Mehr Angriffe von gewalttätigen Patienten in Krankenhäusern
07.02.2015
Krankenhäuser sind eigentlich ein Ort, an dem kranke und verletzte Menschen Hilfe erhalten. Doch immer öfter werden Ärzte und Pfleger bei ihrer Arbeit von gewalttätigen Patienten angegriffen. Längst nicht alle der Täter sind psychisch krank oder betrunken.
Vor allem in Notaufnahmen kommt es zu Angriffen
Eigentlich sind Kliniken ein Ort, an dem Menschen von ihren Schmerzen befreit werden sollen. Doch immer öfter wird dort auch manchen Personen Schmerz zugefügt. So sind gewalttätige Patienten in großen Krankenhäusern laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa inzwischen fast Alltag und zwar nicht nur in der Psychiatrie. Demnach werden Ärzte und Pfleger insbesondere in Notaufnahmen immer häufiger beleidigt und bedroht, mit Gegenständen beworfen oder sogar tätlich angegriffen. „Der weiße Kittel schützt schon lange nicht mehr“, meint Günter Niklewski, Chefarzt am Klinikum Nürnberg. Das Krankenhaus hat jetzt einen ungewöhnlichen Schritt gewagt: Da die Fälle von Gewalt dort immer mehr zunahmen, sind nun seit kurzem private Sicherheitsleute in den besonders betroffenen Abteilungen präsent.
Neue Designerdrogen stellen ein besonderes Problem dar
Eine Oberärztin war in der Klinik vor einem halben Jahr von einem Patienten krankenhausreif geschlagen worden. „Die Situation war haarscharf“, so Niklewski. Wie der Mediziner betont, habe der Täter lediglich Schlafstörungen gehabt, war also kein psychiatrischer Patient. „Denn damit können wir umgehen.“ Diejenigen Ärzte und Pfleger, die jeden Tag mit psychisch kranken Menschen zu tun hätten, seien speziell geschult und wüssten daher, wie sie sich verhalten müssen. „Worüber wir sprechen, ist die allgemeine Verrohung“, analysiert Niklewski. So würden Patienten, aber auch deren Angehörige und Begleitpersonen inzwischen wesentlich schneller gewalttätig. Wie es heißt, ist von Beleidigungen und Bedrohungen, sexuellen Angriffen, Anspucken und Kratzen bis zum Werfen von Gläsern, Infusionsflaschen und Möbeln alles dabei. Den Angaben zufolge sind die neuen Designerdrogen ein besonderes Problem. „Die erzeugen oft vorübergehende Psychosen. Wenn die Leute aufwachen, fühlen sie sich sofort bedroht und schlagen um sich“, erklärt Niklewski.
Lange Wartezeiten in der Notaufnahme
Auch die langen Wartezeiten in der Notaufnahme seien ein Faktor, an dem sich immer häufiger Gewalt entzündet. Wie Personalvorstand Peter Schuh sagt, hätten viele kein Verständnis dafür, dass eilige Fälle schneller verarztet werden und weniger dringliche auch mal warten müssen. Zudem sei der Großteil der Notaufnahmen chronisch überlaufen. Ein verstärkender Faktors sei hier zu wenig Personal, meint Johanna Knüppel vom Bundesverband für Pflegeberufe: „Der Personalmangel oder aus Kostengründen reduziertes Personal führt außerdem dazu, dass Mitarbeiter heute oft alleine sind mit Patienten. Dadurch ist die Gefährdung und auch das Gefühl der Gefährdung größer als vor zehn Jahren.“
Opfer von verbaler Gewalt und körperlichen Attacken
Im vergangenen Jahr berichteten in einer Umfrage beim Nürnberger Klinik-Personal, an der sich mehr als 600 Kollegen beteiligten, über 70 Prozent der Befragten, dass sie schon einmal Opfer von verbaler oder körperlicher Gewalt geworden sind – rund die Hälfte der Befragten sogar innerhalb des vergangenen halben Jahres. „Das hat uns dann doch überrascht“, so Schuh. Durch die Umfrage sei der bereits bestehende Eindruck, dass die Gewalt in letzter Zeit zugenommen habe, bestätigt worden. Und auch eine Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) aus dem Jahr 2009 bestätigt den Trend: So gaben damals fast 80 Prozent der Krankenhausmitarbeiter an, schon einmal Opfer von verbaler Gewalt geworden zu sein und 56 Prozent berichteten auch von körperlichen Attacken. Andrea Gerstner von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft sagt, dass in einem Arbeitskreis von knapp 30 Krankenhäusern „fast alle Teilnehmer gesagt“ haben, „dass die Gewalt und Gewaltbereitschaft in den letzten Jahren zugenommen hat“.
Sicherheitsdienst auf der Intensivstation
Gewalt im Krankenhaus ist zwar kein neues Phänomen, aber: „Wenn das früher mal vorkam, war das eine Woche lang Thema Nummer Eins in der Kantine“, so Schuh. „Heute ist das fast Alltag.“ Allerdings gibt es kaum verlässliche Statistiken, wie sich die Gewalt gegen Ärzte und Pfleger entwickelt hat. Unfallversicherer beispielsweise zählen nur Fälle, die zu einer mindestens dreitägigen Arbeitsunfähigkeit führen und es wird dabei auch nicht erfasst, ob ein Patient oder ein Kollege der Angreifer war. Zudem werden viele Fälle gar nicht erst gemeldet. „Die Ergebnisse unserer Umfrage haben uns veranlasst, das Thema aktiv anzugehen“, erläutert der Nürnberger Klinikvorstand Alfred Estelmann. Der engagierte Sicherheitsdienst ist dort nachts und am Wochenende in der Notaufnahme und auf der Intensivstation präsent, wo vor allem Alkohol- und Drogenpatienten betreut werden. „Die Anwesenheit des Sicherheitsdienstes wirkt sofort sehr deeskalierend“, so Schuh. Des weiteren haben die Mitarbeiter einen Leitfaden bekommen, der sie über den richtigen Umgang mit Gewalt und Aggression informiert und aufzeigt, wie sie sich wehren und an wen sie sich wenden können. Die Klinik rüstet derzeit auch ihre internen Telefone mit einem speziellen Alarmknopf auf. Eine weitere Maßnahme sind Plakate, die aufgehängt wurden. Darauf ist zu lesen: „Bei Gewalt hört für uns der Spaß auf.“
Auch Hausärzte werden Opfer von Gewalt
Aber nicht nur in Krankenhäusern werden Mediziner Opfer von Gewalt. Auch mehr als jeder zehnte Hausarzt wird bei seiner Tätigkeit zum Opfer. Dies geht aus einer Studie der Technischen Universität in München vom letzten Jahr hervor. Demnach erleben elf Prozent der Hausärzte mindestens einmal pro Jahr „schwere“ Aggressionen von Patienten und insgesamt 23 Prozent von ihnen haben diese Erfahrung in ihrem Berufsleben bereits gemacht. Als „schwer“ wurden von den Forschern Tätlichkeiten gewertet, sowie scharfe Beschimpfungen und sexuelle Belästigungen. (ad)
Bild: JMG / pixelio.de
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