LSG Celle: Droge ist keine zulässige Ausweichbehandlung
Ärzte dürfen Cannabis nicht gegen ADHS verordnen. Der Nutzen sei umstritten und Cannabis ohnehin nur zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen gedacht, betonte das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem am Montag, 10. Dezember 2018, veröffentlichten Beschluss (Az.: L 16 KR 504/18 B ER). Die Droge sei hier „keine anerkannte Ausweichbehandlung”.
Seit März 2017 können Ärzte Cannabis auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen verordnen. Voraussetzung ist laut Gesetz, dass dies zumindest Linderung für eine „schwerwiegende Erkrankung” verspricht. Zudem darf es keine schulmedizinischen Alternativen geben oder diese dürfen dem Patienten nach Einschätzung des Arztes nicht zumutbar sein, etwa wegen starker Nebenwirkungen. Wie weit danach der Anwendungsbereich von Cannabis ist, wird von den LSGs noch unterschiedlich bewertet (hierzu Beschlüsse des Hessischen LSG in Darmstadt vom 4. Oktober 2017, Az.: L 8 KR 255/17 B ER und weitere; JurAgentur-Meldung vom 16. November 2017).
Der inzwischen 31-jährige Kläger in dem neuen Fall hat Depressionen, Konzentrations- und Schlafstörungen sowie einen verstärkten Bewegungsdrang mit teilweisem Verlust der Impulskontrolle. Wegen ADHS wurde er zunächst mit dem Medikament Ritalin behandelt; dies verursachte aber Schwäche, Appetit- und Kraftlosigkeit.
Auf die Verordnung eines umstrittenen Arztes bekam der Kläger bereits 2015 eine Ausnahmegenehmigung für den Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten. Der Arzt hat inzwischen seine Zulassung verloren und die Ausnahmegenehmigung wurde widerrufen.
Im Mai 2017 verordnete ihm ein Allgemeinmediziner auf Privatrezept Cannabis. Seinen Antrag auf Kostenübernahme lehnte die Krankenkasse ab.
Zu Recht, wie nun zunächst im Eilverfahren das LSG Celle entschied. Eine „schwerwiegende Erkrankung” sei hier nicht ansatzweise nachgewiesen. Auch gebe es erhebliche Zweifel am Nutzen von Cannabis bei ADHS; belege dafür gebe es bislang nicht. Umgekehrt könne die Droge die Symptome und Wahrscheinlichkeit von ADHS im Erwachsenenalter sogar steigern.
Im konkreten Fall sei zudem die Diagnose ADHS noch nicht einmal gesichert, so das LSG in seinem Beschluss vom 27. November 2018. Der Arzt habe die Droge nur ein einziges Mal verordnet. Er habe lediglich die begonnene Behandlung fortsetzen wollen, um die Sache abzuklären. Inzwischen habe sich seine Praxis gegen weitere Cannabis-Verordnungen entschieden. Der Kläger sei völlig auf die Droge fixiert.
Nach Angaben des LSG Celle werden die Sozialgerichte zunehmend mit ähnlichen Klagen befasst. Offenbar habe die 2017 geschaffene Verordnungsmöglichkeit von Cannabis falsche Vorstellungen geweckt. „Cannabis soll schwere Krankheiten lindern, es ist keine beliebige Behandlungsalternative oder Hilfe zur Alltagsbewältigung”, betonte Gerichtssprecher Carsten Kreschel. mwo/fle
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