Krebs: Neuer Test kann Erkrankungsrisiko vorhersagen
Jährlich erkranken rund eine halbe Million Menschen in Deutschland neu an Krebs. Je früher eine Krebskrankheit erkannt und dann behandelt wird, desto größer sind die Chancen, geheilt zu werden. Ein neuer Test kann dabei helfen bestimmte Krebsarten früh zu erkennen.
Laut einer aktuellen Mitteilung konnte eine Arbeitsgruppe um Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck, mit den neu entwickelten WID-Tests die epigenetischen Fußabdrücke für Eierstock- und Brustkrebs anhand eines einfachen Gebärmutterhalsabstrichs bestimmen, also ohne invasive Gewebeprobe aus dem Tumor.
WID-Tests machen epigenetische Fußabdrücke auf DNA sichtbar
Wie es in der Mitteilung heißt, spielt das Epigenom eine ganz entscheidende Rolle für die Funktion der Zellen, indem es durch Markierungen am menschlichen Erbgut die Identität und Aktivität einer Zelle bestimmt. „Jede Zelle eines Menschen beinhaltet die exakt gleichen Informationen in Bezug auf die DNA, die wir als genetische Hardware bezeichnen können. Welche Programme aber in der Zelle abgerufen werden, wird durch das Epigenom bestimmt – sozusagen die Software unserer Zellen“, erläutert der Onkologe Martin Widschwendter.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysieren einen wichtigen Teil des Epigenoms, die DNA-Methylierung. Diese wird dabei sowohl von genetischen als auch von nicht-genetischen Faktoren modifiziert. „Externe Faktoren, wie zum Beispiel Rauchen, die Ernährungsweise oder Hormone, aber auch Faktoren, denen wir als Embryo im Mutterleib ausgesetzt sind, oder auch die Alterung führen zu Veränderungen der DNA-Methylierung“, erklärt der Experte.
„Dabei handelt es sich um Markierungen an der DNA, die die Expression bestimmter Gene der Zelle erhöhen oder verringern und somit auch das Krebsrisiko beeinflussen. Und genau das macht sie so interessant für uns. Denn all diese Faktoren, die im Laufe des Lebens auf die Zellen einwirken, hinterlassen epigenetische Fußabdrücke auf der DNA, die unsere neuen WID-Tests sichtbar machen“, so Widschwendter.
Hormone spielen eine bedeutende Rolle
„Wir wissen, dass Eierstockkrebs und Brustkrebs sowie andere frauenspezifische Krebsarten, die wir untersuchen, Erkrankungen von Epithelzellen sind, also von Zellen, die unsere Organe auskleiden. Darüber hinaus spielen Hormone bei der Entwicklung dieser Krebserkrankungen eine große Rolle“, erläutert der Onkologe.
„Daher brauchen wir für unsere Krebsrisikobestimmung Epithelzellen, die gleichzeitig hormonabhängig sind. Beide Eigenschaften erfüllen Zellen des Gebärmutterhalses, die darüber hinaus den großen Vorteil haben, dass sie sehr einfach und nicht-invasiv durch einen gewöhnlichen Gebärmutterhalsabstrich gewonnen werden können – wie schon bisher bei routinemäßigen gynäkologischen Untersuchungen“, sagt Widschwendter.
Die WID-Tests untersuchen den epigenetischen Fußabdruck für jede Krebsart einzeln und berechnen einen individuellen WID-Index („Women’s cancer risk Identification“), der das Risiko für die verschiedenen Krebserkrankungen angibt. Für Eierstock- und Brustkrebs wurden wesentliche Erfolg erzielt. Die Ergebnisse wurden in zwei Beiträgen in dem Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht. Diese sind hier und hier einzusehen.
Die Forschenden führten eine epigenomweite Analyse bei 289 Frauen mit Eierstockkrebs, 727 Frauen mit Brustkrebs und 1.410 Frauen ohne Krebsdiagnose aus 15 europäischen Zentren durch. Den Angaben zufolge konnten die WID-Tests zur Analyse der epigenetischen Fußabdrücke für Brust- und Eierstock-Krebs die an Krebs erkrankten Frauen durch die Analyse einer einzigen Probe aus dem Gebärmutterhalsabstrich mit hoher Wahrscheinlichkeit identifizieren.
Frauen mit dem höchsten Risiko-Score im Vergleich zu Frauen mit den niedrigsten Risiko-Score hatten ein 26,3-fach und 15,7-fach erhöhtes Risiko mit Eierstock- beziehungsweise Brustkrebs diagnostiziert zu werden.
Allerdings werden künftige Forschungsarbeiten erforderlich sein, um diese Ergebnisse in groß angelegten Studien zu bestätigen. Demnächst sollen weitere Ergebnisse über die Fähigkeit des WID-Tests für die Früherkennung von Gebärmutter- und Gebärmutterhalskrebs veröffentlicht werden.
Möglichkeit für frühe Präventionsmaßnahmen
„Unsere WID-Tests verfolgen einen völlig neuartigen Ansatz und bewerten das individuelle Risiko für mehr als eine Krebsart, indem sie verschiedene epigenetische Fußabdrücke in einem einzigen Gebärmutterhalsabstrich untersuchen. Die WID-Tests suchen nach epigenetischen Fußabdrücken auf der DNA einer Frau, die sich im Laufe ihres Lebens angesammelt haben und untersuchen, ob die Frau auf Krebs zusteuert, d.h. ein hohes Risiko dafür hat“, so Widschwendter.
„Die WID-Tests werden Krebsprävention und Früherkennung personalisieren und es erstmals ermöglichen, Frauen basierend auf ihrem individuellen, veränderlichen Krebsrisiko zu untersuchen und zu behandeln. Darüber hinaus erlauben die WID-Tests, den Erfolg der präventiven Maßnahmen zu kontrollieren. Wir freuen uns, die Krebsrisiko- und früherkennung durch bessere molekulare Tests radikal weiterzuentwickeln, um Frauen die Möglichkeit zu geben, in einem frühen Stadium Präventionsmaßnahmen zu ergreifen und dem Krebs zu entgehen“, erklärt der Onkologe. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Innsbruck: Test erkennt Eierstock- und Brustkrebs im Gebärmutterhalsabstrich, (Abruf: 02.02.2022), Universität Innsbruck
- James E. Barrett, Chiara Herzog, Allison Jones, Olivia C. Leavy, Iona Evans, Susanne Knapp, Daniel Reisel, Tatiana Nazarenko, Yoo-Na Kim, Dorella Franchi, Andy Ryan, Joanna Franks, Line Bjørge, Michal Zikan, David Cibula, Nadia Harbeck, Nicoletta Colombo, Frank Dudbridge, Louise Jones, Karin Sundström, Joakim Dillner, Angelique Flöter Rådestad, Kristina Gemzell-Danielsson, Nora Pashayan & Martin Widschwendter: The WID-BC-index identifies women with primary poor prognostic breast cancer based on DNA methylation in cervical samples; in: Nature Communications, (veröffentlicht: 01.02.2022), Nature Communications
- James E. Barrett, Allison Jones, Iona Evans, Daniel Reisel, Chiara Herzog, Kantaraja Chindera, Mark Kristiansen, Olivia C. Leavy, Ranjit Manchanda, Line Bjørge, Michal Zikan, David Cibula & Martin Widschwendter: The DNA methylome of cervical cells can predict the presence of ovarian cancer; in: Nature Communications, (veröffentlicht: 01.02.2022), Nature Communications
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