BGH: bei drohender Kindesentführung aber keine Passherausgabe
Nehmen getrennt lebende Eltern ihr Sorge- oder Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Kind wahr, muss ihnen der Ex-Partner auf Verlangen hierfür grundsätzlich auch den notwendigen Kinderreisepass aushändigen. Denn von dem anderen Elternteil können „all diejenigen persönlichen Gegenstände, Kleidung und Urkunden” verlangen, die während des Aufenthalts voraussichtlich benötigt werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) (Az.: XII ZB 345/18). Nur im Ausnahmefall könne die Herausgabe der Dokumente verweigert werden, etwa bei konkreten Hinweisen einer drohenden Kindesentführung, so die Karlsruher Richter.
Im entschiedenen Rechtsstreit hatte eine Asylbewerberin aus Kamerun von ihrem früheren Lebensgefährten den Kinderreisepass des gemeinsamen, heute dreijährigen Kindes verlangt. Die Eltern üben das gemeinsame Sorgerecht aus, das Kind lebt allerdings bei der Mutter. Die Frau macht derzeit ihre Ausbildung in Deutschland.
Der Ex-Partner wollte ihr den Kinderreisepass nicht aushändigen. Er befürchtete, dass die Mutter nach Kamerun ausreisen und das Kind entführen könnte.
Diese Gefahr sah zwar das Oberlandesgericht Stuttgart wegen der Verwurzelung der Mutter in Deutschland nicht. Eine Herausgabe des Kinderreisepasses könne die Mutter dennoch wegen fehlender Rechtsgrundlage nicht verlangen.
In seinem Beschluss vom 27. März 2019 folgte dem der BGH im Ergebnis nicht. Zwar bestehe hier eine Gesetzeslücke. Dennoch könne die Mutter den Kinderreisepass für das gemeinsame Kind einfordern.
Dies gehe allerdings nicht auf einen Eigentumsanspruch zurück. Denn der Kinderreiseausweis sei Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Eltern könnten sich jedoch auf ihr Recht zur Personensorge berufen, also das Recht, das Kind zu pflegen, erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Gleiches gelte für ein reines Umgangsrecht.
Um diese Rechte und Pflichten wahrnehmen zu können, müsse der jeweilige Elternteil in die Lage versetzt werden, „die gemeinsame Zeit mit dem Kind ungestört und damit kindeswohldienlich zu verbringen”, so der BGH. Hierfür müssten dem berechtigten Elternteil „all diejenigen persönlichen Gegenstände, Kleidung und Urkunden herausgegeben werden, die das Kind während seines Aufenthalts” bei dem getrennt lebenden Elternteil benötigt.
Eltern seien zudem zum „Wohlverhalten” verpflichtet und müssten alles unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt.
Nur im Einzelfall dürfe daher die Herausgabe des Kinderreiseausweises verweigert werden, etwa wenn es konkrete Hinweise einer geplanten Kindesentführung gebe.
Hier befinde sich die Mutter in Ausbildung und sei in Deutschland verwurzelt. Eine Kindesentführung sei nicht zu befürchten. Sie könne daher die Herausgabe des Kinderreisepasses für das gemeinsame Kind verlangen, urteilte der BGH. fle/mwo
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