Bremer Klinikum: Desinfektionsmittel-Automat Quelle multiresistenter Keime?
09.06.2012
Das Auftreten von multiresistenten Keimen auf der Frühchenstation im Klinikum Bremen-Mitte scheint kurz vor der Aufklärung zu stehen. Ein Automat zur Herstellung von Desinfektionslösungen steht im Verdacht als mögliche Quelle der Erreger.
Ende 2011 hatten sich mehrere Frühchen mit multiresistenten Keime im Klinikum Bremen-Mitte aus der Gattung der Klebsiella-Bakterien infiziert. Drei der infizierten Frühchen überlebten die Erkrankung nicht. Die Frühchenstation wurde geschlossen, desinfiziert und umgebaut, doch unmittelbar nach der Wiedereröffnung wurden die gleichen multiresistente Keime erneut bei einem Frühchen nachgewiesen. Nun kommen Hygieneexperten zu dem Schluss, dass möglicherweise ein Automat zum Herstellen von Desinfektionslösungen Ursache für die Übertragung der antibiotikaresistenten Darmbakterien war.
Biofilm im Desinfektionsmittel-Automaten
Laut Angaben des Klinikums wurde bei dem Automaten zur Herstellung der Desinfektionslösung in dem Schlauch für die Frischwasserzufuhr genetisches Material der Klebsiella-Bakterien nachgewiesen. Dies sei „eine mögliche Quelle“ für die Infektionen der Frühchen, erläuterte der Hygieneexperte Prof. Martin Exner, am Freitag in Bremen. Als externer Fachmann wurde der Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Universität Bonn, Prof. Exner, zur Aufklärung der rätselhaften Keimfunde im Klinikum Bremen-Mitte hinzugezogen. Zwar müsse noch untersucht werden, ob die entdeckten Keime in dem Automaten tatsächlich mit den Stamm, der seit Monaten für Aufsehen sorgt, genetisch übereinstimmen, doch die Experten zeigten sich zuversichtlich, endlich die Infektionsquelle ausfindig gemacht zu haben. Mit den Untersuchungsergebnissen zu den Bakterien aus dem Schlauch des Automaten sei jedoch erst in ein bis zwei Wochen zu rechnen. Erst dann lässt sich mit Sicherheit sagen, inwiefern der Automat zur Herstellung der Desinfektionslösung bei den tödlichen Infektionen der Frühchen im Klinikum Bremen-Mitte eine Rolle gespielt hat.
Bakterienklumpen gelangen in die Desinfektionslösung
Der Hygieneexperte Prof. Exner erläuterte, dass möglicherweise ganze Bakterienklumpen aus dem Schlauch für die Frischwasserzufuhr in die Desinfektionslösung gelangt sind und dort überleben konnten. Vermutlich über Jahre habe sich in dem Schlauch ein sogenannter Biofilm entwickelt und ein Milieu geschaffen, in dem Bakterien sich gut vermehren und sehr lange überdauern konnten. Allerdings bleibe die Frage offen, wie die Klebsiella-Bakterien überhaupt in den Schlauch gelangen konnten, so Exner weiter. Inwieweit mit dem Automaten nun die Infektionsquelle gefunden sei, lasse sich derzeit noch nicht sagen, doch hier wurde ein neuer „wichtiger Punkt“ entdeckt, „dem wir nachgehen müssen“, betonte der Hygieneexperte.
Die Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) verwies auf die Übereinstimmungen zwischen dem bisherigen Auftreten der Infektionen und den von Exner beschriebenen möglichen Vorgängen in dem Automaten. „Die Spuren passen auf das, was an Beobachtung da ist“, betonte Jürgens-Pieper. Eine sporadische Ablösung von Bakterienklumpen stehe im Einklang mit dem plötzlichen und massiven Auftreten der Infektionen.
Multiresistente Keime im Bremer Klinikum seit langem ein Problem
Zu dem Weg, auf dem die resistenten Darmbakterien in die Klinik gelangt sind, erklärten die Experten, dass der bis dato in Deutschland nicht nachgewiesene Klebsiella-Stamm vermutlich im Jahr 2009 von einem Kind aus dem Ausland eingeschleppt wurde. Im Frühjahr 2011 sei es dann erstmals zu einem Keimausbruch auf der neonatologischen Intensivstation des Klinikums gekommen. Im weiteren Verlauf infizierten sich mehrere Frühgeborene mit den multiresistenten Keimen und drei von ihnen starben Ende des Jahres 2011 an den Folgen der Infektion. Mehrere Stationen wurden geschlossen, umfassende Hygienemaßnahmen durchgeführt und dennoch wurden bereit kurz nach der Wiedereröffnung Anfang 2012 erneut multiresistente Erreger nachgewiesen. Wieder starben zwei der infizierte Säuglinge, wobei hier jedoch kein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Tod der Frühchen und der Infektion mit dem Klebsiella-Stamm hergestellt werden konnte. Die Neonatologie am Klinikum Bremen-Mitte wurde von der Bremer Gesundheitssenatorin endgültig geschlossen und ein Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Infektionen mit den multiresistenten Erregern einberufen.
Austausch er Desinfektionsmittel-Automaten geplant
Um in Zukunft Infektionen mit multiresistenten Keimen über die Desinfektiosmittel-Automaten zu vermeiden, soll laut Auskunft der Bremer Gesundheitssenatorin und der Geschäftsführerin des Klinikverbundes Nord, Jutta Dernedde, gemeinsam mit dem neuen Krankenhaushygieniker des Klinikums Bremen-Mitte, Martin Eikenberg, ein Maßnahmenplan zur Sanierung und Überwachung aller Desinfektionsmittel-Dosieranlagen erstellt werden. Zur Vermeidung von Gesundheitsrisiken für die Patienten, müssen „wir sofort Wartung oder Austausch auf den Weg bringen“, betonte die Geschäftsführerin des Klinikverbundes. Gleichzeitig warben die Verantwortlichen um Vertrauen.
Hygieneexperte Exner betonte, dass in dem Bremer Klinikum wichtige Verbesserungen umgesetzt würden. Auch seien Infektionen durch bestimmte Arten von resistenten Bakterien nicht ein auf das Klinikum Bremen-Mitte beschränktes Problem, sondern werden seiner Überzeugung nach in Zukunft deutschlandweit zu einer wachsenden Herausforderung. Da die Entwicklung neuer Antibiotika zur Behandlung der multiresistenten Erreger nicht in Sicht sei, bleibe die strikte Einhaltung von Hygienemaßnahmen die einzige Option zum Schutz vor den gefährlichen Keimen. (fp)
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