Gefährliche Keime in Kieler Universitätsklinikum: Fünf Todesfälle
24.01.2015
In der Universitätsklinik Kiel hat sich ein gegen Antibiotika resistenter Keim ausgebreitet. Fünf schwerkranke Patienten starben nach einer Infektion. Noch ist nicht geklärt, ob dafür der gefährliche Erreger oder Vorerkrankungen verantwortlich waren. Mehrere Patienten werden derzeit behandelt, einige Station wurde geschlossen.
Multiresistente Keime in Kieler Uni-Klinik
In der Kieler Uniklinik sind fünf Patienten nach der Ausbreitung von gefährlichen Bakterien gestorben. Alle von ihnen waren bereits vorher schwerkrank. Wie der Chef des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel, Prof. Jens Scholz, laut der Nachrichtenagentur dpa mitteilte, sei es eine offene Frage, ob jeweils allein die Vorerkrankungen oder auch die multiresistenten Keime den Tod verursacht oder mitverursacht haben. Mit dem Erreger infizierten sich den Angaben zufolge insgesamt mehr als 19 Patienten. Derzeit sei noch bei 14 weiteren Patienten das gegen vier wichtige Antibiotikaklassen resistente Acinetobacter baumannii nachgewiesen. Scholz erklärte, warum die genaue Zahl aller bisher Infizierten noch nicht genannt wurde: „Wir haben angesichts der Kürze der Zeit noch nicht nachzählen können.“ Zum Alter der Betroffenen sowie ihren Vorerkrankungen machte er ebenso keine Angaben.
Gesundheitsamt wurde bereits im Dezember informiert
Zuvor hatte der Sprecher des UKSH, Oliver Grieve, mitgeteilt, dass die gestorbenen Patienten zwischen 25 und 80 Jahre alt gewesen seien. In einer Mitteilung war zunächst nur über zwölf Infizierte informiert worden. Wie es weiter hieß, sei das Kieler Gesundheitsamt am 23. Dezember über das gehäufte Auftreten des Keims unterrichtet worden. Scholz berichtete in einer Sondersitzung des Sozialausschusses des Landtages, das Ministerium sei gerade erst informiert worden. Bärbel Christiansen, verantwortliche Hygiene-Ärztin am UKSH, versicherte, dass die üblichen Meldewege eingehalten worden seien. Sowohl die Hygienemaßnahmen seien vorschriftsmäßig erfolgt als auch genügend Personal eingesetzt worden.
Teil der Klinik vorerst geschlossen
Die Keime, die in der Klinik aufgetaucht sind, zählen zu den sogenannten MRGN (multiresistenten gramnegativen Erregern). Für den Menschen sind sie normalerweise nicht gefährlich, doch bei immungeschwächten Menschen können sie Lungenentzündungen, Wundinfektionen und Sepsis verursachen. Wenn es sich um multiresistente Formen handelt, wird die Behandlung erheblich erschwert, da nur noch wenige Mittel überhaupt gegen die Infektion helfen. Es wurde mitgeteilt, dass die internistische Intensivstation der Kieler Klinik für Neuaufnahmen bis auf weiteres geschlossen wurde. Zudem wurde eine von insgesamt drei Einheiten der operativen Intensivstation isoliert, um die dort liegenden Infizierten gesund zu pflegen. Wie es weiter hieß, blieben die Stationen geschlossen, bis die dortigen Patienten entlassen worden seien. Des Weiteren wird mit einem umfassenden Screening nach weiteren möglicherweise Infizierten gesucht. Sämtliche Räumlichkeiten und Geräte sollen gründlich desinfiziert werden.
Erster Patient zeigte keine typischen Symptome
Der erste Patient, bei dem der Keim im Dezember nachgewiesen wurde, sei den Angaben zufolge ein 1940 geborener deutscher Urlauber gewesen, der aus der Türkei kam. Beim Eintreffen im UKSH am 11. Dezember habe der Mann keine typischen Symptome gezeigt, was zu Folge hatte, dass kein sogenanntes Screening – eine Untersuchung auch auf Keime – erfolgte. Mit dem 3. Januar sei eine erste Phase von Übertragungen des Erregers bei drei Patienten abgeklungen, dann sei jedoch in einem anderen Gebäudeteil ein zweiter Fall aufgetreten. Es handelte sich dabei um einen Patienten, der in Mallorca in einem Krankenhaus gewesen sei. Zwei völlig getrennte Fälle seien zwar denkbar, meinte Christiansen, doch sie halte dies für sehr unwahrscheinlich. Sie betonte, dass man die Situation im Griff habe.
Patientenschützer äußern heftige Kritik
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht das etwas anders und äußerte massive Kritik. „Das Uni-Klinikum Kiel scheint beim Management von multiresistenten Keimen und infizierten Patienten überfordert zu sein“, mutmaßte Vorstand Eugen Brysch. „Wie kann ein Patient aufgenommen werden, ohne ihn vorher einem Screening zu unterziehen? Warum wurde die Behörde über die Infektion erst zwei Wochen später informiert?“ Laut der Stiftung sterben jährlich etwa 40.000 Menschen an Krankenhausinfektionen. „Davon wären 20.000 durch Hygienemaßnahmen vermeidbar“, so Brysch.
Direkte und indirekte Übertragung möglich
Hierzulande spielt Acinetobacter baumannii bisher eine vergleichsweise geringe Rolle. In verschiedenen anderen Ländern zählt er jedoch zu den wichtigsten Krankenhauskeimen überhaupt, insbesondere auf Intensivstationen. Daher gehen Ausbrüche in Deutschland oft auf Patienten zurück, die zuvor im Ausland behandelt wurden. Eine Übertragung kann über direkten Körperkontakt oder auch indirekt über Gegenstände oder die Luft erfolgen. In trockener Umgebung können die Erreger lange überleben.
Fernreisende bringen oft unbemerkt gefährliche Bakterien mit
Wie problematisch es ist, wenn Reisende multiresistente Keime einführen, haben kürzlich auch deutsche Forscher betont. So zeigt eine Studie von Mikrobiologen des Universitätsklinikums Leipzig, dass ein Drittel aller Fernreisenden in Risikogebieten gefährliche Bakterien, gegen die kaum ein Antibiotikum wirkt, unbemerkt mit nach Hause bringen. Den Wissenschaftlern zufolge bieten einfache Hygienemaßnahmen wie gründliches Händewaschen und die Verwendung verpackter Getränke während der Reise keinen ausreichenden Schutz. Dr. Christoph Lübbert, Leiter des Fachbereichs Infektions- und Tropenmedizin am Universitätsklinikums Leipzig, erläuterte, dass ein „systematisches Aufnahmescreening“ bei Patienten, die während des vergangenen halben Jahres vor einer Aufnahme in eine Klinik in bestimmten Ländern waren, eine vorbeugende Wirkung hätte. (ad)
Bild: Urs Mücke / pixelio.de
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