Eisenabhängigkeit von Krebszellen als Angriffspunkt entlarvt
Ein amerikanisches Krebsforschungsteam hat eine neue potenzielle Schwachstelle von Krebszellen entdeckt. Offenbar sind viele Krebszellen regelrecht abhängig von Eisen und sammeln dieses in großen Mengen an. Diese Abhängigkeit könnte gezielt als Angriffspunkt für neue Therapien genutzt werden.
Forschende der University of California in San Francisco (UCSF) haben herausgefunden, dass viele Krebszellen auf Eisen angewiesen sind. Diese „Eisenabhängigkeit“ könnte gezielte Therapien ermöglichen, bei denen nur Krebszellen zerstört werden, ohne gesunde Zellen in Mitleidenschaft zu ziehen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem „Journal of Experimental Medicine“ vorgestellt.
Die häufigste Mutation bei Krebs
Wie die Arbeitsgruppe erklärt, findet die häufigste Mutation bei menschlichen Krebszellen in dem sogenannten KRAS-Gen statt. Mutationen in diesem Gen können Auslöser für viele unterschiedliche Formen von Krebs sein, darunter beispielsweise Bauchspeicheldrüsenkrebs, Darmkrebs, Leukämie und Lungenkrebs.
Schätzungen zufolge hat bei jedem vierten Krebstodesfall im Vorfeld eine Mutation im KRAS-Gen stattgefunden. Damit ist diese Mutation beziehungsweise das Gen ein vielversprechender Angriffspunkt und ein vorrangiges Ziel in der Krebsforschung.
Bisherige Ansätze, die auf diese potenzielle Schwachstelle abgezielt haben, waren jedoch mit schweren Nebenwirkungen verbunden. Medikamente, die den entsprechenden Signalweg hemmen, töten nicht nur Krebszellen ab, sondern sind auch hochgiftig für gesundes Gewebe.
Eisen-Ansammlungen nach Mutation im KRAS-Gen
Wie das Forschungsteam im Rahmen der aktuellen Studie dokumentierte, sammeln Zellen, die von Mutationen im KRAS-Gen betroffen sind, große Mengen Eisen an. Dieser bislang unbekannte Prozess könnte nach Angaben der Forschenden genutzt werden, um die Krebszellen gezielt zu vernichten.
Die Forschenden entdeckten, dass eine Vielzahl von KRAS-getriebenen Tumoren eine erhöhte Aktivität von Genen aufweisen, die an der Eisenaufnahme und am Eisenstoffwechsel beteiligt sind. Gleichzeitig ist die erhöhte Genaktivität in diesem Bereich mit einer geringeren Überlebenswahrscheinlichkeit bei den Betroffenen verbunden.
So zeigte das Team beispielsweise durch PET-Scans von Patientinnen und Patienten, die an Bauchspeicheldrüsenkrebs leiden, dass in den Tumoren große Mengen Eisen eingelagert sind. Die Arbeitsgruppe stellte daraufhin die These auf, dass der erhöhte Eisenbedarf durch die KRAS-Mutation angetrieben wird.
Malaria-Mittel gibt den entscheidenden Hinweis
Nach genaueren Analysen stellte das Team fest, dass das Eisen in den mutierten Zellen vor allen in dem Oxidationszustand Fe2+ vorliegt. Dadurch kamen die Forschenden auf einen Ansatz, der bereits bei Malariamitteln wie Artemisinin angewendet wird.
Der Wirkstoff Artemisinin wird aus dem einjährigen Beifuß (Artemisia annua) gewonnen. Die Heilpflanze wird bereits seit Jahrhunderten in der traditionellen chinesischen Medizin angewendet.
Das besondere bei diesem Wirkstoff ist, dass sich die Wirkung erst in Gegenwart von Eisen im Oxidationszustand Fe2+ entfaltet. Bei Malaria wird dieses Prinzip angewendet, da die Krankheitserreger in rote Blutkörperchen eindringen und dabei Hämoglobin abbauen, wodurch große Mengen Fe2+ freigesetzt werden.
Neues Medikament wirkte gezielt auf Krebszellen
Die Arbeitsgruppe wendete das Prinzip nun gegen Krebszellen an und entwickelte einen Wirkstoff namens TRX-Cobimetinib, der ebenfalls seine Wirkung nur in Gegenwart von Fe2+ entfaltet.
Bei Labortests wurde der Wirkstoff nur aktiviert, wenn in Krebszellen KRAS-Mutationen vorlagen. Gesundes Gewebe wie menschliche Haut- und Netzhautzellen wurden hingegen wenig beeinflusst.
Keine Nebenwirkungen bei Mäusen
In weiteren Schritten verabreichten sie den Wirkstoff Mäusen, die an Krebs mit KRAS-Mutationen litten. Das experimentelle Medikament hemmte das Tumorwachstum genauso gut wie herkömmliches Cobimetinib, was bereits in der Krebstherapie eingesetzt wird – jedoch ohne die schädlichen Nebenwirkungen.
„Im Gegensatz zu normalem Cobimetinib verursachte TRX-Cobimetinib keine nachweisbaren Schäden an anderen, gesunden Geweben“, bestätigt das Forschungsteam in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen.
Aufgrund der nicht vorhandenen Toxizität sei das Mittel auch ein vielversprechender Kandidat für Kombinationstherapien, um die Wirksamkeit anderer Krebsbehandlungen zu erhöhen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Honglin Jiang, Ryan K. Muir, Ryan L. Gonciarz et al.: Ferrous iron–activatable drug conjugate achieves potent MAPK blockade in KRAS-driven tumors; in: Journal of Experimental Medicine (2022), rupress.org
- University of California, San Francisco: Treating Tough Tumors by Exploiting Their Iron ‘Addiction’ (veröffentlicht: 09.03.2022), ucsf.edu
Wichtiger Hinweis:
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