Bauchspeicheldrüsenkrebs: Pankreaskarzinom angreifbar machen
Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) gehört laut Fachleuten zu den gefährlichsten und tödlichsten Tumoren überhaupt. Selbst Immuntherapien, also Behandlungen, bei denen die körpereigene Immunabwehr gezielt unterstützt oder aktiviert werden soll, um Krebszellen aufzuspüren und anzugreifen, bleiben hier oft erfolglos. Doch Forschende haben nun einen Weg gefunden, wie dieser Krebs immunologisch angreifbar gemacht werden kann.
Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eine Krebsart mit besonders düsterer Prognose, langfristig wirksame Behandlungsmethoden gibt es bislang nicht. Auch Immuntherapien führen meist nicht zum Erfolg, weil viele Unterarten des Pankreaskarzinoms für Abwehrzellen sehr schwer zugänglich sind. Doch laut einer aktuellen Mitteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben Forschende jetzt eine Möglichkeit gefunden, solche immunologisch „kalten“ Pankreastumoren in einem präklinischen Tiermodell in Mäusen durch gezielte Kombination zweier Krebsmedikamente für die Immuntherapie angreifbar zu machen.
Nahezu immer tödlich
Den Angaben zufolge ist das duktale Adenokarzinom der Bauchspeicheldrüse (PDAC) die weitaus häufigste Form von Pankreaskrebs. Die Krankheit verläuft mit einer 10-Jahres-Überlebensrate von etwa einem Prozent fast immer tödlich. Besonders schlecht ist die Prognose bei einer bestimmten Untergruppe des PDAC, dem sogenannten mesenchymalen Pankreaskarzinom, bei der selbst starke Kombinations-Chemotherapien versagen.
Selbst auf moderne Immuntherapien wie Checkpointblockaden spricht das mesenchymale PDAC nicht an. Dies liegt vermutlich einerseits daran, dass die Tumorzellen wenige Merkmale auf ihrer Oberfläche tragen, die sie für die T-Zellen des Immunsystems als „fremd“ kenntlich machen. Zum anderen ist die Mikroumgebung des Tumors so beschaffen, dass die therapeutisch aktiven T-Zellen schlicht nicht an den Krebs herankommen. Daher wird auch von einem immunologisch „kalten“ Tumor gesprochen.
Wenn es gelingen würde, diese Mikroumgebung zu reprogrammieren und damit die T-Zell-Infiltration in den Tumor zu verbessern, so würden sich auch die Erfolgschancen von Immuntherapien erhöhen. Dieser Hypothese sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK), Partnerstandort Technische Universität München (TUM), in einer Reihe verschiedener präklinischer Untersuchungen an humanen Pankreaskarzinomzellen und an Mäusen nachgegangen.
Zur Erklärung: Im DKTK verbindet sich das DKFZ in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten in Deutschland.
Kombination zweier Wirkstoffe
Vielversprechend schien zunächst der Wirkstoff Trametinib, der erfolgreich bei Krebsarten eingesetzt wird, welche eine Aktivierung des RAF-MEK-ERK Signalweges aufweisen. Weil dieser bei nahezu allen Pankreaskarzinomen aktiviert ist, lag die Idee nahe, dass die Behandlung mit einem Wirkstoff, der diesen Signalweg hemmt, einen therapeutischen Nutzen haben könnte. Untersuchungen ergaben aber, dass Trametinib allein noch keinen ausreichenden Effekt zeigt.
Daraufhin führten die Forschenden an menschlichen PDAC-Zellkulturen sowie Krebszellkulturen aus der Maus ein Hochdurchsatzscreening mit insgesamt 418 verschiedenen Wirkstoffen durch, um herauszufinden, ob eine dieser Substanzen die Wirkung von Trametinib verstärkt. Sie stellten fest, dass die bereits für die Behandlung von Lungenkrebs zugelassene Substanz Nintedanib in Kombination mit Trametinib in der Lage war, die T-Zellen zur Infiltration anzuregen.
„Beide Wirkstoffe zusammen führten zum Stillstand des Zellzyklus sowie zum Absterben der Krebszellen. Außerdem verändern sie die Mikroumgebung des Tumors“, erläutert Dieter Saur, DKTK-Professor am Partnerstandort an der TUM und Leiter des Instituts für Experimentelle Tumortherapie, den Mechanismus dahinter.
Wichtiger Schritt zu einer zielgerichteten Behandlung
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten dann, ob diese Veränderungen mesenchymale Pankreaskarzinome für die Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren sensibilisieren könnten. Sie führten dazu Studien mit transplantierten Mäusen durch, denen Krebszellen bestimmter PDAC-Subtypen übertragen worden waren.
„An den Immunreaktionen der Mäuse konnten wir erkennen, dass die Anti-PD-L1-Immuntherapie die Wirkung der Kombinationstherapie mit Trametinib und Nintedanib verstärkt“, erklärt Chiara Falcomatá, die Erstautorin der Studie. „Die Dreifachbehandlung verbesserte das Ansprechen des Tumors deutlich und bot einen klaren Überlebensvorteil bei dem hochaggressiven mesenchymalen PDAC-Subtyp.“
Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift „Nature Cancer“ veröffentlicht wurden, sind ein erster, wichtiger Schritt einer zielgerichteten Behandlung des mesenchymalen PDAC, für das es derzeit keine effizienten Therapiemöglichkeiten gibt. Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass die Kombinationstherapie auch bei anderen Krebsarten eine Anti-Tumor-Immunität auslösen und die therapeutischen Ergebnisse damit verbessern könnte. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Krebsforschungszentrum: Kalte Tumoren „entzünden“ – Bauchspeicheldrüsenkrebs immunologisch angreifbar machen, (Abruf: 01.02.2022), Deutsches Krebsforschungszentrum
- Chiara Falcomatà, Stefanie Bärthel, Sebastian A. Widholz, Christian Schneeweis, Juan José Montero, Albulena Toska, Jonas Mir, Thorsten Kaltenbacher, Jeannine Heetmeyer, Jonathan J Swietlik, Jingyuan Cheng, Bianca Teodorescu, Oliver Reichert, Constantin Schmitt, Kathrin Grabichler, Andrea Coluccio, Fabio Boniolo, Christian Veltkamp, Magdalena Zukowsk, Angelica Arenas Vargas, Woo Hyun Paik, Moritz Jesinghaus, Katja Steiger, Roman Maresch, Rupert Öllinger, Tim Ammon, Olga Baranov, Maria S. Robles, Julia Rechenberger, Bernhard Kuster, Felix Meissner, Maximilian Reichert, Michael Flossdorf, Roland Rad, Marc Schmidt-Supprian, Günter Schneider & Dieter Saur: Selective multi-kinase inhibition sensitizes mesenchymal pancreatic cancer to immune checkpoint blockade by remodeling the tumor microenvironment; in: Nature Cancer, (veröffentlicht: 31.01.2021), Nature Cancer
Wichtiger Hinweis:
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