Kindgerechtes Krafttraining kann adipösen Kindern helfen
24.02.2015
Ob Hanteltraining, Zumba oder Pilates: Nach einem langen Tag im Büro treibt es viele Erwachsene nach Feierabend in die Fitness-Studios, um durch Sport und Entspannung dem Körper etwas Gutes zu tun. Dabei richten sich die Angebote der Studios längst nicht mehr nur an die Großen, stattdessen gibt es immer häufiger spezielle Krafttrainings, Yoga– oder Tanzkurse, die an Kinder und Jugendliche adressiert sind. Was von vielen kritisch beäugt wird, könnte jedoch gerade für junge Menschen mit Übergewicht eine sinnvolle Alternative zu Ausdauersportarten wie Laufen oder Schwimmen darstellen.
Flächendeckender Trend noch nicht erkennbar
„Kinder und Jugendliche als neue Zielgruppe für Fitness und Kraftsport?“ Diese Frage könnte man sich angesichts von Kinder-Yoga und 16-jährigen an der Hantelbank schnell stellen. Doch aus Sicht des Geschäftsführers des Arbeitsverbands der Deutschen Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV), Refit Kamberovic, sei noch kein „Fitness-Boom“ unter Jugendlichen auszumachen: „Sicher, vereinzelt gibt es solche Angebote, aber von einem flächendeckenden Trend kann man meiner Ansicht nach nicht sprechen“, so der Experte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.). In vielen Fällen würde sich dies laut Kamberovic auch gar nicht rechnen, denn in Sportvereinen könnten junge Menschen oft viel günstiger und kindgerechter trainieren. Zudem sei gerade im Bereich Kraft- und Ausdauertraining die Nachfrage derzeit noch nicht groß genug, sodass es sich für viele Studios nicht lohnen würde, die speziell auf Kinder ausgerichteten Geräte anzuschaffen.
Krafttraining könnte gute Erfolge bei Adipositas bringen
Dennoch käme mit dem Angebot eines speziellen Trainings für junge Menschen zukünftig eine wichtige Aufgabe auf die Sportstudios zu, denn „die Zahl der adipösen Kinder und Jugendlichen steigt stetig. Dass diese jungen Menschen Spaß an Bewegung und Sport bekommen, ist die gemeinsame Verantwortung von Eltern, Schulen, Sportvereinen und eben der Fitnessbranche“, so Kamberovic weiter gegenüber der Zeitung. Kraftsport als Hilfe beim Abnehmen? Für Experten wie Professor Dietmar Schmidtbleicher vom Institut für Sportwissenschaften der Frankfurter Universität durchaus ein sinnvoller Ansatz: „In den Vereinigten Staaten konnten Untersuchungen nämlich zeigen, dass Krafttraining für adipöse Kinder gute Erfolge zeigt“, erklärt der Professor gegenüber der F.A.S. Hierzulande sei es jedoch weiterhin üblich, dass Kinder mit Übergewicht und Adipositas zu Ausdauersportarten wie Laufen oder Schwimmen angehalten würden, „da Ausdauertraining gleich Kalorienverbrennen heißt“. Für die Betroffenen bedeute dies hingegen häufig Frustration und kaum erkennbare Erfolge – was sich durch speziell auf Kinder abgestimmte Fitnessangebote ändern könnte.
Motivation und Erfolgserlebnisse statt Hänseleien und Frustration
In den USA würde bereits heute ein gemeinsames Krafttraining für Kinder mit und ohne Gewichtsprobleme angeboten, was für die Übergewichtigen oft einen positiven Effekt bringe: Denn da mehr Kilos meist auch mehr Kraft bedeuten, könnten Betroffene mehr Gewicht als die dünnen Gleichaltrigen stemmen – und dadurch Eindruck schinden, statt im Sportunterricht gehänselt zu werden, erklärt Schmidtbleicher weiter. Ein solches Erfolgserlebnis führe zum einen zu Motivation und einer festeren Bindung an den Sport. Neben dem hätte sich auch in US-Studien gezeigt, dass häufige Wiederholungen an Kraftgeräten über Wochen hinweg bei adipösen Kindern eine ähnliche Wirkung erziele wie Ausdauertraining, denn durch den Aufbau von Muskeln würden automatisch mehr Kalorien verbrannt.
Auch für Christoph Eifler, Professor für Bewegungs- und Trainingswissenschaften an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement stellen speziell auf Kinder abgestimmte Angebote eine sinnvolle Idee dar. Da immer mehr junge Menschen von Bewegungsmangel und Ungelenkigkeit sowie Erkrankungen wie Adipositas, Bluthochdruck und Diabetes betroffen wären, sei es enorm wichtig, diese Probleme in den Griff zu bekommen, so der Experte gegenüber der Zeitung. „Gerade pädagogisch hochwertige Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche, an denen sie Spaß haben, sind ein Zukunftsmarkt für die Fitnessbranche.“
Vergrößerung der Muskelmasse steht nicht im Mittelpunkt
Allerdings würde Krafttraining laut Michael Fröhlich vom Sportwissenschaftlichen Institut der Universität des Saarlandes von vielen Menschen mit Bodybuilding verwechselt werden – ein Grund, warum Übungen für Kinder oft kritisch betrachtet werden. Doch „beim Krafttraining für Kinder geht es nicht in erster Linie um die Vergrößerung der Muskelmasse“, erklärt Michael Fröhlich in der F.A.S. Stattdessen fördere ein auf das Alter und die Entwicklung speziell abgestimmtes Krafttraining bei Kindern das Körpergefühl sowie eine gute Fitness und psychisches Wohlbefinden. Zudem würden die leistungsfähigeren Muskeln für zusätzliche Stabilität von Bändern und Gelenken sorgen, was beispielsweise im Fall des Umknickens einer Verletzung vorbeugen könne. Darüber hinaus sei aus Sicht Fröhlichs eine Kombination aus Krafttraining und Mannschaftssport für Kinder besonders sinnvoll. Dabei spiele Vielseitigkeit eine entscheidende Rolle, indem das Kind beispielsweise Handball spiele und ergänzend dazu mit Hanteln oder dem Medizinball seine Muskeln stärke, so der Experte.
Erste Fitnessanlage für Kinder „Tatendrang“ muss wieder schließen
Um mehr Kinder an den Sport heranzuführen, war bereits im April 2013 in Hamburg die erste gerätegestützte Fitnessanlage für Kinder in Deutschland eröffnet worden. Unter dem Motto „Weg vom PC, Fernseher und Fast Food hin zu mehr Bewegung“ hatte es sich die Sportschule „Tatendrang“ zum Ziel gesetzt, Kindern mit „Schwachstellen“ wie Unter- Übergewicht, Diabetes oder Fehlhaltungen einen Raum zu bieten, an einer sportlichen Betätigung Spaß zu haben und zugleich die Persönlichkeitsentwicklung und Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Ein sinnvolles Projekt – das jedoch offenbar keinen Erfolg hatte und nach Angaben der Betreiber „aufgrund mangelnder Unterstützung von Politik, Behörden und Wirtschaft“ eingestellt werden musste. (nr)
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