OLG Hamm: Fürsorgepflichten wurden verletzt
Springt eine verwirrte demente Patientin aus einem Krankenhausfenster, muss die Klinik für erlittene Schäden haften. Denn gerade bei schwer Demenzkranken müsse von einem unberechenbaren Verhalten ausgegangen werden, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem am Mittwoch, 19. April 2017, veröffentlichten rechtskräftigen Urteil (Az.: 26 U 30/16). Es wäre dem Krankenhaus möglich und zumutbar gewesen, die Patientin in ein ebenerdiges Krankenzimmer zu verlegen oder das Öffnen des Fensters zu verhindern, so die Hammer Richter in ihrer Entscheidung vom 17. Januar 2017.
Die im März 2011 im Alter von 81 Jahren verstorbene demenzkranke Frau war wegen eines Schwächeanfalls in einem Krankenhaus in Winterberg stationär aufgenommen worden. Am Aufnahmetag zeigte sie sich unruhig, aggressiv, verwirrt und desorientiert. Das Pflegepersonal hatte Mühe, sie am Weglaufen zu hindern. Die Krankenschwestern verstellten schließlich die Zimmertür von außen mit einem Krankenbett.
Die 81-Jährige kletterte daraufhin unbemerkt aus dem Zimmerfenster und stürzte fünf Meter tief auf ein Vordach der Klinik. Die Patientin erlitt dabei Rippenbrüche sowie einen Lendenwirbel-, einen Oberschenkel- und einen Beckenringbruch. Die Verletzungen wurden in einem anderen Krankenhaus operativ behandelt. Von dort aus kam sie in ein Pflegeheim, in dem sie wenig später starb.
Die Krankenversicherung der Frau forderte von dem Krankenhausträger nun Schadenersatz in Höhe von rund 93.300 Euro für die unfallbedingte Behandlung und für das geleistete Krankenhaustagegeld. Die Klinik habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Das OLG gab der Krankenversicherung nun recht. Die Klinik habe gegen ihre vertraglichen Fürsorgepflichten und gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Sie hätte die Patientin vor Schäden und Gefahren schützen müssen.
Laut Dokumentation des Krankenhauses sei die 81-Jährige „unberechenbar“ gewesen und habe aus ihrem Zimmer fliehen wollen. Der medizinische Sachverständige habe zudem bestätigt, dass Patienten bei diesem Krankheitsbild „praktisch alles machen wollen“. Die Klinik hätte daher eine mögliche Flucht durch das Fenster in Betracht ziehen müssen. Das Pflegepersonal hätte daher ein Sprung aus dem Fenster verhindern oder die Verlegung in ein anderes, beispielsweise ebenerdiges Zimmer in Betracht ziehen müssen. Dies wäre auch möglich und zumutbar gewesen, so das OLG. fle/mwo
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