Wie Krebsbehandlungen sich gegenseitig beeinflussen
Die Behandlung von Krebserkrankungen ist eine Herausforderung für Betroffene und Gesundheitspersonal. Es gibt zwar viele unterschiedliche Ansätze, doch die Wirksamkeit der Methoden schwankt. Oft werden mehrere verschiedene Therapien eingesetzt, wenn eine Behandlung nicht den gewünschten Erfolg erzielt. Wie sich die einzelnen Krebstherapien gegenseitig beeinflussen und welche Kombinationen besser zusammenpassen, untersuchte nun ein Forschungsteam aus Österreich.
Eine Arbeitsgruppe des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie GmbH (IMP) in Wien hat untersucht, wie verschiedene Formen der Krebstherapie die Wirksamkeit nachfolgender Behandlungen beeinflussen können. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden heraus, dass sich einige Therapien negativ beeinflussen und es zu Kreuzresistenzen kommen kann. Bestimmte Behandlungen werden sogar oft in ungünstigen Reihenfolge verabreicht, wie das Team kürzlich im renommierten Fachjournal „Nature Cancer“ berichtet.
Reihenfolge von Krebsbehandlungen kann Erfolg beeinflussen
Die Reihenfolge, in der bestimmte Krebsbehandlungen durchgeführt werden, kann einen Einfluss auf den Erfolg der Gesamtbehandlung haben. So zeigen die Forschenden beispielsweise, dass die Verabreichung von zielgerichteten Therapien mit Medikamenten, die sich gegen mutierte Zellen richten, die Wirksamkeit von darauffolgenden immunstimulierenden Behandlungen gefährden kann. Bei der Therapie von Hautkrebs werden die Therapien aber oft genau in dieser Reihenfolge eingesetzt.
Kreuzresistenzen bei Krebsbehandlungen
Grund für die veränderten Erfolgsaussichten seien sogenannte Kreuzresistenzen. Das Forschungsteam betont die Notwendigkeit eines besseren Verständnisses darüber, wie einzelne Therapien den Tumor beeinflussen und welche Auswirkungen dies auf darauffolgende Behandlungen hat.
Bei Krebs werden oft mehrere Therapien kombiniert
Eine häufig eintretende Situation bei der Krebsbehandlung ist, dass ein Tumor nach einigen Monaten wieder beginnt zu wachsen. Die gleiche Therapie ist dann oft weniger wirksam, weil die Krebszellen zum Teil oder vollständig resistent geworden sind. In solchen Fällen müssen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte mehrere Therapieformen nacheinander kombinieren.
Die „Säulen der Krebsbehandlung“
Dabei werden dem Studienteam zufolge besonders oft zwei Therapieformen nacheinander angewendet, die auch als „Säulen der Krebsbehandlung“ bezeichnet werden: Die zielgerichtete Therapie und eine immunstimulierende Behandlung. Die zielgerichtete Therapie wirkt schnell und blockiert lebenswichtige molekulare Wege innerhalb der Krebszellen und stoppt so deren Vermehrung, während die Immuntherapie die Immunzellen des Betroffenen stimuliert, um die Tumorzellen zu vernichten.
Die zielgerichtete Therapie ist eher auf einen schnellen und kurzfristigen Erfolg ausgerichtet. Die Immuntherapie soll hingegen eine lange anhaltende Reaktion hervorrufen, die aber langsamer wirkt. Auf diese Weise sollen sich die beiden Behandlungen eigentlich ergänzen, doch die aktuellen Studienergebnisse stellen die Vorgehensweise in Frage.
Resistenzen machen darauffolgende Therapie wirkungslos
Medizinerinnen und Mediziner verabreichen oft zuerst eine zielgerichtete Therapie, bis sie eine Resistenz beobachten. Erst dann wenden sie in der Regel eine Immuntherapie an, um die Arbeit zu beenden. „Diese Strategie ist jedoch nicht ausfallsicher“, warnt die Arbeitsgruppe, denn manche Betroffene sprechen auf die Immuntherapie nicht so gut an, wie sie sollten.
Als Folge wachsen ihre Tumore weiter. Grund hierfür ist eine entstandene Kreuzresistenz, bei der die Krebszellen während der ersten Behandlung eine Resistenz erworben haben, mit der sie sich auch der darauffolgenden Therapie entziehen können, obwohl die Wirkungsweise völlig unterschiedlich ist.
Kreuzresistenz: Wenn Tumore immun werden
Dieses merkwürdige Phänomen stand im Fokus der aktuellen Arbeit. Die Forschenden um Anna Obenauf sind unter anderem der Frage nachgegangen, ob die entstandene Resistenz auch Einfluss auf ganz andere Behandlungsformen haben könnte. Hierzu untersuchte das Team Hauttumore von Mäusen, die mit einer zielgerichteten Therapie behandelt wurden.
Bis zu 80 Prozent der Tumoren entwickelten Resistenzen
„Die von uns untersuchten Hauttumore entwickeln in 75 bis 80 Prozent der Fälle eine Resistenz gegen eine zielgerichtete Therapie, was ziemlich alarmierend ist“, betont Studienerstautorin Dr. Lisa Haas. „Wir fanden heraus, dass eine erworbene Resistenz gegen eine zielgerichtete Therapie einen starken Einfluss auf die Zusammensetzung der Immunzellen des Tumors hat, was zu einer Resistenz gegen eine Immuntherapie führen könnte“, fährt die Wissenschaftlerin fort.
Wie eine Resistenz entsteht
Die Forschenden fanden heraus, dass in den Tumoren, die eine Resistenz gegen eine zielgerichtete Therapie entwickelten, weniger dendritische Zellen vorhanden sind. Diese Immunzellen sind wichtig für die Aktivierung des Immunsystems und gleichzeitig zielen Immuntherapien auf diese Art von Zellen ab. Wie die Arbeitsgruppe berichtet, waren nicht nur weniger dendritische Zellen in Tumoren mit Resistenzen vorhanden, auch viele der hinterbliebenen Zellen funktionierten nicht mehr richtig. Infolgedessen konnten sie nicht mehr durch eine Immuntherapie stimuliert werden.
„Die gute Nachricht ist, dass derzeit klinische Studien laufen, um Strategien zur Aktivierung dendritischer Zellen zu entwickeln, um die Wirksamkeit der Immuntherapie zu verbessern“, so Dr. Haas. Im nächsten Schritt möchte das Forschungsteam herausfinden, welche Moleküle für die Beeinflussung der dendritischen Zellen verantwortlich sind.
„Unsere Arbeit liefert solide Beweise dafür, dass die Resistenz gegen eine Immuntherapie zum Teil durch die Veränderungen entsteht, die in den Tumoren auftreten, nachdem sie gegen eine gezielte Therapie resistent geworden sind“, resümiert die Erstautorin. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit könnten die zukünftige klinische Praxis bei der Behandlung von Hautkrebs beeinflussen.
Strategie zur Vermeidung von Resistenzen
Die Krebsforschung versucht noch zu verstehen, welche Art von Therapie zuerst eingesetzt werden sollte und wie lange. Solche Entscheidungen können zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die vorliegende Studie ist nach Ansicht der Arbeitsgruppe richtungsweisend in dieser Debatte.
Den Forschenden zufolge ist es wichtig, Resistenzen gegen die zielgerichtete Therapie zu vermeiden, um sicherzustellen, dass eine sequenzielle Immuntherapie wirksam ist. Eine zielgerichtete Therapie als Erstbehandlung sollte auf einen möglichst kurzen Zeitraum beschränkt sein. Ein Wechsel zur Immuntherapie sollte bereits erfolgen, bevor ein Tumor resistent wird. Bei Krebserkrankungen im frühen Stadium sollte die Immuntherapie die Erstbehandlung sein, schlägt die Forschungsgruppe vor. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- IMP: Cross-resistance: when cancer therapy backfires (veröffentlicht: 15.07.2021), imp.ac.at
- Haas, L., Elewaut, A., Gerard, C. L., Obenauf, A. C.:, et al.: Acquired resistance to anti-MAPK targeted therapy confers an immune-evasive tumor microenvironment and cross-resistance to immunotherapy in melanoma; in: Nature Cancer, 2021., nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.