OLG Karlsruhe: Großzügiger Maßstab bei Aufklärung vor Operation
Ärzte und Krankenhäuser dürfen eine bei jeder fünften Operation auftretende Komplikation noch als „vereinzelt” bezeichnen. Das jedenfalls meint das OLG Frankfurt in einem am Montag, 8. April 2019, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 8 U 219/18 i). Dies entspreche noch dem allgemeinen Sprachgebrauch.
Der Kläger war bei Glatteis ausgerutscht und hatte sich den rechten Oberarm gebrochen. Im Krankenhaus wurde er über verschiedene Operationsmethoden aufgeklärt; Arzt und Patient entschieden sich für eine Verbindung der beiden Knochenteile mit einem Stahlstift (sogenannte Humerus-Nagelung). Im Aufklärungsformblatt hieß es, dass es bei dieser Methode „vereinzelt” vorkomme, dass der Knochen nicht wieder zusammenwächst und sich ein sogenanntes Falschgelenk bildet.
Genau dies trat dann ein. Erst nach einer weiteren Operation mit einer anderen Methode verheilte der Bruch. Der Kläger verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz.
Wie schon das Landgericht Gießen wies nun auch das OLG Frankfurt am Main die Klage ab. Ein Behandlungsfehler sei nicht feststellbar, und auch die Aufklärung sei ordnungsgemäß erfolgt.
Dabei hatte ein Sachverständiger erklärt, das Risiko eines „Falschgelenks” habe bei dieser Methode 20 Prozent betragen. Das OLG entschied nun, Arzt und Klinik hätten dies mit dem Wort „vereinzelt” nicht verharmlost. „Vereinzelt” sei ein sehr ungenauer Begriff, der eigentlich nur besage, dass das Risiko einer Komplikation „zumindest kleiner als häufig” ist.
Prozentzahlen für das Auftreten bestimmter Komplikationen bei einer Operation müssten bei der Aufklärung nicht genannt werden, so das OLG weiter. Auch seien nicht die Begrifflichkeiten maßgeblich, die für die Nebenwirkungen von Arzneimitteln vorgegeben sind.
Dabei stützte sich das OLG auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe, der hatte am 29. Januar 2019 entsprechend entschieden hatte (Az.: VI ZR 117/18). Danach darf eine Komplikationsrate von 8,7 Prozent bei Operationen als „gelegentlich” bezeichnet werden.
Bei Arznei-Nebenwirkungen bezeichnet „gelegentlich” den Bereich von 0,1 bis 1,0 Prozent. Ein Auftreten bei mehr als zehn Prozent der Patienten – wie im Fall des OLG Frankfurt – wäre schon „sehr häufig”. Laut Duden bedeutet „vereinzelt”: „einzeln, nur in sehr geringer Zahl vorkommend; selten; sporadisch”.
Zum Risiko von Komplikationen bei einer Operation meinte nun das OLG: „Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann man ein in etwa in jedem fünften Fall eintretendes Risiko durchaus noch als ‚vereinzelt’ bezeichnen.” Zudem sei hier das Risiko bei anderen Methoden nicht geringer gewesen, betonten die Frankfurter Richter in ihrem Urteil vom 26. März 2019. mwo/fle
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