Risiko für vererbten Hodenkrebs frühzeitig erkennen
Jetzt wurden 22 weitere genetische Regionen identifiziert, welche für ein erhöhtes Risiko vererbter Hodenkeimzelltumore sprechen. Die genetische Veranlagung scheint damit eine noch bedeutendere Rolle bei Hodenkrebs zu spielen, als bislang angenommen.
Für die neue Meta-Analyse unter Beteiligung von Fachleuten der University of Pennsylvania wurden insgesamt fast 200.000 Männer untersucht. Die Ergebnisse der Studie könnten zu einem besseren Verständnis beitragen, welche Männer das höchste Risiko für vererbte Hodenkeimzelltumore aufweisen. Ihnen könnten dann entsprechende Vorsorgeuntersuchungen angeboten werden, so das Team. Die entsprechende Studie wurde in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Nature Communications“ publiziert.
Verbessertes Screening bei Hodenkrebs in Aussicht?
„Diese jüngste Reihe von genetischen Regionen trägt zu unserem Verständnis der vererbten Triebkräfte von Hodenkrebs bei, da wir das Screening bei Männern mit hohem Risiko verbessern wollen. Obwohl dieser Krebs heilbar ist, kann die frühzeitige Erkennung dieser Männer dazu beitragen, dass sie sich nicht bestimmten Behandlungen wie einer Chemotherapie unterziehen müssen, die zu späten und unerwünschten Komplikationen führen können“, erklärt Dr. Katherine L. Nathanson von der Perelman School of Medicine an der University of Pennsylvania.
95 Prozent der Fälle von Hodenkrebs durch Keimzelltumore
Keimzelltumore machen nach Angabe der Fachleute 95 Prozent der Fälle von Hodenkrebs aus. Vererbte Hodenkeimzelltumore (TGCT) stellen in den Vereinigten Staaten und in Europa die häufigste Krebsart bei weißen Männern im Alter zwischen 20 und 39 Jahren dar. Die Zahl der Fälle ist in den letzten 25 Jahren bei weißen Männern und in jüngster Zeit auch bei Latino-Männern weiter angestiegen, berichtet die Forschungsgruppe.
Obwohl es deutliche Hinweise dafür gebe, dass die Anfälligkeit für diese Tumoren vererbbar ist, sei CHEK2 bisher das einzige Gen mit mäßiger Penetranz, bei dem pathogene Varianten mit dem Krebsrisiko in Verbindung gebracht werden konnten, erklären die Fachleute.
Genomweite Assoziationsstudien waren erfolgreicher und haben gemeinsame Varianten identifiziert, welche mit dem Krankheitsrisiko verbunden sind. Die Forschenden haben diese Methode angewandt, um Regionen auf Chromosomen (Loci) zu identifizieren, die Varianten enthalten, welche mit einem erhöhten Risiko für Keimzelltumore verbunden sind.
Die Fachleute analysierten genetische Daten von 10.156 Fällen von Hodenkeimzelltumoren und 179.683 Kontrollpersonen. So konnten tatsächlich 22 neue Loci identifiziert werden. Im Jahr 2017 hatte das Team bereits zwölf neue Loci identifiziert und mit der neuen Studie erhöht sich die Gesamtzahl auf 78, berichten die Fachleute. Zusammengenommen können die Ergebnisse 44 Prozent des familiären Vater-Sohn-Risikos für Hodenkrebs erklären, so das Team.
Welche Rolle spielte der polygenen Risikowert?
Männer mit einem hohen polygenen Risikowert (im 95. Perzentil) hatten ein 6,8-fach erhöhtes Krankheitsrisiko im Vergleich zu Männern mit dem mittleren Wert, fügen die Forschenden hinzu.
Über die statistische Bedeutung der neuen Loci hinaus habe die Studie auch zwei relevante biologische Pfade aufgezeigt, welche mit der Krankheitsanfälligkeit verbunden sind. Dabei handelte es sich um die Entwicklung der männlichen Keimzellen und die sogenannte Chromosomentrennung während der Zellteilung. Sobald diese Pfade aus dem Gleichgewicht geraten, führen sie zur Entstehung von vererbten Hodenkeimzelltumoren, erläutern die Fachleute.
„Die Ergebnisse unserer Untersuchung tragen zum weiteren Verständnis der genetischen Architektur von TGCT bei, verbessern das Verständnis der Biologie der männlichen Keimzellentwicklung und heben biologische Wege hervor, die speziell für TGCT wichtig sind”, berichtet das Team.
Auswirkungen auf Hodenhochstand und Unfruchtbarkeit?
„Wichtig ist, dass wir einen polygenen Risikoscore erstellt haben, der Männer mit dem höchsten Krankheitsrisiko identifiziert, der möglicherweise auch bei Männern mit anderen Risikofaktoren, wie z. B. [Hodenhochstand] oder Unfruchtbarkeit, angewandt werden könnte, um eine frühzeitige Erkennung und Eindämmung der Krankheit zu ermöglichen“, fügt die Forschungsgruppe hinzu in einer Pressemitteilung hinzu.
In Zukunft planen die Forschenden den Anstieg der TGCT-Fälle bei Latino-Männern weiter zu untersuchen und zu analysieren, ob die genetischen Varianten, welche bei überwiegend weißen Männern identifiziert wurden, auch in dieser Bevölkerungsgruppe existieren. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- John Pluta, Louise C. Pyle, Kevin T. Nead, Rona Wilf, Mingyao Li et al.: Identification of 22 susceptibility loci associated with testicular germ cell tumors; in: Nature Communications (veröffentlicht 23.07.2021), Nature Communications
- University of Pennsylvania School of Medicine: Penn-led Consortium Identifies More Genetic Markers for Inherited Testicular Cancer (veröffentlicht 28.07.2021), University of Pennsylvania School of Medicine
Wichtiger Hinweis:
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