Bundesregierung: Mindestens 135 Kassenmitglieder zum Wechsel überredet
19.12.2012
Die gesetzliche Krankenkasse KKH-Allianz soll mindestens 135 Versicherte zur Kündigung gedrängt haben. Dabei hätten Mitarbeiter der Kasse die Betroffenen am Telefon massiv bedrängt. Aufgedeckt hatte den Versicherungsskandal das ZDF-Politmagazin „Frontal 21“. Nach der Ausstrahlung befasste sich auch die Bundesregierung mit dem Fall. Die KKH-Allianz bestreitet eine dahinter steckende Systematik, bedauert allerdings „Einzelfälle“.
Laut eines Berichts des ZDF-Magazins soll die KKH-Allianz mit Hauptsitz in Hannover meist Schwerkranke durch Telefonanrufe dazu genötigt haben, die Krankenkasse zu wechseln. Schwerkranke sind für die Krankenkassen offenbar unkalkulierbare Kostenfaktoren und bedeuten höhere Ausgaben. Da die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet ist, jedes Kassenmitglied unabhängig von Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen aufzunehmen, hat sich auch die Bundesregierung in den Fall eingeschaltet.
135 Versicherte aus der Krankenkasse gedrängt
Nach derzeitigem Kenntnisstand sollen mindestens zwei Mitarbeiter der KKH-Allianz etwa 135 besonders kostenintensive Versicherte am Telefon dazu überredet haben, die Kasse zu wechseln. Das Magazin Frontal 21 beruft sich dabei auf interne Telefonprotokolle, die durch die Angestellten angefertigt wurden. In geschätzten 200 Anrufen „Ende des Jahres 2011 soll in nicht hinnehmbarer Art und Weise auf die Versicherten Einfluss genommen worden sein, die Kasse zu wechseln", schreibt die Bundestagsfraktion der Linken in der kleinen Anfrage. Nach den Anrufen haben mindestens 135 Versicherte dem Druck am Telefon nachgegeben und wechselte die Krankenversicherung.
Als der Skandal im Oktober publik wurde, kündigte die Kasse eine umfassende interne Prüfung an. Auf jenen beruft Abschlussbericht nun die Bundesregierung in der Antwort auf die kleine Anfrage der Linkspartei. Das ZDF berichtete, die KKH-Allianz hätte durch ihre Mitarbeiter vordergründig chronisch Kranke anrufen lassen, die den zeitweilig erhobenen Zusatzbeitrag nicht gezahlt hätten. Im Zuge dessen „rieten“ die Mitarbeiter den Versicherten, die Krankenkasse zu wechseln. Nach Ausstrahlung der Sendung hat die KKH-Allianz abgestritten, dies systematisch betrieben zu haben. Dennoch wurden „in Einzelfällen“ bereits Fehler eingeräumt. Derzeit zählt die Krankenkasse rund 1,8 Millionen Mitglieder.
Versicherte wurden am Telefon abgewimmelt
Aus der Antwort waren auch neue Erkenntnisse zu einem ähnlichen Fall erkennbar. Als die City BKK pleite ging und deshalb schließen musste, mussten sich die Versicherten eine neue Kasse suchen. Große Schwierigkeiten hatten ältere und chronische Kranke. Vor allem in Berlin und Hamburg wurden die Betroffenen von einer Reihe von Kassen schon am Telefon abgewimmelt.
„Trotz gesetzlicher Regelungen werden ältere und/oder chronisch-kranke Versicherte diskriminiert“, kritisiert ein Sprecher der Linkspartei. Die Geschehnisse seien ein Beweis dafür, dass Krankenkassen „negative Folgen durch kränkere Versicherte zu erwarten haben“. Die aktuelle Ausgestaltung des sogenannten „morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs“ reichen offenbar nicht aus, um das Problem zu beseitigen, kritisiert die Linke. (sb)
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Bild: Robert Müller / pixelio.de
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