Neue Bewertung des Herbizids Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“
27.03.2015
Nachdem Wissenschaftler der Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in dem renommierten Fachmagazin „The Lancet Oncology“ die Ergebnisse einer Bewertung veröffentlicht haben, die das Herbizid Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ beschreibt, fordert der Hersteller Monsanto laut Mitteilung der Nachrichtenagentur „Reuters“ einen Widerruf dieser Bewertung. „Wir hinterfragen die Qualität der Bewertung“, wird Philip Miller, Vize-Präsident bei Monsanto für Global Regulatory Affairs, von der Nachrichtenagentur zitiert.
Glyphosat ist Bestandteil des Herbizids „Roundup“, dass zu den Verkaufsschlagern bei Monsanto zählt. Denn gleichzeitig hat das Unternehmen verschiedene gentechnisch verändert Pflanzen im Angebot, denen der Einsatz von „Roundup“ nichts anhaben kann. Die sogenannten „Roundup ready“-Pflanzen erleiden keine Beeinträchtigungen durch den Einsatz des Herbizids, so das ein großflächiger Einsatz erfolgen kann. Doch bei Menschen zeigt Glyphosat nach Einschätzung der IARC-Experten durchaus eine kritische Wirkung. Die Wissenschaftler kommen nach der Analyse bestehender Studien zu dem Ergebnis, dass Glyphosat der Gefahrengruppe 2A – „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ – zuzuordnen sei.
Zweifel an der Neubewertung des Herbizids
In dem Fachmagazin „The Lancet Oncology“wurde bislang zwar nur eine Zusammenfassung der Studienergebnisse veröffentlicht. Monsanto hat dennoch bereits einen Widerruf gefordert, mit der Begründung, dass hier bisherigen Erkenntnisse widersprochen werde, die den Wirkstoff Glyphosat als sicher bewerten, solange der Einsatz entsprechend den Vorgaben erfolge. Die IARC habe von Monsanto eingereichte wissenschaftlichen Daten zu der Sicherheit von Glyphosat weitgehend ignoriert, so der Vorwurf des Unternehmens. Bewertet wurde das Herbizid durch eine Arbeitsgruppe der IARC, bestehend aus internationalen Experten, die auf der Grundlage ihres Fachwissens ausgewählt wurden und bei denen keinerlei Interessenkonflikte vorlagen, so die Mitteilung der WHO-Krebsforschungsagentur. Die 17 Wissenschaftler aus elf Ländern hätten 112 Studien analysiert und trafen sich vom 3. bis 10. März in Lyon für eine abschließende Bewertung.
Bewertung von Glyphosat durch eine internationale Expertengruppe
Die 17 Experten stammten aus Einrichtungen wie der University of Bordeaux in Frankreich, des National Cancer Institute in den USA, der Tarapaca University in Chile, der U.S. Environmental Protection Agency, des Regional Health Service of the Lazio Region in Italien, der australischen Curtin University, des National Institute of the Environmental Health Sciences in den USA, der Utrecht University in den Niederlanden, der European Chemicals Agency in Finnland oder der U.S. Environmental Protection Agency (EPA). Auch ein Beobachter von Monsanto war laut Mitteilung der WHO-Krebsforschungsagentur anwesend, wobei sich alle Beobachter bereit erklären mussten, die Richtlinien der IARC zu respektieren und keinen Einfluss auf die Bewertung beziehungsweise die Experten zu nehmen. Jede Form der Lobbyarbeit wurde ihnen untersagt, was auch die Bereitstellung schriftlicher Materialien oder Gefälligkeiten wie das Einladen zum Mittagessen umfasste.
Einsatz von Glyphosat weit verbreitet
Glyphosat ist ein Breitbandherbizid, mit derzeit dem höchsten Produktionsvolumen aller Herbizide. Es wird laut Angaben der Forscher in mehr als 750 verschiedenen Produkte für die Land- und Forstwirtschaft, aber auch für Heimanwendungen eingesetzt. Rückstände des Herbizids lassen sich nach dem Sprühen in der Luft, im Wasser aber auch auf Lebensmitteln feststellen, berichten die IARC-Wissenschaftler weiter. Auch sei Glyphosat in Blut und Urin von Landarbeitern festgestellt worden. Der Einsatz des Herbizids habe sich mit der Entwicklung gentechnisch veränderter Glyphosat-resistenter Pflanzensorten stark erhöht. Doch nicht nur auf Feldern mit „Roundup ready“-Pflanzen kommt Glyphosat zur Unkrautvernichtung zum Einsatz. Die konventionelle Landwirtschaft, Privatmenschen und auch die Städte und Gemeinden greifen ebenfalls häufig auf das Herbizid zurück. Die nun erfolgte Bewertung durch die IARC als „wahrscheinlich krebserregend“ sollte hier zum Umdenken anregen – daher vermutlich auch die umgehende Reaktion von Monsanto.
Verbot des Herbizids gefordert
Dave Schubert, Leiter des zellulären Neurobiologie-Labors am Salk Institut für biologische Studien in La Jolla (Kalifornien, USA) erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur „Reuters“, dass „es eine Reihe von unabhängigen, veröffentlichten Manuskripte (gebe), die eindeutig zeigen, dass Glyphosat (…) Krebs und Tumorwachstum fördert.“ Daher sollte das Herbizid seiner Ansicht nach umgehend verboten werden. Monsanto kommt hier zwar zu einer grundsätzlich anderen Einschätzung, doch die Sachlage scheint angesichts der aktuellen Bewertung durch die IARC-Experten relativ eindeutig. Es bleibt allerdings abzuwarten, inwiefern sich Monsanto mit seiner Forderung auf einen Widerruf Erfolg hat. (fp)
>Bild: FotoHiero / pixelio.de
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