Steuererhöhung auf ungesunde Lebensmittel soll Übergewicht stoppen
Etwa jeder vierte Bundesbürger ist stark übergewichtig. Fettleibigkeit geht mit einem erhöhten Risiko für viele Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes und Krebs einher. Eine neue Studie zeigt nun, dass eine Steuererhöhung auf ungesunde Lebensmitteln und eine Steuerfreiheit für Obst und Gemüse die Übergewichtswelle stoppen könnte.
Immer mehr Fettleibige in Deutschland
Gesundheitsexperten zufolge gelten rund 25 Prozent der deutschen Bevölkerung als stark übergewichtig, Tendenz steigend. Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) gab es unter jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren eine besonders starke Zunahme bei der Zahl der Adipösen. Fettleibigkeit geht mit einem erhöhten Risiko für viele Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes und Krebs einher. Als Ursache für Adipositas kommen mehrere Faktoren infrage. Ganz wesentlich ist hierbei eine ungesunde Ernährung. Durch eine Steuererhöhung auf ungesunde und eine Steuerfreiheit für gesunde Lebensmittel könnte die Übergewichtswelle gestoppt werden. Das zeigt eine neue Studie der Universität Hamburg.
Steuerfreiheit für Obst und Gemüse
Erst vor kurzem hat sich die Verbraucherorganisation foodwatch für die Abschaffung der Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse stark gemacht.
„Es ist höchste Zeit, mit steuerpolitischen Maßnahmen eine gesunde Ernährung zu erleichtern“, sagte foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker in einer Mitteilung.
„Die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse muss abgeschafft werden. Das hilft den Menschen und den gesundheitspolitischen Zielen gleichermaßen“, so der Experte.
Nun zeigt eine neue Studie eines Wissenschaftlers der Universität Hamburg, dass die Steuerfreiheit auf Obst und Gemüse die Übergewichtswelle stoppen könnte.
Die Untersuchung war unter anderem von der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Auftrag gegeben worden.
Für ungesunde Lebensmittel gilt der ermäßigte Steuersatz
Bisher gilt für die meisten Lebensmittel der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent, auch für ungesunde Produkte mit viel Fett und Zucker. Die Studie des Hamburger Ökonomen Dr. Tobias Effertz untersucht als Alternative Szenarien mit verschiedenen Staffelungen.
Am erfolgversprechendsten und politisch realistischsten erweist sich dabei das System „Ampel Plus“ mit folgenden Steuersätzen:
Grün 0 %: Obst und Gemüse
Gelb 7 %: Normale Lebensmittel wie Nudeln, Milch oder Fleisch
Rot 19 %: Produkte mit viel zugesetztem Zucker, Salz oder Fett wie Fertiggerichte, Chips oder Süßigkeiten
Zusätzlich könnte der Steuersatz für die besonders gesundheitsschädlichen Softdrinks wie Cola oder Fanta von heute 19 auf 29 Prozent erhöht werden.
Dieses Plus ist notwendig, weil Softdrinks oft Ursache für Übergewicht beziehungsweise Adipositas sind – noch mehr als Süßigkeiten. Das gilt auch für Drinks mit Zuckerersatzstoffen.
Preise erleichtern die Gesundheit zu fördern
„Beim Thema Ernährung spielen die Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle“, sagte Gesundheitsexperte Ulf Fink in einer Mitteilung.
„Natürlich soll jeder selbst entscheiden, was er kauft. Günstige Preise erleichtern es dem Verbraucher aber, seine Gesundheit zu fördern.“
Dies haben viele Länder bereits erkannt und die Steuern für ungesunde Produkte erhöht. Mit Erfolg: So ist in Berkeley/Kalifornien der Absatz von Softdrinks um 21 Prozent zurückgegangen. Zudem änderten Hersteller von Fertigprodukten nach Steueranpassungen häufig ihre Rezepturen und reduzierten Fett und Zucker.
„Die Bürger bekommen also bessere Produkte zum gleichen Preis“, erläuterte Ernährungsmediziner Hans Hauner von der Technischen Universität München. Vor allem einkommensschwächere Gruppen profitieren davon.
„Auch für Deutschland sind Steueranpassungen ein effektiver Weg, um die Bürger vor Adipositas zu schützen“, so Hauner.
Deutsche Politik appelliert an die Verantwortung des Einzelnen
25 Prozent der deutschen Bevölkerung gelten derzeit als adipös. Trotz aller Bemühungen ist es bisher nicht gelungen, den Anstieg der Adipositas zu stoppen, geschweige denn umzukehren.
„Das liegt nicht zuletzt an dem bisherigen Fokus der deutschen Politik, die hauptsächlich an die Verantwortung des Einzelnen appelliert und beispielsweise Kurse zur allgemeinen Aufklärung über gesunde Ernährung finanziert“, kritisierte Ernährungsexperte Hauner.
Wissenschaftlich gilt dieser individuelle Ansatz als gescheitert, weil dadurch nur selten eine dauerhafte Gewichtsreduktion erreicht wird.
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt stattdessen, die Rahmenbedingungen für gesundes Verhalten zu verbessern.
Zu diesen Maßnahmen der Verhältnisprävention gehören Steueranpassungen, ferner ein Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet, sowie verbindliche Standards für die Verpflegung in Kitas und Schulen.
Diese Forderungen vertritt in Deutschland ebenfalls die Deutsche Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), ein Zusammenschluss von zwanzig großen medizinischen Fachorganisationen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.