LSG Essen sichert Finanzierung für Hartz-IV-Empfängerinnen
Fliehen Hartz-IV-Empfängerinnen vor häuslicher Gewalt in ein Frauenhaus, muss dies auch in auswärtige Einrichtungen möglich sein. Werden die Frauen dort zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt psychosozial betreut, muss die Wohnortkommune der Frau die Kosten hierfür grundsätzlich erstatten, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem am Dienstag, 25. April 2017, veröffentlichten Urteil (Az.: L 6 AS 1315/15). Die Essener Richter sicherten damit die Finanzierung von Frauenhäusern.
Konkret ging es um sogenannte kommunale Eingliederungsleistungen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sind die Kommunen dafür zuständig und sollen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt fördern. Sie umfassen Schuldner- und Suchtberatungen, psychosoziale Betreuung und die Betreuung von Kindern oder auch die häusliche Pflege von Angehörigen. Ansprechpartner für diese kommunalen Eingliederungsleistungen sind oft die Jobcenter. Der örtliche Kostenträger lässt sich dann aber die Kosten von der Kommune des Wohnsitzes der Hilfebedürftigen erstatten.
Im nun entschiedenen Rechtsstreit ging es um eine Arbeitslosengeld-II-Bezieherin, die Anfang 2011 zusammen mit ihren drei Kindern wegen häuslicher Gewalt vor ihrem Partner in ein Frauenhaus außerhalb ihres Wohnortes floh. Insgesamt verbrachten Frau und Kinder in der Einrichtung 114 Tage. Dort erhielten sie nicht nur ein Dach über dem Kopf, sie wurden auch psychosozial betreut.
Entsprechend des Konzeptes des Frauenhaus-Trägervereins konnte der Frau eine Krisenintervention, Gespräche zur Bearbeitung von Gewalterfahrungen und zur Trennungssituation oder auch Unterstützung bei der Wohnungssuche und Behördengängen angeboten werden. Die freiwilligen Angebote sollten helfen, die Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern.
Das Jobcenter hatte im entschiedenen Rechtsstreit dem Frauenhaus die Kosten hierfür bezahlt. Von der Wohnortkommune der Frau verlangte die Behörde die Kostenerstattung für die psychosoziale Betreuung. Insgesamt ging es um 2.846 Euro.
Die Wohnortkommune lehnte die Zahlung ab. Es handele sich nicht um erstattungsfähige Kosten. Der vom Frauenhaus verlangte Tagessatz für die psychosoziale Betreuung pro hilfebedürftige Frau in Höhe von 24,75 Euro sei zu hoch. Man würde so die allgemeinen Personalkosten des Frauenhauses unzulässig mitfinanzieren. Es sei auch nicht möglich, die Höhe der Betreuungskosten mit zu beeinflussen. Denn das Frauenhaus befinde sich auswärts und nicht am Wohnort der Frau.
In seinem Urteil vom 24. November 2016 stellte das LSG klar, dass die Kosten für die psychosoziale Betreuung erstattet werden müssen. Mit psychosozialer Betreuung seien nicht nur psychiatrische oder psychotherapeutische Interventionen gemeint, sondern auch niedrigschwellige Angebote, die Betroffene in ihrer psychischen und sozialen Situation stabilisieren und die Wiedereingliederung in Arbeit fördern. Diesem Anspruch werde das Betreuungskonzept des Frauenhauses gerecht.
Auch sei es nicht ersichtlich, dass mit der Tagespauschale die allgemeinen Personalkosten des Frauenhauses in unzulässiger Weise bezuschusst werden.
Nach der LSG-Entscheidung muss es Frauen möglich sein, auch in Frauenhäusern außerhalb ihres Wohnortes Schutz vor ihrem Partner zu suchen. Dass eine Kommune auf die dortigen Betreuungssätze keinen Einfluss hat, sei unerheblich, so das LSG. Zum einen könne sie selbst eine ausreichende regionale Struktur für zufluchtsuchende Frauen aufbauen, zum anderen müsse davon ausgegangen werden, dass auch andere Kommunen für dortige Frauenhäuser nicht übermäßige Tagessätze aushandeln. Denn auch diese Kommunen seien schließlich dem Gebot der Wirtschaftlichkeit verpflichtet.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließen die Essener Richter die Revision zum Bundessozialgericht in Kassel zu.
In einem anderen Fall hatte das Sozialgericht München entschieden, dass Frauenhäuser selbst dann die Kostenerstattung für Unterkunft und Betreuung verlangen können, wenn die Einrichtung nur gering ausgelastet ist (Urteil vom 22. Juni 2016, Az.: S 52 AS 538/13; JurAgentur-Meldung vom 5. September 2016).
Das Sozialgericht Braunschweig stellte zudem am 9. April 2014 klar, dass Jobcenter auch für doppelt anfallende Unterkunftsaufwendungen aufkommen müssen, einmal für das Frauenhaus und einmal für die bisherige Wohnung, für die noch Mietzahlungen fällig werden (Az.: S 49 AS 185/12, JurAgentur-Meldung vom 12. September 2014). fle/mwo
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.