Protein zur Optimierung der Krebsbehandlung nutzbar?
In einer aktuellen Studie wurde ein spezielles Protein identifiziert, welches offenbar verhindern kann, dass Tumorzellen in den Blutkreislauf eindringen und sich in andere Teile des Körpers ausbreiten. Diese Erkenntnis könnte helfen, die Behandlung von Krebs deutlich zu verbessern. Die entsprechenden Studienergebnisse wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „Science Advances“ veröffentlicht.
Kann TRPM7 die Krebsausbreitung verhindern?
„Wir haben entdeckt, dass dieses Protein, TRPM7, den Druck der im Blutkreislauf fließenden Flüssigkeit wahrnimmt und die Zellen daran hindert, sich durch das Gefäßsystem auszubreiten”, berichtet Studienautor Kaustav Bera von der Johns Hopkins University.
In metastatischen Tumorzellen seien deutlich reduzierte Spiegel dieses Sensorproteins vorhanden, wodurch sie in den Blutkreislauf eintreten, anstatt sich vom Flüssigkeitsstrom abzuwenden, so der Experte weiter. Die neue Studie helfe etwas Licht auf einen wenig verstandenen Teil der Metastasierung zu werfen, welcher als Intravasation bezeichnet wird.
Was ist Intravasation?
Die Intravasation umfasst den Vorgang, wenn Krebszellen, welche sich von einem Primärtumor abgetrennt haben, in den Blutkreislauf eintreten, um in andere Teile des Körpers zu wandern und dort Kolonien zu bilden, so die Forschenden.
Erhöhung von TRPM7 begrenzte Metastasierung
Die Fachleute fanden heraus, dass die künstliche Erhöhung der Expression von TRPM7 in Tumorzellen dazu beitragen kann, die Intravasation – und letztlich die Metastasierung – in ihren Bahnen zu halten.
TRPM7 ist bereits seit langem dafür bekannt, Kalzium in Zellen zu regulieren. Die aktuelle Untersuchung bietet jetzt allerdings erstmals einen Einblick in die Rolle von TRPM7 bei der Zellmigration.
„Der Prozess ist vergleichbar mit dem, was passiert, wenn man einen heißen Wasserkocher berührt, spürt, dass er heiß ist, und dann die Hand wegnimmt”, erläutert Studienautor Professor Konstantinos Konstantopoulos vom Johns Hopkins Kimmel Cancer Center. Das Protein spüre die Strömung der Flüssigkeit im Kreislaufsystem und weise die Zelle an, die Richtung umzukehren und so die Intravasation zu verhindern, fügt der Experte hinzu.
Normalerweise bleiben die Zellen im menschlichen Körper wie beispielsweise Muskelzellen, Fettzellen und Epithelzellen in ihren jeweiligen Regionen. Die große Ausnahme sind allerdings Blutzellen, welche im Körper patrouillieren und Krankheitserreger bekämpfen, und dann gibt es noch Krebszellen, die Mutationen aufweisen, welche es ihnen ermöglichen, zu wandern und sich auszubreiten, so das Forschungsteam.
An diesem Punkt der Ausbreitung werde der Krebs dann bereits viel gefährlicher. „Viele Menschen werden mit einem Primärtumor diagnostiziert, aber solange dieser Tumor eingedämmt ist, kann ein chirurgischer Eingriff die Person retten”, betont Studienautor Christopher Yankaskas.
Aufbau der aktuellen Studie
Die Fachleute untersuchten bei ihrer Studie zunächst in einem ersten Experiment gesunde Fibroblastenzellen, welche sich durch Mikrokanäle bewegten, die senkrecht in einer leiterartigen Konfiguration angeordnet waren und in denen die Flüssigkeit kontrolliert werden konnte.
Wenn die Zellen auf Kanäle trafen, in denen sich die Flüssigkeit bewegte, kehrten sie als Reaktion auf die Strömung ihre Richtung um. Wenn die Zellen jedoch auf Kanäle trafen, in denen sich die Flüssigkeit nicht bewegte, bewegten sie sich in diese hinein, erläutert das Team.
Die Forschungsgruppe verwendete dann einen Prozess, welcher als RNA-Interferenz bezeichnet wird, um die Zellen an der Expression von TRPM7 zu hindern. Als dieses Sensorprotein ausgeschaltet wurde, kehrten die gesunden Zellen als Reaktion auf die Strömung nicht mehr ihre Richtung um.
Dies sei ähnlich wie das oben genannte Wasserkocher-Beispiel, allerdings mit dem Unterschied, dass man quasi einen Topfhandschuh nutzt, um den Wasserkocher zu berühren, was die Empfindlichkeit gegenüber der Hitze reduziert, erläutert Konstantopoulos.
In anschließenden Experimenten fanden die Fachleute dann heraus, dass normale Zellen höhere Werte von TRPM7 aufwiesen als sogenannte Sarkomzellen (eine Art von krebsartigen Tumorzellen), und dass die künstliche Expression des Proteins in den Tumorzellen deren Empfindlichkeit gegenüber dem Flüssigkeitsstrom erhöhte.
Wenn die normalen Zellen die Richtung ihrer Bewegung umkehren, vermeiden sie es, dem sogenannten Scherstress ausgesetzt zu sein, aber das ist bei den Tumorzellen nicht der Fall. „Die Tumorzellen sind weniger empfindlich, und deshalb wandern sie weiter in den Blutkreislauf“, so Konstantopoulos. Das Ziel sei es gewesen, diese Krebszellen dazu zu bringen, dass sie sich wie normale Zellen verhalten. Nach Aussage der Forschungsgruppe ist dies auch gelungen.
TRPM7 verbesserte Überlebensdauer von Krebskranken
Eine separate Analyse der Daten von menschlichen Personen zeigte schließlich, dass Menschen mit Osteosarkom, Brust-, Magen- und Leberkrebs, welche hohe Mengen an TRPM7 exprimierten, mit größerer Wahrscheinlichkeit länger überlebten, als es bei Personen mit geringeren Mengen des Proteins der Fall ist.
Ergebnisse könnten zu neuen Krebstherapien führen
Weitere Forschung ist jetzt notwendig, aber das Team hofft, dass die Ergebnisse schließlich zu neuen Krebstherapien mit CRISPR-Aktivierung führen könnten, einem DNA-Editing-Tool. „Wir werden weitere Entwicklungen benötigen, bevor wir dies in die klinische Anwendung bringen können, aber wir glauben, dass wir zum ersten Mal ein definitives Bild der Rolle von TRPM7 in einem entscheidenden Schritt der Tumormetastasierung liefern”, fügt Konstantopoulos in einer Pressemitteilung der Johns Hopkins University hinzu. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Christopher L. Yankaskas, Kaustav Bera, Konstantin Stoletov, Selma A. Serra, Julia Carrillo-Garcia et al.: The fluid shear stress sensor TRPM7 regulates tumor cell intravasation, in Science Advances (veröffentlicht 09.07.2021), Science Advances
- Johns Hopkins University: Protein appears to prevent tumor cells from spreading via blood vessels (veröffentlicht 12.07.2021), Johns Hopkins University
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.