Situation in den Kitas hat sich dramatisch verschlechtert
In vielen deutschen Kitas mangelt es einer aktuellen Studie zufolge so ziemlich an allem – vom Personal bis hin zur Ausstattung. Die Folge: Verwahrlosung, Stress und Erschöpfung machen sich gleichermaßen unter Kindern und Fachkräften breit.
Bereits vor der Pandemie zeigte rund jedes fünfte Kind im Rahmen einer Studie, die in 35 verschiedenen Berliner Kindertageseinrichtungen durchgeführt wurde, Anzeichen von Anspannung, Teilnahmslosigkeit und/oder Niedergeschlagenheit. Obwohl die formale Qualität der Einrichtungen größtenteils im mittleren bis guten Bereich lag.
Krisen haben Kitas besonders hart getroffen
Das Team um Pädagogik-Professorin Dr. Rahel Dreyer von der ASH Berlin kommt nun im Rahmen des „Kita-Bericht 2022“ zu dem Schluss, dass sich die Situation in vielen Krippen durch die Corona-Pandemie sowie die Flüchtlingskrisen weiter verschlechtert und ein dramatisches Niveau erreicht hat.
Kinder zeigen extreme Formen von Unwohlsein
Viele Fachkräfte sind völlig überarbeitet und emotional sowie körperlich am Ende. Bei den Kindern macht sich dies nach Angaben der Forschenden durch zum Teil „extreme Formen von Unwohlsein“ bemerkbar.
Aufgrund des Personalmangels werden überfüllte Gruppen von gestressten und erschöpften Fachkräften betreut. Die aktuellen Ergebnisse der Kita-Studie des Paritätischen Gesamtverbands unterstreichen die alarmierende Situation in den Tagesstätten.
Es sei aktuell in vielen Einrichtungen nicht möglich, angemessen auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Dies bestätigten 60 Prozent der befragten Kita-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter.
Viele Kitas haben nicht genug Geld für ausgewogene Ernährung
Ein Drittel der Erzieherinnen und Erzieher bemängelten außerdem, dass die bereitgestellten Finanzmittel nicht mal ausreichen, um für die Kinder eine ausgewogene Ernährung zu finanzieren.
„Wir sorgen für einen denkbar schlechten Start unserer Kleinsten ins Leben“, mahnt Kinderpsychiater Professor Dr. Michael Schulte-Markwort. „Wir übersehen und übergehen die seelischen Bedürfnisse unserer Kinder.“
„Das sind verwahrlosende Tendenzen, denen wir entschieden entgegentreten müssen“, hebt der Psychiater hervor.
Grenze der Belastbarkeit überschritten
Nicht nur die Kinder leiden unter der Situation, sondern auch viele Angestellt. „Viele stehen kurz vor einem Burnout, sie sind körperlich und emotional am Ende“, fügt Studienleiterin Dreyer hinzu.
Die Expertin beschreibt die Situation als „desaströs“. Es ist ihr zufolge damit zu rechnen, dass weitere Personalausfälle folgen, was die Situation noch weiter verschärfen wird.
Kinder haben keine Lobby
Einen Grund, wie es zu dieser Situation kommen konnte, sehen die Forschenden in einer fehlenden Lobby für die Bedürfnisse von Kindern und Fachkräften in der Erziehung. Dies sei bereits vor der Pandemie so gewesen, doch nun zeigen sich die Auswirkungen dieses Fehlens in vollem Umfang.
Zunahme psychischer Auffälligkeiten
Die Arbeitsgruppe um Dreyer und Schulte-Markwort sieht das Wohl von vielen Kindern gefährdet. Die Auswirkungen werden sich in den kommenden Jahren durch eine Zunahme psychischer Auffälligkeiten bemerkbar machen, resümieren die Forschenden.
Hinzu komme, dass sich Bildungslücken insbesondere bei sozioökonomisch benachteiligten Kindern manifestieren und zu nahezu irreparablen Schäden führen werden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Stimulation oder Stress? Der Einfluss von Gruppenkonzepten auf Verhalten und Wohlbefinden junger Kinder in Kindertageseinrichtungen Projektlaufzeit: 01.04.2016 bis 30.09.2018 Projektleitung: Prof. Dr. Rahel Dreyer (ASH Berlin), Prof. Dr. Rainer Senz (Beuth, ash-berlin.eu
- Paritätischet Gesamtverband: Kita-Bericht 2022 (PDF, Stand Juni 2022), der-paritaetische.de
- ASH Berlin: Verwahrlosung, Stress und Erschöpfung in vielen Kitas (veröffentlicht: 21.07.2022), ash-berlin.eu
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.