Synthetische PFAS-Chemikalien reichern sich in der Leber an
Sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend, chemisch als auch thermisch stabil und werden daher in zahlreichen Alltagsprodukten verwendet – die Rede ist von einer Gruppe von synthetischen Chemikalien mit der Bezeichnung Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS). Laut einer aktuellen Studie können sich diese Substanzen in der Leber anreichern und so das Risiko für Leberkrebs massiv erhöhen.
Forschende der Keck School of Medicine an der University of Southern California in Los Angeles (USA) haben im Rahmen einer aktuellen Studie belegt, dass eine starke Exposition gegenüber PFAS mit einem um bis zu 4,5-fach erhöhten Risiko für Leberkrebs verbunden ist. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „JHEP Reports“ vorgestellt.
PFAS in der Umwelt und in Verbrauchsgegenständen
PFAS sind in zahlreichen Verbrauchsgegenständen enthalten, darunter beispielsweise Kosmetika, Kochgeschirr, Papierbeschichtungen und Textilien. Große Mengen wurden unter anderem auch in Futtermitteln für Nutztiere sowie in Klärschlämmen entdeckt.
Die „ewigen Chemikalien“
Diese Substanzen werden auch als „ewige Chemikalien“ bezeichnet, da die Verbindungen äußerst stabil sind und über Generationen hinweg in der Umwelt verbleiben. Gelangen diese Substanzen in den Organismus, können sie im Blut nachgewiesen werden.
PFAS wurde in Tierstudien bereits mit Leberkrebs verbunden
In Tierstudien wurde bereits belegt, dass sich PFAS in der Leber anreichern und das Risiko für Leberkrebs erhöhen. „Diese Studie baut auf den bisherigen Forschungsergebnissen auf, geht aber noch einen Schritt weiter“, betont Dr. Jesse Goodrich von der Keck School of Medicine.
„Leberkrebs ist einer der schwerwiegendsten Endpunkte bei Lebererkrankungen, und dies ist die erste Studie am Menschen, die zeigt, dass PFAS mit dieser Krankheit in Verbindung stehen“, bestätigt der Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe.
Erster Nachweis für erhöhtes Leberkrebs-Risiko bei Menschen
Die aktuelle Untersuchung an der University of Southern California zeigt nun erstmals, dass PFAS-Chemikalien auch mit einem erhöhten Risiko für Leberkrebs bei Menschen verbunden sind. Die Forschenden analysierten Blut- und Gewebeproben, die im Rahmen einer Langzeitstudie von Einwohnerinnen und Einwohnern aus Hawaii und Los Angeles entnommen wurden.
Ablauf der Studie
Die Arbeitsgruppe verglich 50 Proben von Personen, die im Laufe der Studie Leberkrebs entwickelten mit 50 Proben von Teilnehmenden, die nicht an Leberkrebs erkrankten. Im Blut der Probandinnen und Probanden konnten mehrere Arten von PFAS-Chemikalien nachgewiesen werden.
Ergebnisse der Studie
Der stärkste Zusammenhang mit Leberkrebs bestand bei einer Untergruppe der Chemikalien mit der Bezeichnung Perfluoroctansulfonat (PFOS). Diejenigen mit den größten PFOS-Anreicherungen im Blut hatten laut der Auswertung ein 4,5-mal höheres Risiko an Leberkrebs zu erkranken, als diejenigen, mit den niedrigsten PFOS-Werten.
PFOS-Chemikalien stören den Leberstoffwechsel
Die Forschenden konnten darüber hinaus auch beleuchten, auf welche Weise PFOS die normale Funktion der Leber beeinträchtigen kann. Offenbar stören die Chemikalien mehrere Stoffwechsel-Prozesse, darunter den normalen Prozess des Glukosestoffwechsels, den Gallensäurestoffwechsel sowie den Stoffwechsel von einigen Aminosäuren in der Leber.
Die Störung normaler Stoffwechselprozesse in der Leber kann laut der Arbeitsgruppe dazu führen, dass sich mehr Fett in der Leber ansammelt, ein Zustand, der als nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) bekannt ist.
Dramatischer Anstieg von Fettlebererkrankungen
In den letzten Jahren konnte weltweit ein dramatischer und ungeklärter Anstieg solcher Fettlebererkrankungen verzeichnet werden. Das Vorliegen einer NAFLD ist mit einem wesentlich höheren Risiko für Leberkrebs verbunden.
Wenn sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt, werden bis zum Jahr 2030 30 Prozent aller Erwachsenen in den USA an einer Fettleber erkrankt sein, warnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Nahezu alle Personen in den USA haben PFAS im Blut
PFAS-Chemikalien werden bereits seit den 1940er Jahren verwendet. In den 1970er Jahren wurden sie erstmals in menschlichem Blut nachgewiesen. Nach Angaben des Forschungsteams werden PFAS im Blut mittlerweile bei 98 Prozent aller Erwachsenen in den USA gefunden.
„Wir glauben, dass unsere Arbeit wichtige Erkenntnisse über die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen dieser Chemikalien auf die menschliche Gesundheit liefert, insbesondere im Hinblick darauf, wie sie die normale Leberfunktion schädigen können“, resümiert Studienleiterin Professorin Dr. Leda Chatzi.
Bereits seit den 1990er Jahren werden zunehmend Gesundheitsrisiken durch PFAS-Expositionen vermutet. „Diese Studie schließt eine wichtige Lücke in unserem Verständnis der tatsächlichen Folgen der Exposition gegenüber diesen Chemikalien“, betont die Professorin abschließend. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Jesse A. Goodrich, Douglas Walker, Leda Chatzi, et al.: Exposure to perfluoroalkyl substances and risk of hepatocellular carcinoma in a multiethnic cohort; in: JHEP Reports (2022), hep-reports.eu
- Keck School of Medicine: Synthetic “forever chemical” linked to liver cancer (veröffentlicht: 08.08.2022), keck.usc.edu
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) (Abruf: 09.08.2022), bmuv.de
- Umweltbundesamt: Per- und Polyfluoralkylsubstanzen als persistente organische Kontaminanten in der Lebensmittelkette (veröffentlicht Januar 2018), umweltbundesamt.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.