Brustkrebs: Immunabwehr mit Antikörpern mobilisieren
Brustkrebs ist die häufigste Krebsart bei Frauen. Die Erforschung von Brustkrebs bringt seit Jahrzehnten essenzielle Erkenntnisse hervor. Nun berichten Forschende aus Deutschland, dass sie Antikörper entwickelt haben, die zwei Antigenbindestellen besitzen und Krebszellen mit Zellen der Immunabwehr koppeln können. Diese Brückenantikörper konnten in Laborversuchen zusammen mit einem Verstärker die körpereigene Immunabwehr gezielt mobilisieren und Brustkrebszellen zerstören.
Mehr als 70.000 Mal im Jahr stellen Ärztinnen und Ärzte aktuell die Diagnose „Mammakarzinom“ bei Frauen, mehr als 17.000 Patientinnen sterben jährlich daran. Wenn auch die häufigste, so ist Brustkrebs in der Regel nicht die gefährlichste Krebsart bei Frauen. Rechtzeitig erkannt und behandelt, sind viele Erkrankungen heilbar. Helfen können dabei künftig womöglich auch aktuelle Forschungsergebnisse.
Bispezifische Antikörper bereichern Immuntherapie
Wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in einer Mitteilung schreibt, bereichern bispezifische Antikörper (BiMAb: bispecific monoclonal antibodies) seit einigen Jahren die Immuntherapien gegen Krebs.
Dabei handelt es sich um Antikörper, die zwei verschiedene Antigenbindestellen besitzen. Mit der einen docken sie an ein tumorspezifisches Molekül auf Krebszellen an und mit der anderen heften sie sich an ein Antigen, das auf der Oberfläche von Immunabwehrzellen lokalisiert ist.
Durch die Brückenfunktion der bispezifischen Antikörper werden Krebs- sowie Abwehrzelle miteinander in physischen Kontakt gebracht, so dass das Immunsystem den Tumor gezielt angreifen kann und ihn im Idealfall schließlich zerstört.
Im Kampf gegen Blutkrebs haben sich BiMAb schon in bestimmten Erkrankungssituationen als hochgradig wirksam erwiesen. Dagegen waren Experimente zur Bekämpfung solider Tumoren wie Brustkrebs, schwarzer Hautkrebs oder Knochenkrebs bisher weniger erfolgreich.
Gezielt die Immunabwehr aktivieren
Forschenden des DKFZ unter der Leitung von Frank Momburg ist es zusammen mit einer Arbeitsgruppe von Dirk Jäger, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, gelungen, BiMAb zu entwickeln, die in der Zellkulturschale gezielt die Immunabwehr aktivieren.
Selbst an millimetergroßen kugeligen Zellverbänden aus Brustkrebszellen, sogenannten Organoiden, konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diesen Effekt erzielen.
Die Forscherinnen und Forscher konstruierten dazu eine Reihe von Antikörpervarianten, die sich jeweils gegen ein für Brustkrebs charakteristisches Antigen richteten und außerdem gegen das T-Zell-Molekül CD3. Die Bindung der Antikörper regte die T-Zellen dazu an, Botenstoffe auszuschütten und aktivierte zellabtötende Mechanismen.
„Die Kunst dabei ist es, bispezifische Antikörper gegen Tumorantigene und CD3 herzustellen, die so selektiv sind, dass sie ausschließlich am Tumorgewebe wirken, nicht aber das umliegende gesunde Gewebe angreifen“, erläutert Momburg. „Das ist nicht trivial, da viele Tumorantigene in geringem Maße auch in gesundem Gewebe vorkommen.“
Toxische Nebenwirkungen vermeiden
Eine weitere Schwierigkeit besteht laut der Mitteilung darin, dass Zellen solider Tumoren anders als Blutkrebszellen für Antikörper physisch schwer zugänglich sind. Zudem wirkt das Milieu, das die Tumoren umgibt, meist immunsuppressiv, was die Abwehrmechanismen zusätzlich ausbremst.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen und die T-Zellantwort am Tumor zu verstärken, verwendeten die Forschenden zusätzliche bispezifische Antikörper, die den Kontakt zwischen weiteren Molekülpaaren auf der Tumor- und der T-Zelle herstellen. Diese Verstärker-Antikörper aktivieren die T-Zellen nicht direkt, verstärken das Signal der aktivierenden BiMAbs aber durch “Ko-Stimulation“.
Die Dosis des T-Zell-aktivierenden BiMAb konnte damit auf ein Minimum reduziert werden. Das kann in einer therapeutischen Situation dabei helfen, toxische Nebenwirkungen von Antikörpern durch eine überschießende Ausschüttung von Botenstoffen zu vermeiden.
Methode muss weiter erprobt werden
Den Angaben zufolge zeigten die Laborexperimente mit Brustkrebs-Organoiden, dass die Kombination aus Brücken- und Verstärkerantikörper in der Lage war, T-Zellen gezielt zu mobilisieren, und zwar nur in Proben, in denen sich auch Krebszellen befanden, die das Tumorantigen trugen.
„Die T-Zellaktivierung fand also nur dann statt, wenn beide Zelltypen – Tumorzellen und T-Zellen – in engem zeitlichen und räumlichen Abstand aufeinandertrafen. Das ist mit Blick auf eine spätere Anwendung am Menschen ein ganz entscheidender Sicherheitsaspekt“, sagt Momburg.
Möglicherweise kann die neue Methode einmal Anwendung in der Krebsimmuntherapie finden, muss jetzt aber zunächst noch weiter erprobt werden, bevor sie in klinische Studien Eingang findet. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift “Frontiers in Microbiology” veröffentlicht.
„In unserem Ansatz ergänzen sich stimulierende und kostimulierende BiMAb. Dieses Prinzip könnte für die Behandlung solider Tumoren mit spärlich ausgeprägten Tumorantigenen von Vorteil sein“, so Frank Momburg. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Krebsforschungszentrum: Brückenantikörper mit Verstärker kann Brustkrebszellen zerstören, (Abruf: 14.09.2021), Deutsches Krebsforschungszentrum
- Karsten M. Warwas, Marten Meyer, Márcia Goncalves, Gerhard Moldenhauer, Nasja Bulbuc, Susanne Knabe, Claudia Luckner-Minden; Claudia Ziegelmeier, Claus Peter Heussel, Inka Zörnig, Dirk Jäger & Frank Momburg: Co-Stimulatory Bispecific Antibodies Induce Enhanced T Cell Activation and Tumor Cell Killing in Breast Cancer Models; in: Frontiers in Microbiology, (veröffentlicht: 16.08.2021), Frontiers in Microbiology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.