Körperliche Fitness und regelmäßiger Sport beugen Demenz vor
Schon seit Jahren wird darauf hingewiesen, dass die Zahl der Demenzkranken immer weiter steigt. Ein entscheidender Risikofaktor, eine Demenz zu entwickeln, ist körperliche Inaktivität. Regelmäßiger Sport und Bewegung hingegen sind wirksam gegen die neurodegenerative Krankheit. Darauf haben verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen hingewiesen. Auch eine neue Studie liefert nun entsprechende Hinweise.
Eine neue Studie liefert Belege – jedoch keinen eindeutigen Beweis – für die These, dass körperliche Fitness die Gesundheit des Gehirns fördert. Forschende des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Universitätsmedizin Greifswald analysierten Daten von über 2.000 Erwachsenen und stellten fest: je besser die körperliche Fitness, umso größer das Hirnvolumen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Mayo Clinic Proceedings“ veröffentlicht.
„Körperliche Inaktivität ist ein Risikofaktor für Demenz“
Wie es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des DZNE und der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) heißt, entwickelt sich Demenz angesichts steigender Lebenserwartung zu einer der größten Herausforderungen der medizinischen Versorgung.
Da bislang wirksame Therapien fehlen, insbesondere bei der Alzheimer-Erkrankung, rückt die Prävention immer mehr in den Fokus. Es geht dabei darum, das Auftreten der Demenz hinauszuzögern oder gar zu verhindern.
„Körperliche Inaktivität ist ein Risikofaktor für Demenz. Dagegen scheinen körperliche Fitness und regelmäßiger Sport vorbeugende Wirkung zu haben. Diverse Studien deuten darauf hin. Die Mechanismen dahinter sind jedoch unklar“, erläutert Prof. Hans Jörgen Grabe, Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Rostock/Greifswald und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der UMG.
So fanden etwa Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University of Gothenburg in Schweden Belege dafür, dass körperliche Fitness Frauen vor der Entstehung von Demenz schützen kann. Ihre Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Neurology“ publiziert.
Und deutsche Forschende stellten in wissenschaftlichen Untersuchungen fest, dass körperliche Fitness die kognitive Leistungsfähigkeit verbessert.
Positiver Einfluss auf die Gesundheit des Gehirns
Auch die neue Untersuchung legt nun nahe, dass körperliche Aktivität in der Tat einen positiven Einfluss auf die Gesundheit des Gehirns und die kognitive Leistungsfähigkeit haben kann. Ein Forschungsteam um Prof. Grabe und Privatdozent Dr. Sebastian Baumeister, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der UMG, analysierte dazu Daten der sogenannten SHIP-Studie in Hinblick auf die Frage, ob körperliche Fitness in Zusammenhang mit dem Hirnvolumen steht.
Den Angaben zufolge befasst sich die SHIP-Studie (Study of Health in Pomerania) mit Faktoren für Gesundheit und Krankheit in der Bevölkerung. Mehrere tausend Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern nehmen daran teil.
Für die aktuelle Untersuchung wurden Daten von insgesamt 2.103 Frauen und Männern im Alter zwischen 21 bis 84 Jahren berücksichtigt. Das mittlere Alter lag bei 52 Jahren. Diese Personen hatten sich im Rahmen der SHIP-Studie einem Belastungstest auf dem Fahrrad-Ergometer unterzogen und in weiteren Untersuchungen waren ihre Gehirne mittels Magnetresonanz-Tomographie (MRT) vermessen worden.
Größeres Hirnvolumen
Zur Bestimmung der körperlichen Fitness wurde die von den Probandinnen und Probanden unter Höchstbelastung ein- und ausgeatmete Luft untersucht und daraus die „maximale Sauerstoff-Aufnahme“ ermittelt. Diese gibt Auskunft über den Trainingszustand des Herz-Kreislauf-Systems.
Diese Messwerte sowie die MRT-Daten flossen für die aktuelle Studie in eine statistische Analyse ein. Fazit: „Wir haben einen positiven Zusammenhang zwischen körperlicher Leistungsfähigkeit und Hirnvolumen gefunden: je besser die körperliche Fitness, umso größer das Hirnvolumen“, erklärt Dr. Katharina Wittfeld, DZNE-Wissenschaftlerin und Erstautorin der aktuellen Veröffentlichung.
„Der Effekt betraf nicht nur das Gesamtvolumen, sondern auch einzelne Hirnbereiche, die für das Gedächtnis sowie für emotionales und belohnungsbezogenes Verhalten wichtig sind. Mit dem sogenannten Hippocampus ist auch eine Hirnregion dabei, die bei einer Alzheimer-Erkrankung involviert ist. Auch hier sehen wir, dass körperlich fitte Personen tendenziell einen größeren Hippocampus aufweisen, als Personen, die weniger fit sind.“
Verlangsamter altersbedingter Abbau der Hirnmasse
„Die nun vorliegenden Daten stützen die Hypothese, dass die kardiorespiratorische Fitness zu einer verbesserten Gehirngesundheit und einem verlangsamten altersbedingten Abbau der Hirnmasse beitragen könnte“, so Hans Jörgen Grabe.
Die aktuelle Studie sei eine der bislang umfangreichsten Untersuchungen über die Beziehung von körperlicher Fitness und Hirnvolumen. Außerdem bilde sie einen breiten Querschnitt der erwachsenen Bevölkerung ab.
„Um die kardiorespiratorische Fitness zu verbessern, wird körperliche Aktivität dringend empfohlen und sollte Teil von Präventionsprogrammen sein, um einen gesunden Lebensstil zu führen“, empfiehlt Grabe. In der Mitteilung wird jedoch darauf hingewiesen, dass die aktuellen Ergebnisse nicht beweisen, dass Sport das Hirnvolumen tatsächlich vergrößere.
„Der statistische Zusammenhang zwischen Fitness und Hirnvolumen, den wir festgestellt haben, sagt nichts über die Ursachen“, schränkt der Greifswalder Wissenschaftler ein. So habe man weder etwaige sportliche Aktivitäten der an dem Versuch Teilnehmenden erfasst, noch untersucht, ob sich durch Training über längere Zeiträume das Hirnvolumen verändere.
„Von den Probanden wurde nur der jeweilige Ist-Zustand festgehalten. Außerdem stehen wir vor einem Henne-Ei-Problem. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Größe mancher Hirnareale in der Weise auf die Hirnfunktion auswirkt, dass die Betreffenden besonders motiviert sind, Sport zu treiben und deshalb körperlich fitter sind. Dann wäre nicht Sport die Ursache für ein vergrößertes Hirnvolumen, es wäre genau umgekehrt.“
Dem Verlust von Nervenzellen entgegenwirken
Doch andere Studien legen sehr wohl nahe, dass regelmäßiges körperliches Training das Hirnvolumen vergrößern kann.
„Durch Sport werden erwiesenermaßen körpereigene Substanzen freigesetzt, die dem Verlust von Nervenzellen entgegenwirken können. Außerdem gibt es Hinweise dafür, dass körperliche Aktivität die Neubildung von Nervenzellen anregen kann. Beide Phänomene könnten die Auswirkungen auf das Hirnvolumen, die wir und ähnliche Studien nachgewiesen haben, möglicherweise erklären“, so Grabe.
Die aktuelle Studie fand einen Zusammenhang zwischen körperlicher Fitness und Hirnvolumen nicht nur bei jungen Menschen, sondern auch bei älteren Erwachsenen. Diese Beobachtung hält der Forscher für besonders bedeutsam: „Dies deutet darauf hin, dass die Förderung körperlicher Fitness vielleicht sogar in späten Lebensjahren dazu beitragen könnte, Hirnmasse zu erhalten und somit auch im Kopf möglichst lange fit zu bleiben“, sagt Grabe. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen und Universitätsmedizin Greifswald: Gemeinsame Pressemitteilung: Ist körperliche Fitness gut für den Kopf?, (Abruf: 25.01.2020), Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen
- Katharina Wittfeld, Carmen Jochem, Marcus Dörr, Ulf Schminke, Sven Gläser, Martin Bahls, Marcello R.P. Markus, Stephan B. Felix, Michael F. Leitzmann, Ralf Ewert, Robin Bülow, Henry Völzke, Deborah Janowitz, Sebastian E. Baumeister, Hans Jörgen Grabe: Cardiorespiratory Fitness and Gray Matter Volume in the Temporal, Frontal, and Cerebellar Regions in the General Population; in: Mayo Clinic Proceedings, (Veröffentlichung: Januar 2020, Volume 95, Issue 1, Pages 44–56), Mayo Clinic Proceedings
- Helena Hörder, Lena Johansson, XinXin Guo, Gunnar Grimby, Silke Kern, Svante Östling, Ingmar Skoog: Midlife cardiovascular fitness and dementia, A 44-year longitudinal population study in women; in Neurology, (Veröffentlichung: 10.08.2018), Neurology
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