjournal „Science“.
Keimfreie Umgebung fördert Autoimmunerkrankungen
Bereits seit längerem besteht der Verdacht, dass die keimfreie Umgebung im Kindesalter, dass Auftreten von Autoimmunerkrankungen und Allergien im späteren Lebensverlauf begünstigt. Die Forscher um Torsten Olszak (ehemals Harvard Medical School, heute Ludwig-Maximilians-Universität München) haben im Rahmen ihrer Studie nun den Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Autoimmunerkrankungen und dem mangelnden Kontakt mit Keimen während der frühen Kindheit entschlüsselt. Offenbar haben die Keime bei Mäusen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Immunzellen, berichten die Forscher. Die Wissenschaftler hatten im Rahmen ihrer Studie die Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen bei normalen Labormäuse und besonders keimfrei gehaltenen Tieren verglichen. „Deren Haltung war aufwendig, sie leben in extra abgeschotteten Plastikbehältern und erhalten speziell aufbereitetes Futter“, erläuterte Torsten Olszak.
Keimfreie Umgebung begünstigt die Anreicherung von T-Killerzellen
Die Versuche hätten gezeigt, dass „die keimfreien Mäuse“ im Vergleich zu den gewöhnlichen Labormäusen „besonders viele natürliche Killer-T-Zellen in der Lunge und im Darm haben“, betonte Olszak. Nach Aktivierung schütten diese natürlichen T-Killerzellen „eine Reihe von Botenstoffen aus, die bei Autoimmunkrankheiten und Entzündungen eine Rolle spielen“, berichtet der Experte. Im Ergebnis waren die keimfreien Mäuse deutlich anfälliger für Asthma und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Daraus ergab sich die Frage, was dagegen getan werden könnte, so Olszak weiter. Hier testeten die Forscher verschiedene Situationen. So wurden die keimfreien Mäuse zum Beispiel im Alter von etwa acht Wochen (ab diesem Alter gelten Mäuse als erwachsen) mit den anderen Labormäusen in einen gemeinsamen Käfig gesteckt, in der Hoffnung das Immunsystem könnte sich möglicherweise auch später noch anpassen. Die bereits im Kindesalter entwickelte Anfälligkeit des Immunsystems ließ sich auf diesem Wege jedoch nicht beheben.
Keime verändern offenbar die Aktivität der Gene
„Dann setzten wir schwangere Mäuse aus der keimfreien Population in Käfige mit normalen Labormäusen und ließen sie dort ihre Babys bekommen“, wodurch der Nachwuchs sofort Kontakt mit den natürlich vorkommenden Keimen hatte, erklärte Torsten Olszak. Bei den so geborenen Tieren habe sich die Anzahl von natürlichen Killer-T-Zellen normalisiert und sie wiesen eine deutlich geringere Anfälligkeit für Asthma und oder die entzündliche Darmerkrankungen auf, so Olszak weiter. Auch stellte sich die Frage, „wie sich die erwachsene, keimfreie Maus ‘merken’ kann, dass keine Bakterien zu Beginn des Lebens da waren“, erläuterte der ebenfalls an der Studie beteiligte Biologe Andre Franke von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Hier stellten die Forscher fest, dass die Informationen offenbar nicht durch direkte Genveränderungen weitergegeben werden, sondern sich lediglich die Aktivität der Gene ändert. „Wir konnten also erklären, warum ein Protein des Immunsystems bei den keimfreien Mäusen häufiger vorkommt“, betonte Franke.
Hygiene-Hypothese als Erklärung für Autoimmunerkrankungen und Allergien
Die aktuellen Forschungsergebnisse stützen in besonderer Weise die sogenannte Hygiene-Hypothese, der zufolge die keimfreie Umgebung im Kindesalter einen erheblichen Einfluss auf Autoimmunerkrankungen und Allergien im späteren Lebensverlauf hat. Dies betonten auch die Autoren des Begleitartikels zu dem Beitrag von Olszak und Kollegen. Hier werden erstmals eindeutige Beweise für etwas liefert, „dass wir seit Jahrzehnten beobachten, aber nicht verstanden haben“, schreiben die US-Wissenschaftler. Anfang des letzten Jahres hatten Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in dem Fachmagazin die Auswertung zweier umfassender Studie vorgestellt, denen zufolge der häufigere Kontakt von Landkinder mit Mikroorganismen, diese seltener an Asthma erkranken ließ, als Stadtkinder. Dabei wurden auch einige Bakterienarten identifiziert, die möglicherweise zur Reduzierung des Asthma-Risikos beitragen können. Hier wollen die Autoren der aktuellen Studie anknüpfen und herausfinden, welche Bakterien sich als besonders schützend gegenüber den Autoimmunerkrankungen erweisen. Allerdings müsse vorerst noch überprüft werden, ob die bei Mäusen festgestellten Wirkungszusammenhänge auch auf den Menschen übertragen werden können, schreiben Olszak und Kollegen. Angesichts der Vielzahl an Studien die mittlerweile eine positive Wirkung des Kontakts mit Keimen während der Kindheit belegen, sollten Eltern jedoch schon jetzt auf übertriebene Hygiene beim Nachwuchs besser verzichten. Spielen im Dreck könnte förderlicher für die Gesundheit sein, als viele andere Bemühungen. (fp)
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Bild: Albrecht E. Arnold / pixelio.de
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