Kniebeugen-Zähler an Bushaltestelle gegen Übergewicht
12.03.2015
Übergewicht und Fettleibigkeit sind in Mexiko ein noch größeres Problem als in den USA. Entsprechend versucht die Politik mit allen Mitteln gegenzusteuern und beschreitet dabei vielfach neue Wege – auch wenn nicht jede Idee umgesetzt werden kann. So sollen beispielsweise Kniebeugen-Zähler an den Busstationen in Mexiko-Stadt zur Bewegung animieren, indem sie mit kleinen Belohnungen locken. Ursprünglich sollten die Fahrgäste hier sogar die Möglichkeit haben, sich ihr Ticket zu erarbeiten, doch dies erwies sich als logistisch nicht umsetzbar.
Sieben von zehn Mexikanern leiden laut Mitteilung der Nachrichtenagentur „dpa“ an Übergewicht. Die neu eingeführten Kniebeugen-Stationen an den Bushaltestellen sind eines von zahlreichen Projekten, mit denen die Bevölkerung zu mehr Bewegung und einem gesünderen Lebensstil animiert werden soll. Erziehungsinitiativen, Etikettierungsvorschriften, Sportprogramme und die Einführung einer Strafsteuer auf Fast-Food und zuckerhaltige Getränke vor einem Jahr waren weitere Maßnahmen, die bislang jedoch nicht den gewünschten Erfolg mit sich brachten, so die Mitteilung der Nachrichtenagentur „dpa“.
Kniebeugen-Zähler sollen die Menschen aktivieren
Mit den Kniebeugen-Zählern an den Bushaltestellen beschreitet Mexiko-Stadt nun einen neuen Weg im Kampf gegen Übergewicht. Die „dpa“ berichtet von dem Projekt, dass sich mit 30 Gesundheitsstationen derzeit in der Pilotphase befindet. Zwar ist bislang nicht klar, wie die Fortführung künftig finanziert werden soll, doch scheinen die Stationen durchaus ein Erfolg. „Das Projekt zielt darauf ab, die Leute zu aktivieren und ihnen mit einer Belohnung zu zeigen, wie wichtig es ist, mit Tätigkeiten im Sitzen aufzuhören“, wird der Koordinator der Gesundheitsförderung in Mexiko-Stadt, Iván Loría, von der „dpa“ zitiert.
Gesundheitstipps nach jeder Kniebeuge
Wie die Stationen funktionieren verdeutlicht die Nachrichtenagentur anhand des Beispiels von César Morales, der morgens um 9.40 Uhr zur Bus-Station Buenavista kommt und auf dem Weg zur Arbeit an der Station beginnt Kniebeugen zu machen. Der 32-jährige Verkäufer nutzt das Angebot und hat dabei zudem die Möglichkeit auf einen kleinen Gewinn. Für zehn korrekte Kniebeugen gibt es einen Schrittzähler als Preis. „So langsam schaffe ich es, durchzuhalten“, zitiert die „dpa“ den jungen Mann. Erfasst werden die Kniebeugen von dem Gerät mittels einer eingebauten Infrarotkamera. Zudem sehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer laut Mitteilung der „dpa“ nach jeder richtig durchgeführten Kniebeuge auf dem Display der Gesundheitsstation einen Gesundheitstipp, wie beispielsweise: „Hast du Lust auf einen Hamburger mit Pommes und ein Erfrischungsgetränk? Du würdest 920 Kalorien zu dir nehmen. Überleg’s dir und beweg dich besser!“
30 Kniebeugen-Stationen aufgebaut
Die bislang aufgestellten 30 Kniebeugen-Zähler stehen von neun Uhr morgens bis drei Uhr nachmittags zur Verfügung, wobei Übungsleiter wie die 21-jährige Sandra García für die Nutzung werben und aufpassen, dass sich niemand ernsthaft verletzt, so die Mitteilung der „dpa“. Rund 50 Leute würden an jeder der 30 Stationen täglich trainieren. Verletzungen sind dabei bislang offensichtlich nicht aufgetreten. Allerdings sei manchen Fahrgästen die Hose gerissen. Zudem können nicht alle Menschen an den Geräten trainieren, da beispielsweise bei Knieschmerzen oder massivem Übergewicht Kniebeugen kontraindiziert sind. Auch schaffen längst nicht alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die zehn angepeilten Kniebeugen und manche landen am Ende auf ihrem Gesäß.
Veränderungen des Gemütszustandes
Selbst wenn Mensch wegen Übergewicht die Übungen nicht machen können, verändert dies bei „vielen den Gemütszustand, weil ihnen bewusst wird, dass sie sich zu wenig bewegen“, zitiert die „dpa“ den Fitnesstrainer Omar Cabos. Vielen wird vermutlich jedoch überhaupt nicht bewusst, dass sie die Übungen nicht schaffen würden, weil sie die Kniebeugen-Zähler lediglich von der Warteschlange für den Bus aus beobachten. Die roten Metrobusse sind ein stark genutztes Verkehrsmittel in Mexiko-Stadt und die Menschen sind meisten auf dem Weg zu einem bestimmten Ziel, wenn sie an der Bushaltestelle ankommen. Zeit für sportliche Übungen nehmen sich daher nur wenige. „Ich bin in Eile“, wird auch der 44-jährige Martín Flores von der „dpa“ zitiert.
Fast drei Viertel der Menschen in Mexiko-City übergewichtig
Wie groß der Handlungsbedarf in Mexiko-City ist, verdeutlichen die offiziellen Statistiken, denen zufolge 75,4 Prozent der über 20-jährigen Frauen und 69,8 Prozent der Männer übergewichtig oder adipös sind, so die Mitteilung der „dpa“. Bei den Kindern im Schulalter liege der Anteil ungefähr bei 35 Prozent. Maßgeblichen Einfluss auf das Problem habe der hohe Konsum zuckerhaltiger Erfrischungsgetränke. So trinke jeder Mexikaner im Jahr durchschnittlich 140 Liter Softdrinks. Den Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge seien in Mexiko 32,8 Prozent der Erwachsenen – und damit ein höherer Anteil als in den USA – übergewichtig, so die Mitteilung der „dpa“. Das Gesundheitsministerium habe im vergangenen Jahr 323.000 neue Fälle krankhafter Fettsucht registriert. Der Schrittzähler-Sponsor des aktuellen Pilotprojekts wird hier als Getränkehersteller mitverantwortlich gemacht für die Adipositas-Epidemie. (fp)
>Bild: Fit-and-Fresh.com / pixelio.de
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