Krebstherapie: Therapeutische Antikörper erst am Tumor aktiviert
Laut Fachleuten erkranken jedes Jahr rund eine halbe Million Menschen in Deutschland neu an Krebs. Bei manchen Patientinnen und Patienten wird eine Operation erforderlich, andere werden mit einer Strahlen- oder Chemotherapie behandelt. Seit einiger Zeit spielen Antikörper in der Krebstherapie eine zunehmend wichtige Rolle. Forschende haben hier nun wichtige Fortschritte erreicht.
Auf therapeutischen Antikörpern ruht schon länger eine große Hoffnung der Krebstherapie. Laut einer aktuellen Mitteilung haben Forschende der Technischen Universität (TU) Darmstadt und der Firma Merck einen Weg gefunden, Antikörper erst am Tumor selbst zu aktivieren. So werden unerwünschte Nebenwirkungen in gesundem Gewebe vermieden. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Frontiers in Immunology“ veröffentlicht.
Große Hoffnungsträger in der Tumortherapie
Antikörper sind bereits seit Jahrzehnten insbesondere für die Behandlung zahlreicher schwerer Erkrankungen im Einsatz. Erst im Mai 2021 wurde das hundertste Antikörper-Medikament von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zur klinischen Anwendung zugelassen.
Derzeit sind maßgeschneiderte Antikörper große Hoffnungsträger in der Tumortherapie. Sie erkennen spezifisch Tumorzellen und rekrutieren damit Abwehrzellen des Immunsystems, die Tumorzellen aufspüren und vernichten können.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, tragen diese Immunzellen dazu sogenannte Fc-gamma-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche, mit denen sie an die Tumorzellen gebundene therapeutische Antikörper erkennen können.
Antikörper kann reaktiviert werden
„Allerdings kann diese Rezeptor-vermittelte Interaktion auch zu ungewollten Nebenwirkungen des Antikörperwirkstoffs führen und auch im gesunden Gewebe eine Immunreaktion auslösen“, erläutert Professor Harald Kolmar von der Arbeitsgruppe Angewandte Biochemie am Fachbereich Chemie der TU Darmstadt.
„Das Ziel unserer Arbeit war es, einen Weg zu finden, die Immunstimulation des Antikörpers vorübergehend zu blockieren und diese erst unmittelbar am Tumor zu aktivieren“, so der Wissenschaftler.
„Diese neuartige Technologie basiert auf der gezielten Blockade des Antikörpers mit einem Protein, das wie ein Deckel auf dem Antikörper sitzt und dadurch dessen Wechselwirkung mit Immunzellen verhindert. Durch Enzyme, die von den Tumorzellen selbst hergestellt werden, kann der Proteindeckel dann abgespalten und der Antikörper dadurch reaktiviert werden.“
Medikation mit potentiell verringerten Nebenwirkungen
Das Prinzip sollte insbesondere generell einsetzbar und auf die meisten therapeutischen Antikörper für die Krebstherapie in gleicher Weise anwendbar sein.
Um zu zeigen, dass das möglich ist, wendete der Doktorand Adrian Elter das Konzept auf zwei verschiedene therapeutische Antikörper an, von denen einer für die Behandlung von Brustkrebs und der andere für die Therapie von Leukämien zugelassen ist.
„Wir konnten mit Immunzellen von Blutspendern zeigen, dass in beiden Fällen der Antikörper erst nach Spaltung durch die Tumor-assoziierten Enzyme aktiviert wird und somit eine kontrollierbare Medikation mit potentiell reduzierten Nebenwirkungen möglich wird“, resümiert der Forscher die Ergebnisse seiner Doktorarbeit. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Technische Universität Darmstadt: Schaltbare Antikörper für die Krebstherapie, (Abruf: 18.08.2021), Technische Universität Darmstadt
- Adrian Elter, Desislava Yanakieva, David Fiebig, Kerstin Hallstein, Stefan Becker, Ulrich Betz & Harald Kolmar: Protease-Activation of Fc-Masked Therapeutic Antibodies to Alleviate Off-Tumor Cytotoxicity; in: Frontiers in Immunology, (veröffentlicht: 03.08.2021), Frontiers in Immunology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.