BGH: Keine haftungsbegründende Pflichtverletzung des TÜV Rheinland
Der TÜV Rheinland haftet nicht für die mangelhaften Brustimplantate des französischen Herstellers PIP. Im Rahmen seiner engen Prüfaufgaben habe er keine Pflichten verletzt, urteilte am Donnerstag, 22. Juni 2017, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Az.: VII ZR 36/14). Danach betraf die Zertifizierung lediglich das Herstellungsverfahren, für die Qualität des Endprodukts sei der TÜV deshalb nicht verantwortlich.
Damit wies der BGH die Schadenersatzklage einer Betroffenen ab und setzte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg vom Februar 2017 um.
Die Brustimplantate des inzwischen insolventen französischen Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP) wurden zehntausendfach weltweit verkauft. Sie enthielten nicht das übliche Spezial-, sondern billigeres Industriesilikon. Die Unternehmensführung wurde deswegen in Frankreich bereits wegen Betrugs verurteilt.
Nach einer Schätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) haben sich in Deutschland rund 6.000 Frauen PIP-Implantate einsetzen lassen. Nachdem sich Berichte über geplatzte und undichte Silikonkissen häuften, stoppten die französischen Behörden im April 2010 den Vertrieb.
Da sich nicht vorhersagen lässt, ob und wann es Probleme mit den Implantaten gibt, hatte das BfArM Anfang 2012 betroffenen Frauen empfohlen, PIP- Implantate wieder entfernen zu lassen. Dem war im Streitfall auch die Klägerin gefolgt.
Um die Kosten trotz der PIP-Insolvenz ersetzt zu bekommen, hatten zahlreiche Frauen zunächst gegen die operierenden Ärzte geklagt. Dies hatte vor den Gerichten in Deutschland aber keinen Erfolg (so OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. April 2016, Az.: 7 U 241/14; JurAgentur-Meldung vom 21. April 2016 mit weiteren Verweisen).
Letzte Hoffnung für Tausende Frauen war daher der TÜV Rheinland. Hintergrund ist, dass die Vergabe des europäischen CE-Siegels bei Medizinprodukten mit der Zertifizierung durch ein außenstehendes Unternehmen verbunden ist. PIP hatte hierfür den TÜV Rheinland beauftragt, der das Siegel erteilte.
Im konkreten Fall forderte die Klägerin Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro. Wie in erster Instanz das Landgericht Frankenthal hatte auch das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken die Klage abgewiesen (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 30. Januar 2014, Az.: 4 U 66/13).
Der danach angerufene BGH legte den Streit zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vor. Der entschied am 16. Februar 2017, dass die CE-Zertifizierung auch bei Medizinprodukten bislang nicht mit einem umfassenden Überwachungsauftrag verbunden ist; die Außenprüfung beziehe sich nur auf das Herstellungsverfahren und nicht das Produkt selbst (Az.: C-219/15; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag).
Nach dem EuGH-Urteil wäre eine Haftung des TÜV Rheinland daher nur dann in Betracht gekommen, wenn der TÜV auch seine sehr engen Prüfpflichten verletzt hätte.
Dies, so nun der BGH, war nicht der Fall. Der TÜV habe keine Hinweise auf den Betrug gehabt. Unangekündigte Besuche seien ebenso wenig vorgeschrieben gewesen wie eine Kontrolle der Geschäftsunterlagen oder Stichproben-Prüfungen des Produkts selbst.
Unangekündigte Kontrollen und Stichproben-Prüfungen sind inzwischen möglich. Nach der am 25. Mai 2017 in Kraft getretenen neuen EU-Medizinprodukteverordnung sind solche umfassenderen Prüfungen ab 2020 verbindlich vorgeschrieben.
mwo/fle
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